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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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Silberling. Was ist das für ein Mann,
wenns erlaubt ist, Sie zu unterbrechen?

Veit. 'S ist der geheime Rath von Kron-
helm,
mein leiblicher Bruder.

Silberling. O, dem hab ich die Ehre, sehr
speciell bekannt zu seyn.

Veit. Nun ja! 'S kann wohl seyn! Er ist
sonst ein guter Kerl; aber, wenn er mit den
Büchern kommt, da mag ich ihn nicht anhören.
Jch sag immer: Ein Edelmann muß nicht stu-
dieren, sonst wird er 'ne alte Hure. -- Aber,
was ists? 'S läßt sich nun nicht ändern. Mein
Fritz soll ihn einmal erben, und da muß ich sei-
ne Grillen schon so gelten lassen. -- Sibylla,
du bist ja so still! G'fällt dir denn der Herr?
Sieh, so gehen sie in München.

Silberling. O verzeihen Sie, gnädges
Fräulein! Das ist nur so mein Reithabit. Jch
muß mich sehr entschuldigen, daß ich so im Negli-
gee vor Jhnen erscheine!

Sibylla. O, es steht Jhnen recht gut. --
Jch möcht wol auch einmal München sehen; es
muß da recht lustig seyn. Aufs Frühjahr besuch
ich meine Schwester. Kennen Sie sie auch?

S


Silberling. Was iſt das fuͤr ein Mann,
wenns erlaubt iſt, Sie zu unterbrechen?

Veit. ’S iſt der geheime Rath von Kron-
helm,
mein leiblicher Bruder.

Silberling. O, dem hab ich die Ehre, ſehr
ſpeciell bekannt zu ſeyn.

Veit. Nun ja! ’S kann wohl ſeyn! Er iſt
ſonſt ein guter Kerl; aber, wenn er mit den
Buͤchern kommt, da mag ich ihn nicht anhoͤren.
Jch ſag immer: Ein Edelmann muß nicht ſtu-
dieren, ſonſt wird er ’ne alte Hure. — Aber,
was iſts? ’S laͤßt ſich nun nicht aͤndern. Mein
Fritz ſoll ihn einmal erben, und da muß ich ſei-
ne Grillen ſchon ſo gelten laſſen. — Sibylla,
du biſt ja ſo ſtill! G’faͤllt dir denn der Herr?
Sieh, ſo gehen ſie in Muͤnchen.

Silberling. O verzeihen Sie, gnaͤdges
Fraͤulein! Das iſt nur ſo mein Reithabit. Jch
muß mich ſehr entſchuldigen, daß ich ſo im Negli-
gee vor Jhnen erſcheine!

Sibylla. O, es ſteht Jhnen recht gut. —
Jch moͤcht wol auch einmal Muͤnchen ſehen; es
muß da recht luſtig ſeyn. Aufs Fruͤhjahr beſuch
ich meine Schweſter. Kennen Sie ſie auch?

S
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[273/0277] Silberling. Was iſt das fuͤr ein Mann, wenns erlaubt iſt, Sie zu unterbrechen? Veit. ’S iſt der geheime Rath von Kron- helm, mein leiblicher Bruder. Silberling. O, dem hab ich die Ehre, ſehr ſpeciell bekannt zu ſeyn. Veit. Nun ja! ’S kann wohl ſeyn! Er iſt ſonſt ein guter Kerl; aber, wenn er mit den Buͤchern kommt, da mag ich ihn nicht anhoͤren. Jch ſag immer: Ein Edelmann muß nicht ſtu- dieren, ſonſt wird er ’ne alte Hure. — Aber, was iſts? ’S laͤßt ſich nun nicht aͤndern. Mein Fritz ſoll ihn einmal erben, und da muß ich ſei- ne Grillen ſchon ſo gelten laſſen. — Sibylla, du biſt ja ſo ſtill! G’faͤllt dir denn der Herr? Sieh, ſo gehen ſie in Muͤnchen. Silberling. O verzeihen Sie, gnaͤdges Fraͤulein! Das iſt nur ſo mein Reithabit. Jch muß mich ſehr entſchuldigen, daß ich ſo im Negli- gee vor Jhnen erſcheine! Sibylla. O, es ſteht Jhnen recht gut. — Jch moͤcht wol auch einmal Muͤnchen ſehen; es muß da recht luſtig ſeyn. Aufs Fruͤhjahr beſuch ich meine Schweſter. Kennen Sie ſie auch? S

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/277>, abgerufen am 15.05.2024.