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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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helm beschloß, ihrem Vater alles zu entdecken,
und ihn anzuflehen, sie nur nicht zu trennen, und
ihnen zu erlauben, Briefe mit einander zu wech-
seln. Mein Vater, sagte er, darf jetzt freylich
nichts davon erfahren. Aber er kanns auch nicht,
wenn nur wir selber alles recht geheim halten!
Das übrige wollen wir der Zeit und der Vorse-
hung überlassen! Sie kanns bey unsern redli-
chen und reinen Absichten nicht bös mit uns mey-
nen. Therese ward nun wieder ruhiger und
vertraulicher. Als der alte Siegwart kam, trug
ihm Kronhelm alles mit der grösten Rührung
vor. Der Amtmann, der ein weichherziger
Mann war, konnte dem vereinigten Bitten der
jungen Leute nicht lang widerstehen. Die Thrä-
nen seiner Kinder, die er so herzlich liebte, und
die dringenden Bitten Kronhelms, dem er auch
so ganz zugethan war, überwältigten seine Vor-
sichtigkeit, und verschlossen ihm die Aussicht in
die Zukunft. Er gab nach, und erlaubte ihnen
einen Briefwechsel; nur bat er sich aus, daß er
alle Briefe lesen dürfte. Die Liebenden willigten
mit Freuden ein. Jch habe das meinige gethan,
sagte er; ich bin nicht ohne ängstliche Besorgnis
wegen eures Schicksals. Aber das meiste muß



helm beſchloß, ihrem Vater alles zu entdecken,
und ihn anzuflehen, ſie nur nicht zu trennen, und
ihnen zu erlauben, Briefe mit einander zu wech-
ſeln. Mein Vater, ſagte er, darf jetzt freylich
nichts davon erfahren. Aber er kanns auch nicht,
wenn nur wir ſelber alles recht geheim halten!
Das uͤbrige wollen wir der Zeit und der Vorſe-
hung uͤberlaſſen! Sie kanns bey unſern redli-
chen und reinen Abſichten nicht boͤs mit uns mey-
nen. Thereſe ward nun wieder ruhiger und
vertraulicher. Als der alte Siegwart kam, trug
ihm Kronhelm alles mit der groͤſten Ruͤhrung
vor. Der Amtmann, der ein weichherziger
Mann war, konnte dem vereinigten Bitten der
jungen Leute nicht lang widerſtehen. Die Thraͤ-
nen ſeiner Kinder, die er ſo herzlich liebte, und
die dringenden Bitten Kronhelms, dem er auch
ſo ganz zugethan war, uͤberwaͤltigten ſeine Vor-
ſichtigkeit, und verſchloſſen ihm die Ausſicht in
die Zukunft. Er gab nach, und erlaubte ihnen
einen Briefwechſel; nur bat er ſich aus, daß er
alle Briefe leſen duͤrfte. Die Liebenden willigten
mit Freuden ein. Jch habe das meinige gethan,
ſagte er; ich bin nicht ohne aͤngſtliche Beſorgnis
wegen eures Schickſals. Aber das meiſte muß

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[405/0409] helm beſchloß, ihrem Vater alles zu entdecken, und ihn anzuflehen, ſie nur nicht zu trennen, und ihnen zu erlauben, Briefe mit einander zu wech- ſeln. Mein Vater, ſagte er, darf jetzt freylich nichts davon erfahren. Aber er kanns auch nicht, wenn nur wir ſelber alles recht geheim halten! Das uͤbrige wollen wir der Zeit und der Vorſe- hung uͤberlaſſen! Sie kanns bey unſern redli- chen und reinen Abſichten nicht boͤs mit uns mey- nen. Thereſe ward nun wieder ruhiger und vertraulicher. Als der alte Siegwart kam, trug ihm Kronhelm alles mit der groͤſten Ruͤhrung vor. Der Amtmann, der ein weichherziger Mann war, konnte dem vereinigten Bitten der jungen Leute nicht lang widerſtehen. Die Thraͤ- nen ſeiner Kinder, die er ſo herzlich liebte, und die dringenden Bitten Kronhelms, dem er auch ſo ganz zugethan war, uͤberwaͤltigten ſeine Vor- ſichtigkeit, und verſchloſſen ihm die Ausſicht in die Zukunft. Er gab nach, und erlaubte ihnen einen Briefwechſel; nur bat er ſich aus, daß er alle Briefe leſen duͤrfte. Die Liebenden willigten mit Freuden ein. Jch habe das meinige gethan, ſagte er; ich bin nicht ohne aͤngſtliche Beſorgnis wegen eures Schickſals. Aber das meiſte muß

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/409>, abgerufen am 28.04.2024.