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Mendel, Gregor: Versuche über Pflanzen-Hybriden. In: Verhandlungen des Naturforschenden Vereines in Brünn 4 (1866), S. 3-47.

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zu beiden Stammpflanzen hinneigen, erhielt doch bei diesem Versuche
der Typus der Samenpflanze ein so bedeutendes Uebergewicht, dass
unter je 64 Pflanzen der ersten Generation 54 derselben ganz gleich
kamen, oder nur in einem Merkmale verschieden waren. Man sieht, wie
gewagt es unter Umständen sein kann, bei Hybriden aus der äusseren
Uebereinstimmung Schlüsse auf ihre innere Verwandtschaft zu ziehen.

Gärtner erwähnt, dass in jenen Fällen, wo die Entwicklung eine
regelmässige war, unter den Nachkommen der Hybriden nicht die bei-
den Stammarten selbst erhalten wurden, sondern nur einzelne ihnen nä-
her verwandte Individuen. Bei sehr ausgedehnten Entwicklungsreihen
konnte es in der That nicht anders eintreffen. Für 7 differirende Merk-
male z. B. kommen unter mehr als 16,000 Nachkommen der Hybride
die beiden Stammformen nur je einmal vor. Es ist demnach nicht leicht
möglich, dass dieselben schon unter einer geringen Anzahl von Versuchs-
pflanzen erhalten werden; mit einiger Wahrscheinlichkeit darf man je-
doch auf das Erscheinen einzelner Formen rechnen, die demselben in
der Reihe nahe stehen.

Einer wesentlichen Verschiedenheit begegnen wir bei
jenen Hybriden, welche in ihren Nachkommen constant bleiben und sich
eben so wie die reinen Arten fortpflanzen. Nach Gärtner gehören hie-
her die ausgezeichnet fruchtbaren Hybriden: Aquilegia atropur-
purea-canadensis, Lavatera pseudolbia-thuringiaca, Geum urbano-rivale und
einige Dianthus-Hybriden; nach Wichura die Hybriden der Weidenarten.
Für die Entwicklungsgeschichte der Pflanzen ist dieser Umstand von
besonderer Wichtigkeit, weil constante Hybriden die Bedeutung neuer
Arten
erlangen. Die Richtigkeit des Sachverhaltes ist durch vorzügli-
che Beobachter verbürgt und kann nicht in Zweifel gezogen werden.
Gärtner hatte Gelegenheit, den Dianthus Armeria-deltoides bis in die
10. Generation zu verfolgen, da sich derselbe regelmässig im Garten
von selbst fortpflanzte.

Bei Pisum wurde es durch Versuche erwiesen, dass die Hybriden
verschiedenartige Keim- und Pollen-Zellen bilden, und dass hierin
der Grund für die Veränderlichkeit ihrer Nachkommen liegt. Auch bei
anderen Hybriden, deren Nachkommen sich ähnlich verhalten, dürfen
wir eine gleiche Ursache voraussetzen; für jene hingegen, welche con-
stant bleiben, scheint die Annahme zulässig, dass ihre Befruchtungszel-
len gleichartig sind und mit der Hybriden-Grundzelle übereinstimmen.
Nach der Ansicht berühmter Physiologen vereinigen sich bei den

zu beiden Stammpflanzen hinneigen, erhielt doch bei diesem Versuche
der Typus der Samenpflanze ein so bedeutendes Uebergewicht, dass
unter je 64 Pflanzen der ersten Generation 54 derselben ganz gleich
kamen, oder nur in einem Merkmale verschieden waren. Man sieht, wie
gewagt es unter Umständen sein kann, bei Hybriden aus der äusseren
Uebereinstimmung Schlüsse auf ihre innere Verwandtschaft zu ziehen.

Gärtner erwähnt, dass in jenen Fällen, wo die Entwicklung eine
regelmässige war, unter den Nachkommen der Hybriden nicht die bei-
den Stammarten selbst erhalten wurden, sondern nur einzelne ihnen nä-
her verwandte Individuen. Bei sehr ausgedehnten Entwicklungsreihen
konnte es in der That nicht anders eintreffen. Für 7 differirende Merk-
male z. B. kommen unter mehr als 16,000 Nachkommen der Hybride
die beiden Stammformen nur je einmal vor. Es ist demnach nicht leicht
möglich, dass dieselben schon unter einer geringen Anzahl von Versuchs-
pflanzen erhalten werden; mit einiger Wahrscheinlichkeit darf man je-
doch auf das Erscheinen einzelner Formen rechnen, die demselben in
der Reihe nahe stehen.

Einer wesentlichen Verschiedenheit begegnen wir bei
jenen Hybriden, welche in ihren Nachkommen constant bleiben und sich
eben so wie die reinen Arten fortpflanzen. Nach Gärtner gehören hie-
her die ausgezeichnet fruchtbaren Hybriden: Aquilegia atropur-
purea-canadensis, Lavatera pseudolbia-thuringiaca, Geum urbano-rivale und
einige Dianthus-Hybriden; nach Wichura die Hybriden der Weidenarten.
Für die Entwicklungsgeschichte der Pflanzen ist dieser Umstand von
besonderer Wichtigkeit, weil constante Hybriden die Bedeutung neuer
Arten
erlangen. Die Richtigkeit des Sachverhaltes ist durch vorzügli-
che Beobachter verbürgt und kann nicht in Zweifel gezogen werden.
Gärtner hatte Gelegenheit, den Dianthus Armeria-deltoides bis in die
10. Generation zu verfolgen, da sich derselbe regelmässig im Garten
von selbst fortpflanzte.

Bei Pisum wurde es durch Versuche erwiesen, dass die Hybriden
verschiedenartige Keim- und Pollen-Zellen bilden, und dass hierin
der Grund für die Veränderlichkeit ihrer Nachkommen liegt. Auch bei
anderen Hybriden, deren Nachkommen sich ähnlich verhalten, dürfen
wir eine gleiche Ursache voraussetzen; für jene hingegen, welche con-
stant bleiben, scheint die Annahme zulässig, dass ihre Befruchtungszel-
len gleichartig sind und mit der Hybriden-Grundzelle übereinstimmen.
Nach der Ansicht berühmter Physiologen vereinigen sich bei den

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[40/0051] zu beiden Stammpflanzen hinneigen, erhielt doch bei diesem Versuche der Typus der Samenpflanze ein so bedeutendes Uebergewicht, dass unter je 64 Pflanzen der ersten Generation 54 derselben ganz gleich kamen, oder nur in einem Merkmale verschieden waren. Man sieht, wie gewagt es unter Umständen sein kann, bei Hybriden aus der äusseren Uebereinstimmung Schlüsse auf ihre innere Verwandtschaft zu ziehen. Gärtner erwähnt, dass in jenen Fällen, wo die Entwicklung eine regelmässige war, unter den Nachkommen der Hybriden nicht die bei- den Stammarten selbst erhalten wurden, sondern nur einzelne ihnen nä- her verwandte Individuen. Bei sehr ausgedehnten Entwicklungsreihen konnte es in der That nicht anders eintreffen. Für 7 differirende Merk- male z. B. kommen unter mehr als 16,000 Nachkommen der Hybride die beiden Stammformen nur je einmal vor. Es ist demnach nicht leicht möglich, dass dieselben schon unter einer geringen Anzahl von Versuchs- pflanzen erhalten werden; mit einiger Wahrscheinlichkeit darf man je- doch auf das Erscheinen einzelner Formen rechnen, die demselben in der Reihe nahe stehen. Einer wesentlichen Verschiedenheit begegnen wir bei jenen Hybriden, welche in ihren Nachkommen constant bleiben und sich eben so wie die reinen Arten fortpflanzen. Nach Gärtner gehören hie- her die ausgezeichnet fruchtbaren Hybriden: Aquilegia atropur- purea-canadensis, Lavatera pseudolbia-thuringiaca, Geum urbano-rivale und einige Dianthus-Hybriden; nach Wichura die Hybriden der Weidenarten. Für die Entwicklungsgeschichte der Pflanzen ist dieser Umstand von besonderer Wichtigkeit, weil constante Hybriden die Bedeutung neuer Arten erlangen. Die Richtigkeit des Sachverhaltes ist durch vorzügli- che Beobachter verbürgt und kann nicht in Zweifel gezogen werden. Gärtner hatte Gelegenheit, den Dianthus Armeria-deltoides bis in die 10. Generation zu verfolgen, da sich derselbe regelmässig im Garten von selbst fortpflanzte. Bei Pisum wurde es durch Versuche erwiesen, dass die Hybriden verschiedenartige Keim- und Pollen-Zellen bilden, und dass hierin der Grund für die Veränderlichkeit ihrer Nachkommen liegt. Auch bei anderen Hybriden, deren Nachkommen sich ähnlich verhalten, dürfen wir eine gleiche Ursache voraussetzen; für jene hingegen, welche con- stant bleiben, scheint die Annahme zulässig, dass ihre Befruchtungszel- len gleichartig sind und mit der Hybriden-Grundzelle übereinstimmen. Nach der Ansicht berühmter Physiologen vereinigen sich bei den

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Zitationshilfe: Mendel, Gregor: Versuche über Pflanzen-Hybriden. In: Verhandlungen des Naturforschenden Vereines in Brünn 4 (1866), S. 3-47, hier S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendel_pflanzenhybriden_1866/51>, abgerufen am 29.04.2024.