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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Heinrich hat Recht," wandte er sich an den erstaunten
Waser, "Schwert und Bibel taugen nicht zusammen.
Bünden bedarf des Schwertes und ich lege die geist¬
liche Waffe zur Seite, um getrost die weltliche zu er¬
greifen." Mit diesen Worten riß er sein Predigerge¬
wand ab, langte seinen Raufdegen von der Wand her¬
unter und gürtete sich ihn um den knappen Lederkoller.

"Potz Velten, ihr gebt ein lustiges Beispiel," rief
der Kapuziner mit schallendem Gelächter. "Fast ge¬
lüstet mich, es euch nachzuthun! Aber meine braune
Kutte ist leider zu zäh und hat ein fester Gewebe als
eure Röcklein, ehrwürdige Herren!"

Blasius Alexander, der diesem Vorgange ohne Ver¬
wunderung, aber mißbilligend zuschaute, faltete jetzt die
Hände und sprach feierlich: "Ich aber gedenke zu ver¬
harren im Amte bis ans Ende usque ad martyrium,
bis in den Martertod, zu welcher Ehre Gott mir helfe!"

"Kein schönrer Tod ist in der Welt,
Als wer vorm Feind hinscheidt". . . .

sang Jenatsch mit flammenden Augen.

"Ich werde ein Zuckerbäcker," erklärte Fausch wich¬
tig, "ein Bischen Weinhandel daneben ist selbstverständ¬
lich." Damit setzte er sich an den Tisch, schnallte eine
kleine Geldkatze ab, die er um den Leib trug, und begann
die Goldstücke, eifrig rechnend, in Häuflein zu ordnen.

Heinrich hat Recht,“ wandte er ſich an den erſtaunten
Waſer, „Schwert und Bibel taugen nicht zuſammen.
Bünden bedarf des Schwertes und ich lege die geiſt¬
liche Waffe zur Seite, um getroſt die weltliche zu er¬
greifen.“ Mit dieſen Worten riß er ſein Predigerge¬
wand ab, langte ſeinen Raufdegen von der Wand her¬
unter und gürtete ſich ihn um den knappen Lederkoller.

„Potz Velten, ihr gebt ein luſtiges Beiſpiel,“ rief
der Kapuziner mit ſchallendem Gelächter. „Faſt ge¬
lüſtet mich, es euch nachzuthun! Aber meine braune
Kutte iſt leider zu zäh und hat ein feſter Gewebe als
eure Röcklein, ehrwürdige Herren!“

Blaſius Alexander, der dieſem Vorgange ohne Ver¬
wunderung, aber mißbilligend zuſchaute, faltete jetzt die
Hände und ſprach feierlich: „Ich aber gedenke zu ver¬
harren im Amte bis ans Ende usque ad martyrium,
bis in den Martertod, zu welcher Ehre Gott mir helfe!“

„Kein ſchönrer Tod iſt in der Welt,
Als wer vorm Feind hinſcheidt“. . . .

ſang Jenatſch mit flammenden Augen.

„Ich werde ein Zuckerbäcker,“ erklärte Fauſch wich¬
tig, „ein Bischen Weinhandel daneben iſt ſelbſtverſtänd¬
lich.“ Damit ſetzte er ſich an den Tiſch, ſchnallte eine
kleine Geldkatze ab, die er um den Leib trug, und begann
die Goldſtücke, eifrig rechnend, in Häuflein zu ordnen.

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[87/0097] Heinrich hat Recht,“ wandte er ſich an den erſtaunten Waſer, „Schwert und Bibel taugen nicht zuſammen. Bünden bedarf des Schwertes und ich lege die geiſt¬ liche Waffe zur Seite, um getroſt die weltliche zu er¬ greifen.“ Mit dieſen Worten riß er ſein Predigerge¬ wand ab, langte ſeinen Raufdegen von der Wand her¬ unter und gürtete ſich ihn um den knappen Lederkoller. „Potz Velten, ihr gebt ein luſtiges Beiſpiel,“ rief der Kapuziner mit ſchallendem Gelächter. „Faſt ge¬ lüſtet mich, es euch nachzuthun! Aber meine braune Kutte iſt leider zu zäh und hat ein feſter Gewebe als eure Röcklein, ehrwürdige Herren!“ Blaſius Alexander, der dieſem Vorgange ohne Ver¬ wunderung, aber mißbilligend zuſchaute, faltete jetzt die Hände und ſprach feierlich: „Ich aber gedenke zu ver¬ harren im Amte bis ans Ende usque ad martyrium, bis in den Martertod, zu welcher Ehre Gott mir helfe!“ „Kein ſchönrer Tod iſt in der Welt, Als wer vorm Feind hinſcheidt“. . . . ſang Jenatſch mit flammenden Augen. „Ich werde ein Zuckerbäcker,“ erklärte Fauſch wich¬ tig, „ein Bischen Weinhandel daneben iſt ſelbſtverſtänd¬ lich.“ Damit ſetzte er ſich an den Tiſch, ſchnallte eine kleine Geldkatze ab, die er um den Leib trug, und begann die Goldſtücke, eifrig rechnend, in Häuflein zu ordnen.

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/97>, abgerufen am 29.04.2024.