Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

Bild:
<< vorherige Seite

Das verlohrne Paradies.

Uebrig lassen. Finsterniß deckt die zagenden Länder,
200Finsterniß, welche man greifen kann; sie tilget drey Tage

Völlig aus; dann fällt im mitternächtlichen Schlage
Jn Aegypten die Erstgeburth von allem Lebendgen
Todt darnieder. Nachdem der große Drache des Flusses [Spaltenumbruch] h)
Mit zehn Wunden nunmehr bezähmet worden, ergiebt er
205Endlich sich drein, die gefürchteten Fremden nun von sich zu lassen.

Sein hartnäckiges Herz demüthiget oft sich, und immer
Wird es härter und kälter, wie Eis, das, wenn es gethauet,
Härter erstarrt; und ob er sie gleich vor kurzem erlassen,
Jagt er ihnen doch nach in seinem Zorne, bis endlich
210Jhn die See verschluckt mit seinen Wagen und Reitern i) .

Sie indeß gehn zwischen zwey hohen krystallenen Mauren,
Wie auf trockenem Lande, hindurch; so standen die Wasser
Durch den Stab von Moses zertheilt, bis daß| die Erlösten
Sicher das Ufer erreicht. Mit solchen Zeichen und Wundern
215Wird Gott seine Heiligen stärken; er selber ist ihnen

Jn dem Engel zugegen, der in der beschützenden Wolke

Und
h) Dieses zielt auf eine sehr schöne
Stelle im Propheten Ezechiel XXIX. 3.
So spricht der Herr Herr: Siehe, ich
will an dich, Pharao, du König in Ae-
gypten, du großer Drache, der du
in deinem Wasser liegst, und sprichst:
der Strom ist mein, und ich hab ihn
mir gemacht.
i) Da Milton die andern Geschichte
in diesem zwölften Gesange so kurz zu-
sammen gefaßt hat, muß man sich billig
[Spaltenumbruch] verwundern, daß er den Untergang des
Pharaonischen Kriegsheers so zu sagen,
gedoppelt beschreibt. Jeder Leser wird
glauben, daß die Beschreibung zu Ende
sey, wenn Milton sagt, daß die Er-
lösten sicher das Ufer erreicht hät-
ten;
und destomehr wundert man sich,
daß er einige Zeilen darauf den Pharav,
der schon im rothen Meer ertrunken war,
wieder zum Vorscheine kommen läßt. Sei-
ne sonst zu bewundernde Aufmerksamkeit
scheint hier nachgelassen zu haben. Z.

Das verlohrne Paradies.

Uebrig laſſen. Finſterniß deckt die zagenden Laͤnder,
200Finſterniß, welche man greifen kann; ſie tilget drey Tage

Voͤllig aus; dann faͤllt im mitternaͤchtlichen Schlage
Jn Aegypten die Erſtgeburth von allem Lebendgen
Todt darnieder. Nachdem der große Drache des Fluſſes [Spaltenumbruch] h)
Mit zehn Wunden nunmehr bezaͤhmet worden, ergiebt er
205Endlich ſich drein, die gefuͤrchteten Fremden nun von ſich zu laſſen.

Sein hartnaͤckiges Herz demuͤthiget oft ſich, und immer
Wird es haͤrter und kaͤlter, wie Eis, das, wenn es gethauet,
Haͤrter erſtarrt; und ob er ſie gleich vor kurzem erlaſſen,
Jagt er ihnen doch nach in ſeinem Zorne, bis endlich
210Jhn die See verſchluckt mit ſeinen Wagen und Reitern i) .

Sie indeß gehn zwiſchen zwey hohen kryſtallenen Mauren,
Wie auf trockenem Lande, hindurch; ſo ſtanden die Waſſer
Durch den Stab von Moſes zertheilt, bis daß| die Erloͤſten
Sicher das Ufer erreicht. Mit ſolchen Zeichen und Wundern
215Wird Gott ſeine Heiligen ſtaͤrken; er ſelber iſt ihnen

Jn dem Engel zugegen, der in der beſchuͤtzenden Wolke

Und
h) Dieſes zielt auf eine ſehr ſchoͤne
Stelle im Propheten Ezechiel XXIX. 3.
So ſpricht der Herr Herr: Siehe, ich
will an dich, Pharao, du König in Ae-
gypten, du großer Drache, der du
in deinem Waſſer liegſt, und ſprichſt:
der Strom iſt mein, und ich hab ihn
mir gemacht.
i) Da Milton die andern Geſchichte
in dieſem zwoͤlften Geſange ſo kurz zu-
ſammen gefaßt hat, muß man ſich billig
[Spaltenumbruch] verwundern, daß er den Untergang des
Pharaoniſchen Kriegsheers ſo zu ſagen,
gedoppelt beſchreibt. Jeder Leſer wird
glauben, daß die Beſchreibung zu Ende
ſey, wenn Milton ſagt, daß die Er-
löſten ſicher das Ufer erreicht hät-
ten;
und deſtomehr wundert man ſich,
daß er einige Zeilen darauf den Pharav,
der ſchon im rothen Meer ertrunken war,
wieder zum Vorſcheine kommen laͤßt. Sei-
ne ſonſt zu bewundernde Aufmerkſamkeit
ſcheint hier nachgelaſſen zu haben. Z.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="5">
            <l>
              <pb facs="#f0254" n="228"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw>
            </l><lb/>
            <l>Uebrig la&#x017F;&#x017F;en. Fin&#x017F;terniß deckt die zagenden La&#x0364;nder,<lb/><note place="left">200</note>Fin&#x017F;terniß, welche man greifen kann; &#x017F;ie tilget drey Tage</l><lb/>
            <l>Vo&#x0364;llig aus; dann fa&#x0364;llt im mitterna&#x0364;chtlichen Schlage</l><lb/>
            <l>Jn <hi rendition="#fr">Aegypten</hi> die Er&#x017F;tgeburth von allem Lebendgen</l><lb/>
            <l>Todt darnieder. Nachdem der große Drache des Flu&#x017F;&#x017F;es <cb/>
<note place="foot" n="h)">Die&#x017F;es zielt auf eine &#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
Stelle im Propheten Ezechiel <hi rendition="#aq">XXIX.</hi> 3.<lb/><hi rendition="#fr">So &#x017F;pricht der Herr Herr: Siehe, ich<lb/>
will an dich, Pharao, du König in Ae-<lb/>
gypten, du großer Drache, der du<lb/>
in deinem Wa&#x017F;&#x017F;er lieg&#x017F;t, und &#x017F;prich&#x017F;t:<lb/>
der Strom i&#x017F;t mein, und ich hab ihn<lb/>
mir gemacht.</hi></note> </l><lb/>
            <l>Mit zehn Wunden nunmehr beza&#x0364;hmet worden, ergiebt er<lb/><note place="left">205</note>Endlich &#x017F;ich drein, die gefu&#x0364;rchteten Fremden nun von &#x017F;ich zu la&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
            <l>Sein hartna&#x0364;ckiges Herz demu&#x0364;thiget oft &#x017F;ich, und immer</l><lb/>
            <l>Wird es ha&#x0364;rter und ka&#x0364;lter, wie Eis, das, wenn es gethauet,</l><lb/>
            <l>Ha&#x0364;rter er&#x017F;tarrt; und ob er &#x017F;ie gleich vor kurzem erla&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Jagt er ihnen doch nach in &#x017F;einem Zorne, bis endlich<lb/><note place="left">210</note>Jhn die See ver&#x017F;chluckt mit &#x017F;einen Wagen und Reitern  <note place="foot" n="i)">Da Milton die andern Ge&#x017F;chichte<lb/>
in die&#x017F;em zwo&#x0364;lften Ge&#x017F;ange &#x017F;o kurz zu-<lb/>
&#x017F;ammen gefaßt hat, muß man &#x017F;ich billig<lb/><cb/>
verwundern, daß er den Untergang des<lb/>
Pharaoni&#x017F;chen Kriegsheers &#x017F;o zu &#x017F;agen,<lb/>
gedoppelt be&#x017F;chreibt. Jeder Le&#x017F;er wird<lb/>
glauben, daß die Be&#x017F;chreibung zu Ende<lb/>
&#x017F;ey, wenn Milton &#x017F;agt, <hi rendition="#fr">daß die Er-<lb/>&#x017F;ten &#x017F;icher das Ufer erreicht hät-<lb/>
ten;</hi> und de&#x017F;tomehr wundert man &#x017F;ich,<lb/>
daß er einige Zeilen darauf den Pharav,<lb/>
der &#x017F;chon im rothen Meer ertrunken war,<lb/>
wieder zum Vor&#x017F;cheine kommen la&#x0364;ßt. Sei-<lb/>
ne &#x017F;on&#x017F;t zu bewundernde Aufmerk&#x017F;amkeit<lb/>
&#x017F;cheint hier nachgela&#x017F;&#x017F;en zu haben. <hi rendition="#fr">Z.</hi></note> .</l><lb/>
            <l>Sie indeß gehn zwi&#x017F;chen zwey hohen kry&#x017F;tallenen Mauren,</l><lb/>
            <l>Wie auf trockenem Lande, hindurch; &#x017F;o &#x017F;tanden die Wa&#x017F;&#x017F;er</l><lb/>
            <l>Durch den Stab von Mo&#x017F;es zertheilt, bis daß| die Erlo&#x0364;&#x017F;ten</l><lb/>
            <l>Sicher das Ufer erreicht. Mit &#x017F;olchen Zeichen und Wundern<lb/><note place="left">215</note>Wird Gott &#x017F;eine Heiligen &#x017F;ta&#x0364;rken; er &#x017F;elber i&#x017F;t ihnen</l><lb/>
            <l>Jn dem Engel zugegen, der in der be&#x017F;chu&#x0364;tzenden Wolke<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/></l>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[228/0254] Das verlohrne Paradies. Uebrig laſſen. Finſterniß deckt die zagenden Laͤnder, Finſterniß, welche man greifen kann; ſie tilget drey Tage Voͤllig aus; dann faͤllt im mitternaͤchtlichen Schlage Jn Aegypten die Erſtgeburth von allem Lebendgen Todt darnieder. Nachdem der große Drache des Fluſſes h) Mit zehn Wunden nunmehr bezaͤhmet worden, ergiebt er Endlich ſich drein, die gefuͤrchteten Fremden nun von ſich zu laſſen. Sein hartnaͤckiges Herz demuͤthiget oft ſich, und immer Wird es haͤrter und kaͤlter, wie Eis, das, wenn es gethauet, Haͤrter erſtarrt; und ob er ſie gleich vor kurzem erlaſſen, Jagt er ihnen doch nach in ſeinem Zorne, bis endlich Jhn die See verſchluckt mit ſeinen Wagen und Reitern i) . Sie indeß gehn zwiſchen zwey hohen kryſtallenen Mauren, Wie auf trockenem Lande, hindurch; ſo ſtanden die Waſſer Durch den Stab von Moſes zertheilt, bis daß| die Erloͤſten Sicher das Ufer erreicht. Mit ſolchen Zeichen und Wundern Wird Gott ſeine Heiligen ſtaͤrken; er ſelber iſt ihnen Jn dem Engel zugegen, der in der beſchuͤtzenden Wolke Und h) Dieſes zielt auf eine ſehr ſchoͤne Stelle im Propheten Ezechiel XXIX. 3. So ſpricht der Herr Herr: Siehe, ich will an dich, Pharao, du König in Ae- gypten, du großer Drache, der du in deinem Waſſer liegſt, und ſprichſt: der Strom iſt mein, und ich hab ihn mir gemacht. i) Da Milton die andern Geſchichte in dieſem zwoͤlften Geſange ſo kurz zu- ſammen gefaßt hat, muß man ſich billig verwundern, daß er den Untergang des Pharaoniſchen Kriegsheers ſo zu ſagen, gedoppelt beſchreibt. Jeder Leſer wird glauben, daß die Beſchreibung zu Ende ſey, wenn Milton ſagt, daß die Er- löſten ſicher das Ufer erreicht hät- ten; und deſtomehr wundert man ſich, daß er einige Zeilen darauf den Pharav, der ſchon im rothen Meer ertrunken war, wieder zum Vorſcheine kommen laͤßt. Sei- ne ſonſt zu bewundernde Aufmerkſamkeit ſcheint hier nachgelaſſen zu haben. Z.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/254
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/254>, abgerufen am 29.04.2024.