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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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ließen sich errathen und leises Schellengeklingel der
Lastthiere wurde vom Winde herübergeweht.

Das konnte nur der als Ueberbringer der Friedens¬
urkunde nach Chur ziehende Jenatsch sein! Doch immer
und immer bewegte es sich von Neuem in den Nebeln
und jetzt schien ein Theil des zurückgebliebenen Trosses,
da wo die Straße nach Riedberg sich abzweigt, vom
Zuge sich zu trennen und die Richtung nach dem
Schlosse einzuschlagen.

Sollte er es wagen, Lucretia auf seinen Triumph¬
zug, der Welt zum Schauspiel, abzuholen, sie mitführen
zu wollen als seine schwierigste Beute!

Doch nein, -- er war voraus. Sie hatte durch
eine Lücke der Nebelwolken seinen glänzend geschirrten
Rappen vorüberblitzen sehn, und ihr war vorgekommen,
das Tanzen des Pferdes und eine Handbewegung des
Reiters könnte einen Gruß für sie bedeuten.

Der Nebelstaub verwandelte sich unterdessen in
Regen; die Pferde auf der Riedbergerstraße aber tauch¬
ten jetzt bei einer Wendung ganz nahe zwischen den
feuchten Wiesen auf. Es war des Fräuleins Vetter
Rudolf, diesmal mit einem für seine bedrängten Umstände
zahlreichen Geleite berittener Knechte, der sein Gastrecht
im festen Hause seines Ohms geltend machte. Die meisten
seiner Leute zeigten ein verdächtiges und unsauberes Aus¬

ließen ſich errathen und leiſes Schellengeklingel der
Laſtthiere wurde vom Winde herübergeweht.

Das konnte nur der als Ueberbringer der Friedens¬
urkunde nach Chur ziehende Jenatſch ſein! Doch immer
und immer bewegte es ſich von Neuem in den Nebeln
und jetzt ſchien ein Theil des zurückgebliebenen Troſſes,
da wo die Straße nach Riedberg ſich abzweigt, vom
Zuge ſich zu trennen und die Richtung nach dem
Schloſſe einzuſchlagen.

Sollte er es wagen, Lucretia auf ſeinen Triumph¬
zug, der Welt zum Schauſpiel, abzuholen, ſie mitführen
zu wollen als ſeine ſchwierigſte Beute!

Doch nein, — er war voraus. Sie hatte durch
eine Lücke der Nebelwolken ſeinen glänzend geſchirrten
Rappen vorüberblitzen ſehn, und ihr war vorgekommen,
das Tanzen des Pferdes und eine Handbewegung des
Reiters könnte einen Gruß für ſie bedeuten.

Der Nebelſtaub verwandelte ſich unterdeſſen in
Regen; die Pferde auf der Riedbergerſtraße aber tauch¬
ten jetzt bei einer Wendung ganz nahe zwiſchen den
feuchten Wieſen auf. Es war des Fräuleins Vetter
Rudolf, diesmal mit einem für ſeine bedrängten Umſtände
zahlreichen Geleite berittener Knechte, der ſein Gaſtrecht
im feſten Hauſe ſeines Ohms geltend machte. Die meiſten
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[362/0372] ließen ſich errathen und leiſes Schellengeklingel der Laſtthiere wurde vom Winde herübergeweht. Das konnte nur der als Ueberbringer der Friedens¬ urkunde nach Chur ziehende Jenatſch ſein! Doch immer und immer bewegte es ſich von Neuem in den Nebeln und jetzt ſchien ein Theil des zurückgebliebenen Troſſes, da wo die Straße nach Riedberg ſich abzweigt, vom Zuge ſich zu trennen und die Richtung nach dem Schloſſe einzuſchlagen. Sollte er es wagen, Lucretia auf ſeinen Triumph¬ zug, der Welt zum Schauſpiel, abzuholen, ſie mitführen zu wollen als ſeine ſchwierigſte Beute! Doch nein, — er war voraus. Sie hatte durch eine Lücke der Nebelwolken ſeinen glänzend geſchirrten Rappen vorüberblitzen ſehn, und ihr war vorgekommen, das Tanzen des Pferdes und eine Handbewegung des Reiters könnte einen Gruß für ſie bedeuten. Der Nebelſtaub verwandelte ſich unterdeſſen in Regen; die Pferde auf der Riedbergerſtraße aber tauch¬ ten jetzt bei einer Wendung ganz nahe zwiſchen den feuchten Wieſen auf. Es war des Fräuleins Vetter Rudolf, diesmal mit einem für ſeine bedrängten Umſtände zahlreichen Geleite berittener Knechte, der ſein Gaſtrecht im feſten Hauſe ſeines Ohms geltend machte. Die meiſten ſeiner Leute zeigten ein verdächtiges und unſauberes Aus¬

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/372>, abgerufen am 26.04.2024.