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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

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stehn müsse, wenn sie die Jugend sich nicht bald ent¬
zogen sehn will. Jene Anstalten verfehlten den Zweck
der Erziehung, indem sie, gleich als ob die Philan¬
thropien glückliche Inseln im Südmeer wären, auf
die sie umgebende Welt keine Rücksicht nahmen, oder
sie vergriffen sich in den Mitteln, indem sie die Ju¬
gend auf die unnatürlichste Weise anstrengten, ihre
Knospen mit Gewalt aufblätterten, um die künftige
Blüthe zu sehn, und sie nicht viel besser als Hunde
dressirten. Es ist indeß bereits so viel gerechter Ta¬
del über jene Anstalten ausgeschüttet worden, daß
es billig scheint, darüber das Gute nicht zu vergessen,
was durch sie geleistet worden.

Namentlich ist die Methode des Unterrichts durch
die Privatanstalten verbessert worden. Ausgezeich¬
nete Pädagogen, die etwas besseres Neues begründen
wollten, sahen sich meistentheils gezwungen, ihre Ver¬
suche im Kleinen und in unabhängigen Kindergesell¬
schaften anzustellen, da ihnen das alte Herkommen
der öffentlichen Schulen große Hindernisse in den
Weg legte. Hier wurden eigne Ideen, und die der
Fremden, z.B. von Lancaster, geprüft, und besonders
für Vereinfachung aller Unterrichtsmittel thätig ge¬
sorgt, und viel Gutes ward aus den Privatanstal¬
ten in die Schulen des Staates selbst aufgenommen,
wie von Pestalozzi und Lancaster.

Die vorzüglichste Thätigkeit der Pädagogen hat
sich, wie billig, auf die Unterrichtsliteratur, auf die
Schulbücher gerichtet. Die gesammte Jugendlitera¬

ſtehn muͤſſe, wenn ſie die Jugend ſich nicht bald ent¬
zogen ſehn will. Jene Anſtalten verfehlten den Zweck
der Erziehung, indem ſie, gleich als ob die Philan¬
thropien gluͤckliche Inſeln im Suͤdmeer waͤren, auf
die ſie umgebende Welt keine Ruͤckſicht nahmen, oder
ſie vergriffen ſich in den Mitteln, indem ſie die Ju¬
gend auf die unnatuͤrlichſte Weiſe anſtrengten, ihre
Knoſpen mit Gewalt aufblaͤtterten, um die kuͤnftige
Bluͤthe zu ſehn, und ſie nicht viel beſſer als Hunde
dreſſirten. Es iſt indeß bereits ſo viel gerechter Ta¬
del uͤber jene Anſtalten ausgeſchuͤttet worden, daß
es billig ſcheint, daruͤber das Gute nicht zu vergeſſen,
was durch ſie geleiſtet worden.

Namentlich iſt die Methode des Unterrichts durch
die Privatanſtalten verbeſſert worden. Ausgezeich¬
nete Paͤdagogen, die etwas beſſeres Neues begruͤnden
wollten, ſahen ſich meiſtentheils gezwungen, ihre Ver¬
ſuche im Kleinen und in unabhaͤngigen Kindergeſell¬
ſchaften anzuſtellen, da ihnen das alte Herkommen
der oͤffentlichen Schulen große Hinderniſſe in den
Weg legte. Hier wurden eigne Ideen, und die der
Fremden, z.B. von Lancaſter, gepruͤft, und beſonders
fuͤr Vereinfachung aller Unterrichtsmittel thaͤtig ge¬
ſorgt, und viel Gutes ward aus den Privatanſtal¬
ten in die Schulen des Staates ſelbſt aufgenommen,
wie von Peſtalozzi und Lancaſter.

Die vorzuͤglichſte Thaͤtigkeit der Paͤdagogen hat
ſich, wie billig, auf die Unterrichtsliteratur, auf die
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[270/0280] ſtehn muͤſſe, wenn ſie die Jugend ſich nicht bald ent¬ zogen ſehn will. Jene Anſtalten verfehlten den Zweck der Erziehung, indem ſie, gleich als ob die Philan¬ thropien gluͤckliche Inſeln im Suͤdmeer waͤren, auf die ſie umgebende Welt keine Ruͤckſicht nahmen, oder ſie vergriffen ſich in den Mitteln, indem ſie die Ju¬ gend auf die unnatuͤrlichſte Weiſe anſtrengten, ihre Knoſpen mit Gewalt aufblaͤtterten, um die kuͤnftige Bluͤthe zu ſehn, und ſie nicht viel beſſer als Hunde dreſſirten. Es iſt indeß bereits ſo viel gerechter Ta¬ del uͤber jene Anſtalten ausgeſchuͤttet worden, daß es billig ſcheint, daruͤber das Gute nicht zu vergeſſen, was durch ſie geleiſtet worden. Namentlich iſt die Methode des Unterrichts durch die Privatanſtalten verbeſſert worden. Ausgezeich¬ nete Paͤdagogen, die etwas beſſeres Neues begruͤnden wollten, ſahen ſich meiſtentheils gezwungen, ihre Ver¬ ſuche im Kleinen und in unabhaͤngigen Kindergeſell¬ ſchaften anzuſtellen, da ihnen das alte Herkommen der oͤffentlichen Schulen große Hinderniſſe in den Weg legte. Hier wurden eigne Ideen, und die der Fremden, z.B. von Lancaſter, gepruͤft, und beſonders fuͤr Vereinfachung aller Unterrichtsmittel thaͤtig ge¬ ſorgt, und viel Gutes ward aus den Privatanſtal¬ ten in die Schulen des Staates ſelbſt aufgenommen, wie von Peſtalozzi und Lancaſter. Die vorzuͤglichſte Thaͤtigkeit der Paͤdagogen hat ſich, wie billig, auf die Unterrichtsliteratur, auf die Schulbuͤcher gerichtet. Die geſammte Jugendlitera¬

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/280>, abgerufen am 30.04.2024.