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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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gen wünsch ich ihr von ganzem Herzen ihre Ge-
sundheit wieder, und ein langes Leben. So
gehts in der Welt! Einer macht sich immer auf
des andern Kosten lustig! Es leb die Bäurinn,
und ihr kluger Einfall! Und nun stiessen Er,
Therese und ihr Bruder die Gläser an; auch der
alte Siegwart trank mit, und nahm an der
Freude seiner Kinder Antheil. Der ganze Abend
war ein rechter Festtag für sie, und sie blieben
lang zusammen aufsitzen. Sie hätten noch diesen
Abend bey Karl und seiner Frau Abschied genommen;
aber weil die Raise aufgeschoben wurde, so gien-
gen Kronhelm und Siegwart erst den andern
Morgen hin. Kronhelm muste von Karls
Frau manche spöttische Anmerkungen über The-
resen
anhören, daß der Abschied so traurig seyn
und daß sie vermutlich werde melancholisch wer-
den, wenn sie wieder allein leben, und einer so
angenehmen Gesellschaft entbehren müsse, u. s. w.
Er hatte oft Mühe, eine bittre Antwort zurück
zu halten; aber die Klugheit siegte doch bey ihm.
Sobald er zurückkam, erzählte er es Theresen,
und bat sie, in Absicht auf ihre Schwägerinn
recht behutsam zu seyn. Den Nachmittag gien-
gen sie noch einmal auf einem andern Wege



gen wuͤnſch ich ihr von ganzem Herzen ihre Ge-
ſundheit wieder, und ein langes Leben. So
gehts in der Welt! Einer macht ſich immer auf
des andern Koſten luſtig! Es leb die Baͤurinn,
und ihr kluger Einfall! Und nun ſtieſſen Er,
Thereſe und ihr Bruder die Glaͤſer an; auch der
alte Siegwart trank mit, und nahm an der
Freude ſeiner Kinder Antheil. Der ganze Abend
war ein rechter Feſttag fuͤr ſie, und ſie blieben
lang zuſammen aufſitzen. Sie haͤtten noch dieſen
Abend bey Karl und ſeiner Frau Abſchied genommen;
aber weil die Raiſe aufgeſchoben wurde, ſo gien-
gen Kronhelm und Siegwart erſt den andern
Morgen hin. Kronhelm muſte von Karls
Frau manche ſpoͤttiſche Anmerkungen uͤber The-
reſen
anhoͤren, daß der Abſchied ſo traurig ſeyn
und daß ſie vermutlich werde melancholiſch wer-
den, wenn ſie wieder allein leben, und einer ſo
angenehmen Geſellſchaft entbehren muͤſſe, u. ſ. w.
Er hatte oft Muͤhe, eine bittre Antwort zuruͤck
zu halten; aber die Klugheit ſiegte doch bey ihm.
Sobald er zuruͤckkam, erzaͤhlte er es Thereſen,
und bat ſie, in Abſicht auf ihre Schwaͤgerinn
recht behutſam zu ſeyn. Den Nachmittag gien-
gen ſie noch einmal auf einem andern Wege

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[418/0422] gen wuͤnſch ich ihr von ganzem Herzen ihre Ge- ſundheit wieder, und ein langes Leben. So gehts in der Welt! Einer macht ſich immer auf des andern Koſten luſtig! Es leb die Baͤurinn, und ihr kluger Einfall! Und nun ſtieſſen Er, Thereſe und ihr Bruder die Glaͤſer an; auch der alte Siegwart trank mit, und nahm an der Freude ſeiner Kinder Antheil. Der ganze Abend war ein rechter Feſttag fuͤr ſie, und ſie blieben lang zuſammen aufſitzen. Sie haͤtten noch dieſen Abend bey Karl und ſeiner Frau Abſchied genommen; aber weil die Raiſe aufgeſchoben wurde, ſo gien- gen Kronhelm und Siegwart erſt den andern Morgen hin. Kronhelm muſte von Karls Frau manche ſpoͤttiſche Anmerkungen uͤber The- reſen anhoͤren, daß der Abſchied ſo traurig ſeyn und daß ſie vermutlich werde melancholiſch wer- den, wenn ſie wieder allein leben, und einer ſo angenehmen Geſellſchaft entbehren muͤſſe, u. ſ. w. Er hatte oft Muͤhe, eine bittre Antwort zuruͤck zu halten; aber die Klugheit ſiegte doch bey ihm. Sobald er zuruͤckkam, erzaͤhlte er es Thereſen, und bat ſie, in Abſicht auf ihre Schwaͤgerinn recht behutſam zu ſeyn. Den Nachmittag gien- gen ſie noch einmal auf einem andern Wege

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/422>, abgerufen am 29.04.2024.