Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

Bild:
<< vorherige Seite


unsere Rede nicht. GOtt und verständige Men-
schen achten der falschen lügenhafften Worte und
Complimenten nicht; sie sehen auf Realität und
etwas Wesentliches.
Alamodan. Unser Herr Modestin will auch alles
gar zu genau haben. Jn der Welt muß doch ein
Unterscheid der Menschen und der Stände seyn.
Modestin. Das Christenthum hebet den Unter-
scheid der Stände nicht auf; wie oben erinnert;
es giebt aber das Christenthum dem Regiment doch
ein gar anderes Ansehen, (wo es anders mit denen
Regeln Christi bestehen soll) als es die unterdrü-
ckende herrschsüchtige und eigensinnige Eigenliebe
haben will; wovon wir vielleicht hernach noch et-
was weiter melden können, wenn wir erst zuvor
noch die Haupt-Hindernisse bey der Passion des
Geld-Geitzes werden vorgestellet haben.
Nicander. Jch kan leicht ermessen: daß er die-
sen die Laudes trefflich lesen werde: da der Geitz
eine Wurtzel alles Uebels genannt wird; und auch
diese Passion, wo sie sich in einem excessiven hohen
Grad befindet, die villaineste ist; welche einen
Menschen auch bey allen honetten Leuten gantz ver-
ächtlich und abscheulich vorstellet.
Alamodan. Es ist doch auch schön und gut, Geld
zu haben! Wer reich ist: ist auch geehrt und werth
geachtet; den Armen aber verachtet jederman;
wäre er auch noch so verständig. Und was vor
Versuchungen ist nicht ein Armer unterworffen:
von Sorgen der Nahrung, und andern Reitzungen,
Falschheit, Lügen, Betrügen, Stehlen u. d. g.
Mo-
G


unſere Rede nicht. GOtt und verſtaͤndige Men-
ſchen achten der falſchen luͤgenhafften Worte und
Complimenten nicht; ſie ſehen auf Realitaͤt und
etwas Weſentliches.
Alamodan. Unſer Herr Modeſtin will auch alles
gar zu genau haben. Jn der Welt muß doch ein
Unterſcheid der Menſchen und der Staͤnde ſeyn.
Modeſtin. Das Chriſtenthum hebet den Unter-
ſcheid der Staͤnde nicht auf; wie oben erinnert;
es giebt aber das Chriſtenthum dem Regiment doch
ein gar anderes Anſehen, (wo es anders mit denen
Regeln Chriſti beſtehen ſoll) als es die unterdruͤ-
ckende herrſchſuͤchtige und eigenſinnige Eigenliebe
haben will; wovon wir vielleicht hernach noch et-
was weiter melden koͤnnen, wenn wir erſt zuvor
noch die Haupt-Hinderniſſe bey der Paſſion des
Geld-Geitzes werden vorgeſtellet haben.
Nicander. Jch kan leicht ermeſſen: daß er die-
ſen die Laudes trefflich leſen werde: da der Geitz
eine Wurtzel alles Uebels genannt wird; und auch
dieſe Paſſion, wo ſie ſich in einem exceſſiven hohen
Grad befindet, die villaineſte iſt; welche einen
Menſchen auch bey allen honetten Leuten gantz ver-
aͤchtlich und abſcheulich vorſtellet.
Alamodan. Es iſt doch auch ſchoͤn und gut, Geld
zu haben! Wer reich iſt: iſt auch geehrt und werth
geachtet; den Armen aber verachtet jederman;
waͤre er auch noch ſo verſtaͤndig. Und was vor
Verſuchungen iſt nicht ein Armer unterworffen:
von Sorgen der Nahrung, und andern Reitzungen,
Falſchheit, Luͤgen, Betruͤgen, Stehlen u. d. g.
Mo-
G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp>
          <p><pb facs="#f0103" n="97"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
un&#x017F;ere Rede nicht. GOtt und ver&#x017F;ta&#x0364;ndige Men-<lb/>
&#x017F;chen achten der fal&#x017F;chen lu&#x0364;genhafften Worte und<lb/>
Complimenten nicht; &#x017F;ie &#x017F;ehen auf Realita&#x0364;t und<lb/>
etwas We&#x017F;entliches.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Alamodan.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Un&#x017F;er Herr <hi rendition="#aq">Mode&#x017F;tin</hi> will auch alles<lb/>
gar zu genau haben. Jn der Welt muß doch ein<lb/>
Unter&#x017F;cheid der Men&#x017F;chen und der Sta&#x0364;nde &#x017F;eyn.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Mode&#x017F;tin.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Das Chri&#x017F;tenthum hebet den Unter-<lb/>
&#x017F;cheid der Sta&#x0364;nde nicht auf; wie oben erinnert;<lb/>
es giebt aber das Chri&#x017F;tenthum dem Regiment doch<lb/>
ein gar anderes An&#x017F;ehen, (wo es anders mit denen<lb/>
Regeln Chri&#x017F;ti be&#x017F;tehen &#x017F;oll) als es die unterdru&#x0364;-<lb/>
ckende herr&#x017F;ch&#x017F;u&#x0364;chtige und eigen&#x017F;innige Eigenliebe<lb/>
haben will; wovon wir vielleicht hernach noch et-<lb/>
was weiter melden ko&#x0364;nnen, wenn wir er&#x017F;t zuvor<lb/>
noch die Haupt-Hinderni&#x017F;&#x017F;e bey der <hi rendition="#aq">Pa&#x017F;&#x017F;ion</hi> des<lb/>
Geld-Geitzes werden vorge&#x017F;tellet haben.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Nicander.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Jch kan leicht erme&#x017F;&#x017F;en: daß er die-<lb/>
&#x017F;en die <hi rendition="#aq">Laudes</hi> trefflich le&#x017F;en werde: da der Geitz<lb/>
eine Wurtzel alles Uebels genannt wird; und auch<lb/>
die&#x017F;e <hi rendition="#aq">Pa&#x017F;&#x017F;ion,</hi> wo &#x017F;ie &#x017F;ich in einem <hi rendition="#aq">exce&#x017F;&#x017F;iven</hi> hohen<lb/>
Grad befindet, die <hi rendition="#aq">villaine&#x017F;te</hi> i&#x017F;t; welche einen<lb/>
Men&#x017F;chen auch bey allen <hi rendition="#aq">honetten</hi> Leuten gantz ver-<lb/>
a&#x0364;chtlich und ab&#x017F;cheulich vor&#x017F;tellet.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Alamodan.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Es i&#x017F;t doch auch &#x017F;cho&#x0364;n und gut, Geld<lb/>
zu haben! Wer reich i&#x017F;t: i&#x017F;t auch geehrt und werth<lb/>
geachtet; den Armen aber verachtet jederman;<lb/>
wa&#x0364;re er auch noch &#x017F;o ver&#x017F;ta&#x0364;ndig. Und was vor<lb/>
Ver&#x017F;uchungen i&#x017F;t nicht ein Armer unterworffen:<lb/>
von Sorgen der Nahrung, und andern Reitzungen,<lb/>
Fal&#x017F;chheit, Lu&#x0364;gen, Betru&#x0364;gen, Stehlen u. d. g.</p>
        </sp><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">G</fw>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Mo-</hi> </hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0103] unſere Rede nicht. GOtt und verſtaͤndige Men- ſchen achten der falſchen luͤgenhafften Worte und Complimenten nicht; ſie ſehen auf Realitaͤt und etwas Weſentliches. Alamodan. Unſer Herr Modeſtin will auch alles gar zu genau haben. Jn der Welt muß doch ein Unterſcheid der Menſchen und der Staͤnde ſeyn. Modeſtin. Das Chriſtenthum hebet den Unter- ſcheid der Staͤnde nicht auf; wie oben erinnert; es giebt aber das Chriſtenthum dem Regiment doch ein gar anderes Anſehen, (wo es anders mit denen Regeln Chriſti beſtehen ſoll) als es die unterdruͤ- ckende herrſchſuͤchtige und eigenſinnige Eigenliebe haben will; wovon wir vielleicht hernach noch et- was weiter melden koͤnnen, wenn wir erſt zuvor noch die Haupt-Hinderniſſe bey der Paſſion des Geld-Geitzes werden vorgeſtellet haben. Nicander. Jch kan leicht ermeſſen: daß er die- ſen die Laudes trefflich leſen werde: da der Geitz eine Wurtzel alles Uebels genannt wird; und auch dieſe Paſſion, wo ſie ſich in einem exceſſiven hohen Grad befindet, die villaineſte iſt; welche einen Menſchen auch bey allen honetten Leuten gantz ver- aͤchtlich und abſcheulich vorſtellet. Alamodan. Es iſt doch auch ſchoͤn und gut, Geld zu haben! Wer reich iſt: iſt auch geehrt und werth geachtet; den Armen aber verachtet jederman; waͤre er auch noch ſo verſtaͤndig. Und was vor Verſuchungen iſt nicht ein Armer unterworffen: von Sorgen der Nahrung, und andern Reitzungen, Falſchheit, Luͤgen, Betruͤgen, Stehlen u. d. g. Mo- G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/103
Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/103>, abgerufen am 29.04.2024.