Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



abgeschnitten; Man vergißt den guten Ton ganz,
und erfährt die neuen Moden immer vierzehn
Tage später. Zwar ich erfahr sie immer gleich,
weil ich alle Wochen mit meiner Mama korre-
spondire. Z. E. Sehn Sie, Mademoiselle, die-
ser Zitz ist jetzt die neueste Facon in Augspurg;
Schüle hat diese Art zu drucken erst erfunden.
Sehn Sie nur, wie er glänzt! Und wie die Far-
ben hell sind! Theuer ist er, das ist wahr, und
kostet mich ein schön Stück Geld! Aber ich will
lieber was rechtes und was gründliches haben;
dadurch kann man sich noch allein vom gemeinen
Bolk unterscheiden. Der Pöbel treibts jetzt ohne-
dieß so weit, daß man nichts mehr kostbar genug
machen kann. Alles äfft er nach! -- Der Amt-
mann kam wieder in einem grünen Kleid in
schwarzwollenen Strümpfen, und einer gelblichten
runden Perücke. -- Ums Himmels willen, Mann,
was treibst du nun wieder? Das nenn ich mir einen
Streich! Das braune Kleid ziehst du aus, und das
grüne, das um keinen Heller besser ist, ziehst du an.
Hast du denn nicht dein blaues Ehrenkleid, mit den
goldnen Trotteln, und der rothen Weste und Beinklei-
dern, das du an unsrer Hochzeit trugest? Und nicht
einmal seidne Strümpfe? Ja, ihr seyd Leute! Da



abgeſchnitten; Man vergißt den guten Ton ganz,
und erfaͤhrt die neuen Moden immer vierzehn
Tage ſpaͤter. Zwar ich erfahr ſie immer gleich,
weil ich alle Wochen mit meiner Mama korre-
ſpondire. Z. E. Sehn Sie, Mademoiſelle, die-
ſer Zitz iſt jetzt die neueſte Facon in Augſpurg;
Schuͤle hat dieſe Art zu drucken erſt erfunden.
Sehn Sie nur, wie er glaͤnzt! Und wie die Far-
ben hell ſind! Theuer iſt er, das iſt wahr, und
koſtet mich ein ſchoͤn Stuͤck Geld! Aber ich will
lieber was rechtes und was gruͤndliches haben;
dadurch kann man ſich noch allein vom gemeinen
Bolk unterſcheiden. Der Poͤbel treibts jetzt ohne-
dieß ſo weit, daß man nichts mehr koſtbar genug
machen kann. Alles aͤfft er nach! — Der Amt-
mann kam wieder in einem gruͤnen Kleid in
ſchwarzwollenen Struͤmpfen, und einer gelblichten
runden Peruͤcke. — Ums Himmels willen, Mann,
was treibſt du nun wieder? Das nenn ich mir einen
Streich! Das braune Kleid ziehſt du aus, und das
gruͤne, das um keinen Heller beſſer iſt, ziehſt du an.
Haſt du denn nicht dein blaues Ehrenkleid, mit den
goldnen Trotteln, und der rothen Weſte und Beinklei-
dern, das du an unſrer Hochzeit trugeſt? Und nicht
einmal ſeidne Struͤmpfe? Ja, ihr ſeyd Leute! Da

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0382" n="378"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
abge&#x017F;chnitten; Man vergißt den guten Ton ganz,<lb/>
und erfa&#x0364;hrt die neuen Moden immer vierzehn<lb/>
Tage &#x017F;pa&#x0364;ter. Zwar ich erfahr &#x017F;ie immer gleich,<lb/>
weil ich alle Wochen mit meiner Mama korre-<lb/>
&#x017F;pondire. Z. E. Sehn Sie, Mademoi&#x017F;elle, die-<lb/>
&#x017F;er Zitz i&#x017F;t jetzt die neue&#x017F;te Facon in Aug&#x017F;purg;<lb/><hi rendition="#fr">Schu&#x0364;le</hi> hat die&#x017F;e Art zu drucken er&#x017F;t erfunden.<lb/>
Sehn Sie nur, wie er gla&#x0364;nzt! Und wie die Far-<lb/>
ben hell &#x017F;ind! Theuer i&#x017F;t er, das i&#x017F;t wahr, und<lb/>
ko&#x017F;tet mich ein &#x017F;cho&#x0364;n Stu&#x0364;ck Geld! Aber ich will<lb/>
lieber was rechtes und was gru&#x0364;ndliches haben;<lb/>
dadurch kann man &#x017F;ich noch allein vom gemeinen<lb/>
Bolk unter&#x017F;cheiden. Der Po&#x0364;bel treibts jetzt ohne-<lb/>
dieß &#x017F;o weit, daß man nichts mehr ko&#x017F;tbar genug<lb/>
machen kann. Alles a&#x0364;fft er nach! &#x2014; Der Amt-<lb/>
mann kam wieder in einem gru&#x0364;nen Kleid in<lb/>
&#x017F;chwarzwollenen Stru&#x0364;mpfen, und einer gelblichten<lb/>
runden Peru&#x0364;cke. &#x2014; Ums Himmels willen, Mann,<lb/>
was treib&#x017F;t du nun wieder? Das nenn ich mir einen<lb/>
Streich! Das braune Kleid zieh&#x017F;t du aus, und das<lb/>
gru&#x0364;ne, das um keinen Heller be&#x017F;&#x017F;er i&#x017F;t, zieh&#x017F;t du an.<lb/>
Ha&#x017F;t du denn nicht dein blaues Ehrenkleid, mit den<lb/>
goldnen Trotteln, und der rothen We&#x017F;te und Beinklei-<lb/>
dern, das du an un&#x017F;rer Hochzeit truge&#x017F;t? Und nicht<lb/>
einmal &#x017F;eidne Stru&#x0364;mpfe? Ja, ihr &#x017F;eyd Leute! Da<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[378/0382] abgeſchnitten; Man vergißt den guten Ton ganz, und erfaͤhrt die neuen Moden immer vierzehn Tage ſpaͤter. Zwar ich erfahr ſie immer gleich, weil ich alle Wochen mit meiner Mama korre- ſpondire. Z. E. Sehn Sie, Mademoiſelle, die- ſer Zitz iſt jetzt die neueſte Facon in Augſpurg; Schuͤle hat dieſe Art zu drucken erſt erfunden. Sehn Sie nur, wie er glaͤnzt! Und wie die Far- ben hell ſind! Theuer iſt er, das iſt wahr, und koſtet mich ein ſchoͤn Stuͤck Geld! Aber ich will lieber was rechtes und was gruͤndliches haben; dadurch kann man ſich noch allein vom gemeinen Bolk unterſcheiden. Der Poͤbel treibts jetzt ohne- dieß ſo weit, daß man nichts mehr koſtbar genug machen kann. Alles aͤfft er nach! — Der Amt- mann kam wieder in einem gruͤnen Kleid in ſchwarzwollenen Struͤmpfen, und einer gelblichten runden Peruͤcke. — Ums Himmels willen, Mann, was treibſt du nun wieder? Das nenn ich mir einen Streich! Das braune Kleid ziehſt du aus, und das gruͤne, das um keinen Heller beſſer iſt, ziehſt du an. Haſt du denn nicht dein blaues Ehrenkleid, mit den goldnen Trotteln, und der rothen Weſte und Beinklei- dern, das du an unſrer Hochzeit trugeſt? Und nicht einmal ſeidne Struͤmpfe? Ja, ihr ſeyd Leute! Da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/382
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/382>, abgerufen am 14.05.2024.