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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 31. Die Finanzstrafe.

Nach § 43 des Zollges. von 1838 soll Roheisen und altes Bruch-
eisen zu einer Art Veredelungsverkehr zollfrei zugelassen werden,
unter der Bedingung der Ausfuhr der daraus verfertigten Waren.
Unter den dazu vorgeschriebenen Kontrollen und Bedingungen be-
findet sich die Bestimmung, dass die Fabrikanten, welchen eine solche
Begünstigung gewährt wird, sich einer von der Zolldirektivbehörde
zu verhängenden Konventionalstrafe bis zu M. 300 zu unterwerfen
haben, für den Fall sie den im Interesse der Zollverwaltung von den
zuständigen Zoll- oder Steuerbehörden getroffenen Anordnungen keine
Folge leisten4.

Von einer Konventionalstrafe im civilrechtlichen Sinne und in
civilrechtlichen Rechtsformen kann dabei nicht die Rede sein. Die
Verhängung der Strafe erfolgt durch den einen "Kontrahenten", die
Zolldirektivbehörde, in obrigkeitlicher Weise. Sie ist ein Verwaltungs-
akt, ein Strafbescheid, wie der, welchen die Verwaltungsbehörde zur
Verhängung einer gesetzmässigen Ordnungsstrafe erlässt, rechtlich
gleichwertig und gleichartig mit diesem: der gesetzlichen Grundlage
dort entspricht hier die freiwillige Unterwerfung5.

II. Man unterscheidet zwei Arten von Finanzdelikten: die De-
fraudation
oder Hinterziehung und die sonstige Verfehlung
gegen die Sicherungsvorschriften, die mit einer blossen Ordnungsstrafe
bedroht ist und als Ordnungswidrigkeit bezeichnet werden mag.

Im Zollstrafrecht pflegt noch ein drittes Delikt in der Reihe mit
aufgezählt zu werden: die Kontrebande. Man versteht darunter
die strafbare Verletzung eines Verbotes der Ein- oder Durchfuhr.
Es ist aber klar, dass ein derartiges Verbot kein Finanzbefehl, dass
die Kontrebande keine Verletzung eines Finanzinteresses, kein Finanz-
delikt sein kann. Thatsächlich dienen Verbote der Einfuhr der Fern-
haltung schädlicher Dinge von den Staatsgrenzen, namentlich der Ab-
wehr der Einschleppung ansteckender Krankheiten von Menschen,
Vieh und Pflanzen. Deshalb verknüpft sich auch von selbst damit

4 Anl. A zur No. 2 des Schlussprotokolles zum Vertrage zwischen dem Nord-
deutschen Bunde, Bayern, Württemberg, Baden und Hessen, die Fortdauer des
Zoll- und Haudelsvereins betr., v. 8. Juli 1867, Punkt 11.
5 Für das Verfahren werden deshalb die Regeln über die Strafbescheide
zur Anwendung kommen; Loebe, Zollstrafrecht S. 182 ff. Die auszusprechende
Konventionalstrafe ist eine Finanzstrafe, wie die anderen, nur dass die rechtliche
Grundlage auf eigentümliche Weise hergestellt wird. Dass dies hier überhaupt
möglich ist -- wer würde bei einer gemeinrechtlichen Strafe an etwas derartiges
denken! -- das hängt mit der Eigenart der Finanzstrafe zusammen, von welcher
unter IV noch die Rede sein wird.
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 29
§ 31. Die Finanzstrafe.

Nach § 43 des Zollges. von 1838 soll Roheisen und altes Bruch-
eisen zu einer Art Veredelungsverkehr zollfrei zugelassen werden,
unter der Bedingung der Ausfuhr der daraus verfertigten Waren.
Unter den dazu vorgeschriebenen Kontrollen und Bedingungen be-
findet sich die Bestimmung, daſs die Fabrikanten, welchen eine solche
Begünstigung gewährt wird, sich einer von der Zolldirektivbehörde
zu verhängenden Konventionalstrafe bis zu M. 300 zu unterwerfen
haben, für den Fall sie den im Interesse der Zollverwaltung von den
zuständigen Zoll- oder Steuerbehörden getroffenen Anordnungen keine
Folge leisten4.

Von einer Konventionalstrafe im civilrechtlichen Sinne und in
civilrechtlichen Rechtsformen kann dabei nicht die Rede sein. Die
Verhängung der Strafe erfolgt durch den einen „Kontrahenten“, die
Zolldirektivbehörde, in obrigkeitlicher Weise. Sie ist ein Verwaltungs-
akt, ein Strafbescheid, wie der, welchen die Verwaltungsbehörde zur
Verhängung einer gesetzmäſsigen Ordnungsstrafe erläſst, rechtlich
gleichwertig und gleichartig mit diesem: der gesetzlichen Grundlage
dort entspricht hier die freiwillige Unterwerfung5.

II. Man unterscheidet zwei Arten von Finanzdelikten: die De-
fraudation
oder Hinterziehung und die sonstige Verfehlung
gegen die Sicherungsvorschriften, die mit einer bloſsen Ordnungsstrafe
bedroht ist und als Ordnungswidrigkeit bezeichnet werden mag.

Im Zollstrafrecht pflegt noch ein drittes Delikt in der Reihe mit
aufgezählt zu werden: die Kontrebande. Man versteht darunter
die strafbare Verletzung eines Verbotes der Ein- oder Durchfuhr.
Es ist aber klar, daſs ein derartiges Verbot kein Finanzbefehl, daſs
die Kontrebande keine Verletzung eines Finanzinteresses, kein Finanz-
delikt sein kann. Thatsächlich dienen Verbote der Einfuhr der Fern-
haltung schädlicher Dinge von den Staatsgrenzen, namentlich der Ab-
wehr der Einschleppung ansteckender Krankheiten von Menschen,
Vieh und Pflanzen. Deshalb verknüpft sich auch von selbst damit

4 Anl. A zur No. 2 des Schluſsprotokolles zum Vertrage zwischen dem Nord-
deutschen Bunde, Bayern, Württemberg, Baden und Hessen, die Fortdauer des
Zoll- und Haudelsvereins betr., v. 8. Juli 1867, Punkt 11.
5 Für das Verfahren werden deshalb die Regeln über die Strafbescheide
zur Anwendung kommen; Loebe, Zollstrafrecht S. 182 ff. Die auszusprechende
Konventionalstrafe ist eine Finanzstrafe, wie die anderen, nur daſs die rechtliche
Grundlage auf eigentümliche Weise hergestellt wird. Daſs dies hier überhaupt
möglich ist — wer würde bei einer gemeinrechtlichen Strafe an etwas derartiges
denken! — das hängt mit der Eigenart der Finanzstrafe zusammen, von welcher
unter IV noch die Rede sein wird.
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 29
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[449/0469] § 31. Die Finanzstrafe. Nach § 43 des Zollges. von 1838 soll Roheisen und altes Bruch- eisen zu einer Art Veredelungsverkehr zollfrei zugelassen werden, unter der Bedingung der Ausfuhr der daraus verfertigten Waren. Unter den dazu vorgeschriebenen Kontrollen und Bedingungen be- findet sich die Bestimmung, daſs die Fabrikanten, welchen eine solche Begünstigung gewährt wird, sich einer von der Zolldirektivbehörde zu verhängenden Konventionalstrafe bis zu M. 300 zu unterwerfen haben, für den Fall sie den im Interesse der Zollverwaltung von den zuständigen Zoll- oder Steuerbehörden getroffenen Anordnungen keine Folge leisten 4. Von einer Konventionalstrafe im civilrechtlichen Sinne und in civilrechtlichen Rechtsformen kann dabei nicht die Rede sein. Die Verhängung der Strafe erfolgt durch den einen „Kontrahenten“, die Zolldirektivbehörde, in obrigkeitlicher Weise. Sie ist ein Verwaltungs- akt, ein Strafbescheid, wie der, welchen die Verwaltungsbehörde zur Verhängung einer gesetzmäſsigen Ordnungsstrafe erläſst, rechtlich gleichwertig und gleichartig mit diesem: der gesetzlichen Grundlage dort entspricht hier die freiwillige Unterwerfung 5. II. Man unterscheidet zwei Arten von Finanzdelikten: die De- fraudation oder Hinterziehung und die sonstige Verfehlung gegen die Sicherungsvorschriften, die mit einer bloſsen Ordnungsstrafe bedroht ist und als Ordnungswidrigkeit bezeichnet werden mag. Im Zollstrafrecht pflegt noch ein drittes Delikt in der Reihe mit aufgezählt zu werden: die Kontrebande. Man versteht darunter die strafbare Verletzung eines Verbotes der Ein- oder Durchfuhr. Es ist aber klar, daſs ein derartiges Verbot kein Finanzbefehl, daſs die Kontrebande keine Verletzung eines Finanzinteresses, kein Finanz- delikt sein kann. Thatsächlich dienen Verbote der Einfuhr der Fern- haltung schädlicher Dinge von den Staatsgrenzen, namentlich der Ab- wehr der Einschleppung ansteckender Krankheiten von Menschen, Vieh und Pflanzen. Deshalb verknüpft sich auch von selbst damit 4 Anl. A zur No. 2 des Schluſsprotokolles zum Vertrage zwischen dem Nord- deutschen Bunde, Bayern, Württemberg, Baden und Hessen, die Fortdauer des Zoll- und Haudelsvereins betr., v. 8. Juli 1867, Punkt 11. 5 Für das Verfahren werden deshalb die Regeln über die Strafbescheide zur Anwendung kommen; Loebe, Zollstrafrecht S. 182 ff. Die auszusprechende Konventionalstrafe ist eine Finanzstrafe, wie die anderen, nur daſs die rechtliche Grundlage auf eigentümliche Weise hergestellt wird. Daſs dies hier überhaupt möglich ist — wer würde bei einer gemeinrechtlichen Strafe an etwas derartiges denken! — das hängt mit der Eigenart der Finanzstrafe zusammen, von welcher unter IV noch die Rede sein wird. Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 29

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/469>, abgerufen am 06.05.2024.