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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

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Zwölfter Gesang.
365Giebt er der übermüthigen Stadt zum Raube, zum Spotte,
Deren prächtige Mauren du durch die Sprachenverwirrung
Unterbrochen gesehn, und man drum Babylon nannte.
Siebenzig Jahre wohnen sie hier, verlassen, gefangen;
Doch drauf bringt er sie wieder zurück, indem er des Bundes
370Sich erinnert, den er dem frommen David beschworen,

Und der unverrückt steht, so fest als die Tage des Himmels.
Wenn sie mit ihrer Herrn, der Könige Babels, Erlaubniß
Wieder zurückegekommen; errichten sie erstlich den Tempel
Jhres Gottes aufs neu, und leben einige Zeiten
375Jn bescheidner Verfassung des Staats, bis daß sie an Reichthum

Und an Anzahl gewachsen, bald in Partheyen zerfallen.
Unter den Priestern entstehet zuerst die scheusliche Zwietracht;
Unter Männern, welche den Altar des Höchsten bedienen,
Und den Frieden am meisten im Volke befördern sollten.
380Jhr verderblicher Zwist befleckt den heiligen Tempel [Spaltenumbruch] m) ;

Endlich bemächtgen sie sich sogar des Zepters; verrathen
Davids Söhne; verlieren hernach an Fremde die Herrschaft,

Daß der wahre gesalbte König, der große Meßias
Seines Rechtes beraubt, gebohren werde. Sein Daseyn

Aber
m) Denn der Tempel wurde haupt-
sächlich wegen der Streitigkeiten zwischen
den hohen Priestern Jason und Mene-
laus
vom Antiochus Epiphanes enthei-
ligt. Endlich bemächtgen sie sich des
Zepters,
denn Aristobulus, der älteste
Sohn des jüdischen Hohenpriesters Hyr-
kanus,
war der erste, der seit der Ba-
[Spaltenumbruch] bylonischen Gefangenschaft den Königs-
titel annahm; sie verlieren hernach
an Fremde die Herrschaft,
nehmlich
an den Herodes, einen gebohrnen Jdu-
mäer, unter dessen Regierung Christus
gebohren wurde. Siehe den Josephus
und Prideaux.
G g 2

Zwoͤlfter Geſang.
365Giebt er der uͤbermuͤthigen Stadt zum Raube, zum Spotte,
Deren praͤchtige Mauren du durch die Sprachenverwirrung
Unterbrochen geſehn, und man drum Babylon nannte.
Siebenzig Jahre wohnen ſie hier, verlaſſen, gefangen;
Doch drauf bringt er ſie wieder zuruͤck, indem er des Bundes
370Sich erinnert, den er dem frommen David beſchworen,

Und der unverruͤckt ſteht, ſo feſt als die Tage des Himmels.
Wenn ſie mit ihrer Herrn, der Koͤnige Babels, Erlaubniß
Wieder zuruͤckegekommen; errichten ſie erſtlich den Tempel
Jhres Gottes aufs neu, und leben einige Zeiten
375Jn beſcheidner Verfaſſung des Staats, bis daß ſie an Reichthum

Und an Anzahl gewachſen, bald in Partheyen zerfallen.
Unter den Prieſtern entſtehet zuerſt die ſcheusliche Zwietracht;
Unter Maͤnnern, welche den Altar des Hoͤchſten bedienen,
Und den Frieden am meiſten im Volke befoͤrdern ſollten.
380Jhr verderblicher Zwiſt befleckt den heiligen Tempel [Spaltenumbruch] m) ;

Endlich bemaͤchtgen ſie ſich ſogar des Zepters; verrathen
Davids Soͤhne; verlieren hernach an Fremde die Herrſchaft,

Daß der wahre geſalbte Koͤnig, der große Meßias
Seines Rechtes beraubt, gebohren werde. Sein Daſeyn

Aber
m) Denn der Tempel wurde haupt-
ſaͤchlich wegen der Streitigkeiten zwiſchen
den hohen Prieſtern Jaſon und Mene-
laus
vom Antiochus Epiphanes enthei-
ligt. Endlich bemächtgen ſie ſich des
Zepters,
denn Ariſtobulus, der aͤlteſte
Sohn des juͤdiſchen Hohenprieſters Hyr-
kanus,
war der erſte, der ſeit der Ba-
[Spaltenumbruch] byloniſchen Gefangenſchaft den Koͤnigs-
titel annahm; ſie verlieren hernach
an Fremde die Herrſchaft,
nehmlich
an den Herodes, einen gebohrnen Jdu-
maͤer, unter deſſen Regierung Chriſtus
gebohren wurde. Siehe den Joſephus
und Prideaux.
G g 2
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[235/0261] Zwoͤlfter Geſang. Giebt er der uͤbermuͤthigen Stadt zum Raube, zum Spotte, Deren praͤchtige Mauren du durch die Sprachenverwirrung Unterbrochen geſehn, und man drum Babylon nannte. Siebenzig Jahre wohnen ſie hier, verlaſſen, gefangen; Doch drauf bringt er ſie wieder zuruͤck, indem er des Bundes Sich erinnert, den er dem frommen David beſchworen, Und der unverruͤckt ſteht, ſo feſt als die Tage des Himmels. Wenn ſie mit ihrer Herrn, der Koͤnige Babels, Erlaubniß Wieder zuruͤckegekommen; errichten ſie erſtlich den Tempel Jhres Gottes aufs neu, und leben einige Zeiten Jn beſcheidner Verfaſſung des Staats, bis daß ſie an Reichthum Und an Anzahl gewachſen, bald in Partheyen zerfallen. Unter den Prieſtern entſtehet zuerſt die ſcheusliche Zwietracht; Unter Maͤnnern, welche den Altar des Hoͤchſten bedienen, Und den Frieden am meiſten im Volke befoͤrdern ſollten. Jhr verderblicher Zwiſt befleckt den heiligen Tempel m) ; Endlich bemaͤchtgen ſie ſich ſogar des Zepters; verrathen Davids Soͤhne; verlieren hernach an Fremde die Herrſchaft, Daß der wahre geſalbte Koͤnig, der große Meßias Seines Rechtes beraubt, gebohren werde. Sein Daſeyn Aber m) Denn der Tempel wurde haupt- ſaͤchlich wegen der Streitigkeiten zwiſchen den hohen Prieſtern Jaſon und Mene- laus vom Antiochus Epiphanes enthei- ligt. Endlich bemächtgen ſie ſich des Zepters, denn Ariſtobulus, der aͤlteſte Sohn des juͤdiſchen Hohenprieſters Hyr- kanus, war der erſte, der ſeit der Ba- byloniſchen Gefangenſchaft den Koͤnigs- titel annahm; ſie verlieren hernach an Fremde die Herrſchaft, nehmlich an den Herodes, einen gebohrnen Jdu- maͤer, unter deſſen Regierung Chriſtus gebohren wurde. Siehe den Joſephus und Prideaux. G g 2

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/261>, abgerufen am 28.04.2024.