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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

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ein anderer Büttel geben werden inmaßen er in vergan¬
gener Nacht noch wieder in böser Absicht bei ihr gewest,
so daß sie letzlich laut geschrieen und ihn mit den Ket¬
ten aufs Haubt geschlagen, worauf er endlich von ihr
gewichen. Solches versprach Dn. Syndicus zu besor¬
gen, aber ihre Defension anlangend, die sie nunmehro
fortsetzte, so vermeinete er, daß es besser geschähe, wenn
des impetus *) nicht weiter gedacht würde, so der Amts¬
haubtmann auf ihre Keuschheit versuchet. Denn, sprach
er, dieweil das fürstliche Hofgericht in Wolgast dein Ur¬
tel spricht, würde dir solches Fürgeben mehr schaden denn
nützen, angesehen der Praeses desselbigen ein Vetter von
dem Amtshaubtmann ist, und häufig mit ihme auf der
Jagd conversiret. Dazu kömmt daß du, als einer so
großen Uebelthat gerüchtiget, nicht fidem hast, zumalen
du keine Zeugen wider ihn stellen kannst. Es würde
dannenhero nimmer zu Recht wider dich erkannt wer¬
den, daß du solche Sag in der Urgicht **) solltest be¬
kräftigen, als von welcher ich dich durch meine Defen¬
sion zu lösen, doch anhero kommen bin. Solche Gründe
schienen letzlich uns beiden vernünftig und beschlossen wir,
die Rache dem allmächtigen Gott zu überlassen, der in
das Verborgene siehet, und dem wir alleine unsere Un¬
bill klagen wöllten, da wir sie denen Menschen nicht
klagen durften. Was mein Töchterlein aber sonst für¬
brachte, von der alten Lisen, item in dem guten Leu¬

*) Angriff.
**) Auf der Folter.

ein anderer Büttel geben werden inmaßen er in vergan¬
gener Nacht noch wieder in böſer Abſicht bei ihr geweſt,
ſo daß ſie letzlich laut geſchrieen und ihn mit den Ket¬
ten aufs Haubt geſchlagen, worauf er endlich von ihr
gewichen. Solches verſprach Dn. Syndicus zu beſor¬
gen, aber ihre Defenſion anlangend, die ſie nunmehro
fortſetzte, ſo vermeinete er, daß es beſſer geſchähe, wenn
des impetus *) nicht weiter gedacht würde, ſo der Amts¬
haubtmann auf ihre Keuſchheit verſuchet. Denn, ſprach
er, dieweil das fürſtliche Hofgericht in Wolgaſt dein Ur¬
tel ſpricht, würde dir ſolches Fürgeben mehr ſchaden denn
nützen, angeſehen der Praeses deſſelbigen ein Vetter von
dem Amtshaubtmann iſt, und häufig mit ihme auf der
Jagd converſiret. Dazu kömmt daß du, als einer ſo
großen Uebelthat gerüchtiget, nicht fidem haſt, zumalen
du keine Zeugen wider ihn ſtellen kannſt. Es würde
dannenhero nimmer zu Recht wider dich erkannt wer¬
den, daß du ſolche Sag in der Urgicht **) ſollteſt be¬
kräftigen, als von welcher ich dich durch meine Defen¬
ſion zu löſen, doch anhero kommen bin. Solche Gründe
ſchienen letzlich uns beiden vernünftig und beſchloſſen wir,
die Rache dem allmächtigen Gott zu überlaſſen, der in
das Verborgene ſiehet, und dem wir alleine unſere Un¬
bill klagen wöllten, da wir ſie denen Menſchen nicht
klagen durften. Was mein Töchterlein aber ſonſt für¬
brachte, von der alten Liſen, item in dem guten Leu¬

*) Angriff.
**) Auf der Folter.
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[183/0199] ein anderer Büttel geben werden inmaßen er in vergan¬ gener Nacht noch wieder in böſer Abſicht bei ihr geweſt, ſo daß ſie letzlich laut geſchrieen und ihn mit den Ket¬ ten aufs Haubt geſchlagen, worauf er endlich von ihr gewichen. Solches verſprach Dn. Syndicus zu beſor¬ gen, aber ihre Defenſion anlangend, die ſie nunmehro fortſetzte, ſo vermeinete er, daß es beſſer geſchähe, wenn des impetus *) nicht weiter gedacht würde, ſo der Amts¬ haubtmann auf ihre Keuſchheit verſuchet. Denn, ſprach er, dieweil das fürſtliche Hofgericht in Wolgaſt dein Ur¬ tel ſpricht, würde dir ſolches Fürgeben mehr ſchaden denn nützen, angeſehen der Praeses deſſelbigen ein Vetter von dem Amtshaubtmann iſt, und häufig mit ihme auf der Jagd converſiret. Dazu kömmt daß du, als einer ſo großen Uebelthat gerüchtiget, nicht fidem haſt, zumalen du keine Zeugen wider ihn ſtellen kannſt. Es würde dannenhero nimmer zu Recht wider dich erkannt wer¬ den, daß du ſolche Sag in der Urgicht **) ſollteſt be¬ kräftigen, als von welcher ich dich durch meine Defen¬ ſion zu löſen, doch anhero kommen bin. Solche Gründe ſchienen letzlich uns beiden vernünftig und beſchloſſen wir, die Rache dem allmächtigen Gott zu überlaſſen, der in das Verborgene ſiehet, und dem wir alleine unſere Un¬ bill klagen wöllten, da wir ſie denen Menſchen nicht klagen durften. Was mein Töchterlein aber ſonſt für¬ brachte, von der alten Liſen, item in dem guten Leu¬ *) Angriff. **) Auf der Folter.

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Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/199>, abgerufen am 06.05.2024.