bündnerische Zustände und Sitten äußerte. Wer oder was blieb überhaupt von seiner scharfen Zunge ver¬ schont! Mit ihr hatte er doch bis jetzt immer eine Aus¬ nahme gemacht und sie war dafür nicht unempfindlich geblieben.
Ihre sanfte kindliche Schönheit und das Gleich¬ gewicht ihrer durchaus friedfertigen Sinnesart wirkte anziehend und beruhigend auf den quecksilbernen Offi¬ zier. Das Fräulein seinerseits hatte sich in allen Züch¬ ten zuweilen mit dem Gedanken beschäftigt, wie sich dieser zürcherische Unband wohl als Eheherr ausnehmen würde und hatte seine Tapferkeit, den unbestreitbaren Werth seiner Treue an dem edlen frommen Herzog und seine hochgehenden Lebensaussichten mit weisem Herzen in die Wage gelegt gegen seine Schroffheiten, sein ab¬ sprechendes Wesen und seine Spöttereien über Geist¬ lichkeit und Gottesdienst, die vielleicht doch im Grunde weniger schlimm gemeint waren, als sie übel klangen. Doch war sie, -- nach dieser rauhen Begegnung mußte sie sich's gestehen, -- noch keineswegs zu einem günsti¬ gen Ergebniß gekommen.
So entschlug sie sich dieser Gedanken ohne daß es sie große Mühe kostete, und wandelte, den silberhellen Blumenstrauß in ihrer Hand ordnend, langsam die letzten Stufen hinauf.
bündneriſche Zuſtände und Sitten äußerte. Wer oder was blieb überhaupt von ſeiner ſcharfen Zunge ver¬ ſchont! Mit ihr hatte er doch bis jetzt immer eine Aus¬ nahme gemacht und ſie war dafür nicht unempfindlich geblieben.
Ihre ſanfte kindliche Schönheit und das Gleich¬ gewicht ihrer durchaus friedfertigen Sinnesart wirkte anziehend und beruhigend auf den queckſilbernen Offi¬ zier. Das Fräulein ſeinerſeits hatte ſich in allen Züch¬ ten zuweilen mit dem Gedanken beſchäftigt, wie ſich dieſer zürcheriſche Unband wohl als Eheherr ausnehmen würde und hatte ſeine Tapferkeit, den unbeſtreitbaren Werth ſeiner Treue an dem edlen frommen Herzog und ſeine hochgehenden Lebensausſichten mit weiſem Herzen in die Wage gelegt gegen ſeine Schroffheiten, ſein ab¬ ſprechendes Weſen und ſeine Spöttereien über Geiſt¬ lichkeit und Gottesdienſt, die vielleicht doch im Grunde weniger ſchlimm gemeint waren, als ſie übel klangen. Doch war ſie, — nach dieſer rauhen Begegnung mußte ſie ſich's geſtehen, — noch keineswegs zu einem günſti¬ gen Ergebniß gekommen.
So entſchlug ſie ſich dieſer Gedanken ohne daß es ſie große Mühe koſtete, und wandelte, den ſilberhellen Blumenſtrauß in ihrer Hand ordnend, langſam die letzten Stufen hinauf.
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bündneriſche Zuſtände und Sitten äußerte. Wer oder
was blieb überhaupt von ſeiner ſcharfen Zunge ver¬
ſchont! Mit ihr hatte er doch bis jetzt immer eine Aus¬
nahme gemacht und ſie war dafür nicht unempfindlich
geblieben.
Ihre ſanfte kindliche Schönheit und das Gleich¬
gewicht ihrer durchaus friedfertigen Sinnesart wirkte
anziehend und beruhigend auf den queckſilbernen Offi¬
zier. Das Fräulein ſeinerſeits hatte ſich in allen Züch¬
ten zuweilen mit dem Gedanken beſchäftigt, wie ſich
dieſer zürcheriſche Unband wohl als Eheherr ausnehmen
würde und hatte ſeine Tapferkeit, den unbeſtreitbaren
Werth ſeiner Treue an dem edlen frommen Herzog und
ſeine hochgehenden Lebensausſichten mit weiſem Herzen
in die Wage gelegt gegen ſeine Schroffheiten, ſein ab¬
ſprechendes Weſen und ſeine Spöttereien über Geiſt¬
lichkeit und Gottesdienſt, die vielleicht doch im Grunde
weniger ſchlimm gemeint waren, als ſie übel klangen.
Doch war ſie, — nach dieſer rauhen Begegnung mußte
ſie ſich's geſtehen, — noch keineswegs zu einem günſti¬
gen Ergebniß gekommen.
So entſchlug ſie ſich dieſer Gedanken ohne daß es
ſie große Mühe koſtete, und wandelte, den ſilberhellen
Blumenſtrauß in ihrer Hand ordnend, langſam die
letzten Stufen hinauf.
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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/320>, abgerufen am 28.04.2024.
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