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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

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Als ich solches sahe und hörete, wie weit es mit ihr
kommen, entsatzte ich mich auf das Höchste und rief:
"Maria, mein Töchterlein machstu?" Sie erschrak,
als sie meine Stimme hörete, blieb aber auf ihrem
Scheiterhaufen sitzen, und gab zur Antwort, indem sie
das Gesicht mit ihrem Schurzfleck bedeckete. "Vater
ich brenne mein Herze!" Trat also näher zog ihr den
Schurzfleck fort und sprach: "Wiltu mich denn noch
einmal zu Tode grämen?" worauf sie ihre Augen mit
den Händen bedeckete und lamentirete: "ach Vater,
warumb bin ich hier nicht gebrennet? so hätte meine
Pein doch nur eine kurze Zeit gewähret, nun aber wäh¬
ret sie so lange ich lebe!" That noch immer als mer¬
kete ich nichtes und sprach: "Warumb leidest du denn
so viel Pein mein liebes Kind?" worauf sie zur Ant¬
wort gab: "ich habe mich so lange geschämet es Ih¬
me zu sagen, umb den Junker, umb den Junker, mein
Vater, leide ich so viele Pein! Er gedenket mein nit
mehr und verachtet mich, obwohl er mich gerettet, denn
sonst wäre er wohl ein wenig vom Roß gestiegen und
hineinkommen, aber wir seind ihm viel zu schlecht!"

Sie selbst zur Furie entstellt Vom gräßlichen Entschluß, der ihren Busen schwellt,
Mit bluterhitztem Aug', gestachelt von Verlangen,
Der Farben wechselnd Spiel auf krampfhaft zuckenden
Wangen,

Jetzt flammenroth und jetzt vom nahenden Geschick
Durchschauert, bleich, wie eine Büste,
Stürzt in den innern Hof, und Wahnsinn in dem Blick
Besteigt sie das entsetzliche Gerüste.

Als ich ſolches ſahe und hörete, wie weit es mit ihr
kommen, entſatzte ich mich auf das Höchſte und rief:
„Maria, mein Töchterlein machſtu?“ Sie erſchrak,
als ſie meine Stimme hörete, blieb aber auf ihrem
Scheiterhaufen ſitzen, und gab zur Antwort, indem ſie
das Geſicht mit ihrem Schurzfleck bedeckete. „Vater
ich brenne mein Herze!“ Trat alſo näher zog ihr den
Schurzfleck fort und ſprach: „Wiltu mich denn noch
einmal zu Tode grämen?“ worauf ſie ihre Augen mit
den Händen bedeckete und lamentirete: „ach Vater,
warumb bin ich hier nicht gebrennet? ſo hätte meine
Pein doch nur eine kurze Zeit gewähret, nun aber wäh¬
ret ſie ſo lange ich lebe!“ That noch immer als mer¬
kete ich nichtes und ſprach: „Warumb leideſt du denn
ſo viel Pein mein liebes Kind?“ worauf ſie zur Ant¬
wort gab: „ich habe mich ſo lange geſchämet es Ih¬
me zu ſagen, umb den Junker, umb den Junker, mein
Vater, leide ich ſo viele Pein! Er gedenket mein nit
mehr und verachtet mich, obwohl er mich gerettet, denn
ſonſt wäre er wohl ein wenig vom Roß geſtiegen und
hineinkommen, aber wir ſeind ihm viel zu ſchlecht!“

Sie ſelbſt zur Furie entſtellt Vom gräßlichen Entſchluß, der ihren Buſen ſchwellt,
Mit bluterhitztem Aug’, geſtachelt von Verlangen,
Der Farben wechſelnd Spiel auf krampfhaft zuckenden
Wangen,

Jetzt flammenroth und jetzt vom nahenden Geſchick
Durchſchauert, bleich, wie eine Büſte,
Stürzt in den innern Hof, und Wahnſinn in dem Blick
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[281/0297] Als ich ſolches ſahe und hörete, wie weit es mit ihr kommen, entſatzte ich mich auf das Höchſte und rief: „Maria, mein Töchterlein machſtu?“ Sie erſchrak, als ſie meine Stimme hörete, blieb aber auf ihrem Scheiterhaufen ſitzen, und gab zur Antwort, indem ſie das Geſicht mit ihrem Schurzfleck bedeckete. „Vater ich brenne mein Herze!“ Trat alſo näher zog ihr den Schurzfleck fort und ſprach: „Wiltu mich denn noch einmal zu Tode grämen?“ worauf ſie ihre Augen mit den Händen bedeckete und lamentirete: „ach Vater, warumb bin ich hier nicht gebrennet? ſo hätte meine Pein doch nur eine kurze Zeit gewähret, nun aber wäh¬ ret ſie ſo lange ich lebe!“ That noch immer als mer¬ kete ich nichtes und ſprach: „Warumb leideſt du denn ſo viel Pein mein liebes Kind?“ worauf ſie zur Ant¬ wort gab: „ich habe mich ſo lange geſchämet es Ih¬ me zu ſagen, umb den Junker, umb den Junker, mein Vater, leide ich ſo viele Pein! Er gedenket mein nit mehr und verachtet mich, obwohl er mich gerettet, denn ſonſt wäre er wohl ein wenig vom Roß geſtiegen und hineinkommen, aber wir ſeind ihm viel zu ſchlecht!“ *) *) Sie ſelbſt zur Furie entſtellt Vom gräßlichen Entſchluß, der ihren Buſen ſchwellt, Mit bluterhitztem Aug’, geſtachelt von Verlangen, Der Farben wechſelnd Spiel auf krampfhaft zuckenden Wangen, Jetzt flammenroth und jetzt vom nahenden Geſchick Durchſchauert, bleich, wie eine Büſte, Stürzt in den innern Hof, und Wahnſinn in dem Blick Beſteigt ſie das entſetzliche Gerüſte.

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Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/297>, abgerufen am 30.04.2024.