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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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Herz litt unendlich viel. Jndem kam der alte
Siegwart herein. Eben schickt man da zu mir,
sagte er, um meine Kutsche. Eine Bauersfrau
von hier ist auf einem andern Dorf schnell krank
geworden, und da will ihr Mann sie Morgen
abholen. Jch konnt ihm die Kutsche nicht ab-
schlagen, es sind gar zu brave Leute. Morgen
müssen Sie also noch hier bleiben, Herr von
Kronhelm, oder reiten. Nein, Nein! Jch blei-
be gern, rief Kronhelm und sprang auf. Bra-
vo! Bravo! das ist herrlich, daß wir länger blei-
ben! Therese stand auch voller Freuden auf.
Es war, als ob auf einmal eine grosse Last von
ihrem Herzen wäre weggewälzt worden. Xaver
kam aus dem Garten herauf, und freute sich, als
ers hörte, mit ihnen. Nun waren die Liebenden
wie verwandelt, und ausgelassen lustig. Therese
muste das munterste Stückchen, das sie hatte, auf
dem Klavier spielen. Sie assen im Garten, und
scherzten mit einander über den glücklichen Zufall
mit der Bäurin. Die arme Frau daurt mich,
sagte Kronhelm; aber wenn sie krank werden
muste, so wars doch der klügste Einfall, daß sie's
jetzt, und auf einem andern Dorf wurde! Mor-

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Herz litt unendlich viel. Jndem kam der alte
Siegwart herein. Eben ſchickt man da zu mir,
ſagte er, um meine Kutſche. Eine Bauersfrau
von hier iſt auf einem andern Dorf ſchnell krank
geworden, und da will ihr Mann ſie Morgen
abholen. Jch konnt ihm die Kutſche nicht ab-
ſchlagen, es ſind gar zu brave Leute. Morgen
muͤſſen Sie alſo noch hier bleiben, Herr von
Kronhelm, oder reiten. Nein, Nein! Jch blei-
be gern, rief Kronhelm und ſprang auf. Bra-
vo! Bravo! das iſt herrlich, daß wir laͤnger blei-
ben! Thereſe ſtand auch voller Freuden auf.
Es war, als ob auf einmal eine groſſe Laſt von
ihrem Herzen waͤre weggewaͤlzt worden. Xaver
kam aus dem Garten herauf, und freute ſich, als
ers hoͤrte, mit ihnen. Nun waren die Liebenden
wie verwandelt, und ausgelaſſen luſtig. Thereſe
muſte das munterſte Stuͤckchen, das ſie hatte, auf
dem Klavier ſpielen. Sie aſſen im Garten, und
ſcherzten mit einander uͤber den gluͤcklichen Zufall
mit der Baͤurin. Die arme Frau daurt mich,
ſagte Kronhelm; aber wenn ſie krank werden
muſte, ſo wars doch der kluͤgſte Einfall, daß ſie’s
jetzt, und auf einem andern Dorf wurde! Mor-

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[417/0421] Herz litt unendlich viel. Jndem kam der alte Siegwart herein. Eben ſchickt man da zu mir, ſagte er, um meine Kutſche. Eine Bauersfrau von hier iſt auf einem andern Dorf ſchnell krank geworden, und da will ihr Mann ſie Morgen abholen. Jch konnt ihm die Kutſche nicht ab- ſchlagen, es ſind gar zu brave Leute. Morgen muͤſſen Sie alſo noch hier bleiben, Herr von Kronhelm, oder reiten. Nein, Nein! Jch blei- be gern, rief Kronhelm und ſprang auf. Bra- vo! Bravo! das iſt herrlich, daß wir laͤnger blei- ben! Thereſe ſtand auch voller Freuden auf. Es war, als ob auf einmal eine groſſe Laſt von ihrem Herzen waͤre weggewaͤlzt worden. Xaver kam aus dem Garten herauf, und freute ſich, als ers hoͤrte, mit ihnen. Nun waren die Liebenden wie verwandelt, und ausgelaſſen luſtig. Thereſe muſte das munterſte Stuͤckchen, das ſie hatte, auf dem Klavier ſpielen. Sie aſſen im Garten, und ſcherzten mit einander uͤber den gluͤcklichen Zufall mit der Baͤurin. Die arme Frau daurt mich, ſagte Kronhelm; aber wenn ſie krank werden muſte, ſo wars doch der kluͤgſte Einfall, daß ſie’s jetzt, und auf einem andern Dorf wurde! Mor- D d

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/421>, abgerufen am 29.04.2024.