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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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lichen Stand quittire. Der Part ist ungleich: uns ist
nur das Schwert des Geistes gestattet, angefallen aber
wird unser Fleisch mit Eisen und Blei." --

"Gedenke Deines Schwurs, Fausch, mein Sohn,
das Evangelium zu predigen usque ad martyrium,"
erscholl aus dem Hintergrunde der Laube von einer tief
beschatteten Bank her die etwas dumpfe Stimme eines
graubärtigen Mannes, der dort in aufrechter Haltung
am Tische saß und sich von der schönen Lucia Sasseller
einschenken ließ. Das junge Weib aber erblickte kaum
ihren Mann, so eilte es ihm entgegen und schmiegte
sich bleich und furchtsam an seine Seite, als suche es
Schutz vor einer entsetzlichen Angst.

"Exclusive, Blasius! exclusive! Bis an den
Martertod hinan, aber nicht hinein!" antwortete Fausch,
sich zu seinem Kollegen wendend, dessen Glas er ergriff
und bis auf den letzten Tropfen leerte.

Indessen machte Jenatsch seinen zürcherischen Freund
mit dem glaubensstarken Pfarrer Blasius bekannt und
stellte ihm dann lachend in Pfarrer Lorenz Fausch einen
Schulkameraden aus dem "Loch" in Zürich vor, dessen
sich Waser gar wohl erinnerte als eines um ein paar
Jahre ältern, ziemlich liederlichen Studiengesellen. "Die¬
ser Mann hat seither in Bündnerdingen eine hervor¬

lichen Stand quittire. Der Part iſt ungleich: uns iſt
nur das Schwert des Geiſtes geſtattet, angefallen aber
wird unſer Fleiſch mit Eiſen und Blei.“ —

„Gedenke Deines Schwurs, Fauſch, mein Sohn,
das Evangelium zu predigen usque ad martyrium,“
erſcholl aus dem Hintergrunde der Laube von einer tief
beſchatteten Bank her die etwas dumpfe Stimme eines
graubärtigen Mannes, der dort in aufrechter Haltung
am Tiſche ſaß und ſich von der ſchönen Lucia Saſſeller
einſchenken ließ. Das junge Weib aber erblickte kaum
ihren Mann, ſo eilte es ihm entgegen und ſchmiegte
ſich bleich und furchtſam an ſeine Seite, als ſuche es
Schutz vor einer entſetzlichen Angſt.

Exclusive, Blaſius! exclusive! Bis an den
Martertod hinan, aber nicht hinein!“ antwortete Fauſch,
ſich zu ſeinem Kollegen wendend, deſſen Glas er ergriff
und bis auf den letzten Tropfen leerte.

Indeſſen machte Jenatſch ſeinen zürcheriſchen Freund
mit dem glaubensſtarken Pfarrer Blaſius bekannt und
ſtellte ihm dann lachend in Pfarrer Lorenz Fauſch einen
Schulkameraden aus dem „Loch“ in Zürich vor, deſſen
ſich Waſer gar wohl erinnerte als eines um ein paar
Jahre ältern, ziemlich liederlichen Studiengeſellen. „Die¬
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[85/0095] lichen Stand quittire. Der Part iſt ungleich: uns iſt nur das Schwert des Geiſtes geſtattet, angefallen aber wird unſer Fleiſch mit Eiſen und Blei.“ — „Gedenke Deines Schwurs, Fauſch, mein Sohn, das Evangelium zu predigen usque ad martyrium,“ erſcholl aus dem Hintergrunde der Laube von einer tief beſchatteten Bank her die etwas dumpfe Stimme eines graubärtigen Mannes, der dort in aufrechter Haltung am Tiſche ſaß und ſich von der ſchönen Lucia Saſſeller einſchenken ließ. Das junge Weib aber erblickte kaum ihren Mann, ſo eilte es ihm entgegen und ſchmiegte ſich bleich und furchtſam an ſeine Seite, als ſuche es Schutz vor einer entſetzlichen Angſt. „Exclusive, Blaſius! exclusive! Bis an den Martertod hinan, aber nicht hinein!“ antwortete Fauſch, ſich zu ſeinem Kollegen wendend, deſſen Glas er ergriff und bis auf den letzten Tropfen leerte. Indeſſen machte Jenatſch ſeinen zürcheriſchen Freund mit dem glaubensſtarken Pfarrer Blaſius bekannt und ſtellte ihm dann lachend in Pfarrer Lorenz Fauſch einen Schulkameraden aus dem „Loch“ in Zürich vor, deſſen ſich Waſer gar wohl erinnerte als eines um ein paar Jahre ältern, ziemlich liederlichen Studiengeſellen. „Die¬ ſer Mann hat ſeither in Bündnerdingen eine hervor¬

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/95>, abgerufen am 29.04.2024.