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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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nach Berbenn hinüber und wie wenig Waser auch
diese wilden Ereignisse zusagten, er machte gute Miene
und rechnete es sich zur Ehre, das ihm ertheilte Lob
der Tapferkeit zu verdienen.

Eben ertönte die friedliche Abendglocke, als sie vor
der Pfarre von Berbenn abstiegen. Unter dem niedri¬
gen Eingangsbogen des Laubdaches stand ein breitschul¬
triger ernster Mann von kleiner Statur aber mit aus¬
drucksvollem Kopfe, nachdenklich und aufmerksam seinen
Hut betrachtend, welchen er nach allen Seiten drehte
und gegen das Licht hielt. Es war ein hoher spitzer
Filz von schwarzer Farbe.

"Was stellst Du da für tiefsinnige Untersuchungen
an, Kollege Fausch?" begrüßte ihn Jenatsch. "Was
ist's mit Deinem Filz? Oben aufgerissen, wie ich sehe.
Willst Du ihn hinfür zur Verstärkung Deines Basses
als Sprachrohr gebrauchen?"

Sorgenvoll erwiederte der Kleine: "Betrachte das
Loch näher, Jürg! Seine Ränder sind verbrannt. Es
ist eine Kugel durchgefahren, die mir einer Deiner Ber¬
benner zuschickte, als ich durch die Weinberge hinunter¬
stieg. Natürlich galt sie Dir; denn man sah über der
Mauer nur meinen Kopf und der gleicht dem Deinigen,
wie Du weißt, zum Verwechseln. Der Teufel soll mich
holen," fuhr er heftiger fort, "wenn ich nicht den geist¬

nach Berbenn hinüber und wie wenig Waſer auch
dieſe wilden Ereigniſſe zuſagten, er machte gute Miene
und rechnete es ſich zur Ehre, das ihm ertheilte Lob
der Tapferkeit zu verdienen.

Eben ertönte die friedliche Abendglocke, als ſie vor
der Pfarre von Berbenn abſtiegen. Unter dem niedri¬
gen Eingangsbogen des Laubdaches ſtand ein breitſchul¬
triger ernſter Mann von kleiner Statur aber mit aus¬
drucksvollem Kopfe, nachdenklich und aufmerkſam ſeinen
Hut betrachtend, welchen er nach allen Seiten drehte
und gegen das Licht hielt. Es war ein hoher ſpitzer
Filz von ſchwarzer Farbe.

„Was ſtellſt Du da für tiefſinnige Unterſuchungen
an, Kollege Fauſch?“ begrüßte ihn Jenatſch. „Was
iſt's mit Deinem Filz? Oben aufgeriſſen, wie ich ſehe.
Willſt Du ihn hinfür zur Verſtärkung Deines Baſſes
als Sprachrohr gebrauchen?“

Sorgenvoll erwiederte der Kleine: „Betrachte das
Loch näher, Jürg! Seine Ränder ſind verbrannt. Es
iſt eine Kugel durchgefahren, die mir einer Deiner Ber¬
benner zuſchickte, als ich durch die Weinberge hinunter¬
ſtieg. Natürlich galt ſie Dir; denn man ſah über der
Mauer nur meinen Kopf und der gleicht dem Deinigen,
wie Du weißt, zum Verwechſeln. Der Teufel ſoll mich
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[84/0094] nach Berbenn hinüber und wie wenig Waſer auch dieſe wilden Ereigniſſe zuſagten, er machte gute Miene und rechnete es ſich zur Ehre, das ihm ertheilte Lob der Tapferkeit zu verdienen. Eben ertönte die friedliche Abendglocke, als ſie vor der Pfarre von Berbenn abſtiegen. Unter dem niedri¬ gen Eingangsbogen des Laubdaches ſtand ein breitſchul¬ triger ernſter Mann von kleiner Statur aber mit aus¬ drucksvollem Kopfe, nachdenklich und aufmerkſam ſeinen Hut betrachtend, welchen er nach allen Seiten drehte und gegen das Licht hielt. Es war ein hoher ſpitzer Filz von ſchwarzer Farbe. „Was ſtellſt Du da für tiefſinnige Unterſuchungen an, Kollege Fauſch?“ begrüßte ihn Jenatſch. „Was iſt's mit Deinem Filz? Oben aufgeriſſen, wie ich ſehe. Willſt Du ihn hinfür zur Verſtärkung Deines Baſſes als Sprachrohr gebrauchen?“ Sorgenvoll erwiederte der Kleine: „Betrachte das Loch näher, Jürg! Seine Ränder ſind verbrannt. Es iſt eine Kugel durchgefahren, die mir einer Deiner Ber¬ benner zuſchickte, als ich durch die Weinberge hinunter¬ ſtieg. Natürlich galt ſie Dir; denn man ſah über der Mauer nur meinen Kopf und der gleicht dem Deinigen, wie Du weißt, zum Verwechſeln. Der Teufel ſoll mich holen,“ fuhr er heftiger fort, „wenn ich nicht den geiſt¬

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/94>, abgerufen am 29.04.2024.