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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Mit Mühe bahnten sich, vorüber an Körben voll
schwellender Pfirsiche und duftiger Pflaumen, die beiden
Maulthiere den Weg bis zur gewölbten Pforte des
Gasthauses. In dem düstern Thorwege kniete der Wirth
vor einer Tonne und zapfte ein röthliches, schäumendes
Getränk für die durstig sich zudrängenden Gäste. Ein
Blick in den anstoßenden Schenkraum überzeugte Jenatsch,
daß hier zwischen lärmenden Menschen und bettelnden
Hunden keine kühle Stätte zu finden sei, er wandte sich
darum nach dem Garten, der eine einzige dichte Wein¬
laube bildete und dessen mit rankendem Grün über¬
hängte Mauern und zerfallende Landungstreppen von
den Wellen bespült wurden.

Als sie durch die Thorhalle am Wirthe vorüber¬
schritten, der von einem dichten Kreise von Bauern
umringt war, welche ihm geleerte Krüge entgegenstreckten,
schien er mit einer ängstlichen Geberde gegen das Vor¬
haben des Bündners Einsprache thun zu wollen; doch
in diesem Augenblicke kam ihnen vom Garten her ein
nach fremdem Schnitte gekleideter Edelknabe entgegen
und wendete sich mit anmuthigem Gruße an den jungen
Zürcher, in zierlichem Französisch folgenden Auftrag aus¬
richtend :

"Mein erlauchter Gebieter, Herzog Heinrich Rohan,
der sich hier auf der Durchreise nach Venedig befindet,

Mit Mühe bahnten ſich, vorüber an Körben voll
ſchwellender Pfirſiche und duftiger Pflaumen, die beiden
Maulthiere den Weg bis zur gewölbten Pforte des
Gaſthauſes. In dem düſtern Thorwege kniete der Wirth
vor einer Tonne und zapfte ein röthliches, ſchäumendes
Getränk für die durſtig ſich zudrängenden Gäſte. Ein
Blick in den anſtoßenden Schenkraum überzeugte Jenatſch,
daß hier zwiſchen lärmenden Menſchen und bettelnden
Hunden keine kühle Stätte zu finden ſei, er wandte ſich
darum nach dem Garten, der eine einzige dichte Wein¬
laube bildete und deſſen mit rankendem Grün über¬
hängte Mauern und zerfallende Landungstreppen von
den Wellen beſpült wurden.

Als ſie durch die Thorhalle am Wirthe vorüber¬
ſchritten, der von einem dichten Kreiſe von Bauern
umringt war, welche ihm geleerte Krüge entgegenſtreckten,
ſchien er mit einer ängſtlichen Geberde gegen das Vor¬
haben des Bündners Einſprache thun zu wollen; doch
in dieſem Augenblicke kam ihnen vom Garten her ein
nach fremdem Schnitte gekleideter Edelknabe entgegen
und wendete ſich mit anmuthigem Gruße an den jungen
Zürcher, in zierlichem Franzöſiſch folgenden Auftrag aus¬
richtend :

„Mein erlauchter Gebieter, Herzog Heinrich Rohan,
der ſich hier auf der Durchreiſe nach Venedig befindet,

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[73/0083] Mit Mühe bahnten ſich, vorüber an Körben voll ſchwellender Pfirſiche und duftiger Pflaumen, die beiden Maulthiere den Weg bis zur gewölbten Pforte des Gaſthauſes. In dem düſtern Thorwege kniete der Wirth vor einer Tonne und zapfte ein röthliches, ſchäumendes Getränk für die durſtig ſich zudrängenden Gäſte. Ein Blick in den anſtoßenden Schenkraum überzeugte Jenatſch, daß hier zwiſchen lärmenden Menſchen und bettelnden Hunden keine kühle Stätte zu finden ſei, er wandte ſich darum nach dem Garten, der eine einzige dichte Wein¬ laube bildete und deſſen mit rankendem Grün über¬ hängte Mauern und zerfallende Landungstreppen von den Wellen beſpült wurden. Als ſie durch die Thorhalle am Wirthe vorüber¬ ſchritten, der von einem dichten Kreiſe von Bauern umringt war, welche ihm geleerte Krüge entgegenſtreckten, ſchien er mit einer ängſtlichen Geberde gegen das Vor¬ haben des Bündners Einſprache thun zu wollen; doch in dieſem Augenblicke kam ihnen vom Garten her ein nach fremdem Schnitte gekleideter Edelknabe entgegen und wendete ſich mit anmuthigem Gruße an den jungen Zürcher, in zierlichem Franzöſiſch folgenden Auftrag aus¬ richtend : „Mein erlauchter Gebieter, Herzog Heinrich Rohan, der ſich hier auf der Durchreiſe nach Venedig befindet,

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/83>, abgerufen am 29.04.2024.