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Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

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sen; andere/ welche eben nicht so viel Vernunfft
haben/ aber doch so boßhafft/ daß es nicht gut ist
sich an selbige zu reiben. Andere auch einfältig/
welche mehr durch anderer Thorheit zu Narren ge-
macht/ als aus eigener Willkühr dazu kommen.
Und wenn man alle die Thorheiten derer Menschen
betrachtet: auf was mannigfaltige Weise des Men-
schen Gehirn derangiret wird; solte man mit deren
Portraits nicht nur einen Saal; sondern wohl ein
grosses Last-Schiff damit anfüllen können?
Modestin. Daß die meiste Actiones derer Men-
schen blos nach deren natürlichen Temperamenten/
verschiedenen Bewegungs-Ursachen gleichsam me-
chanice
herfliessen/ kan man sano sensu nicht in
Abrede seyn; in Betrachtung: daß ein Ehrgeitzi-
ger/ Geldgeitziger/ Wollüstiger zu Erlangung sei-
nes Zweckes/ seine Actiones gleichsam mechanice
einrichte; doch ist ein ziemlicher Unterscheid zwi-
schen einer Machine die nicht anderst würcken kann/
als ihre bestimmte Ausarbeitung es mit sich bringet;
und einer solchen Creatur die nach Belieben ihre
Actiones einrichten kann/ welche mit Verstand und
Willen begabet ist. Da dem Verstand die Be-
trachtung und Uberlegung der Sachen; dem Wil-
len aber die Freyheit zukommt/ sich auf eine oder
andere Seite zu lencken, eine feste oder zweiffelhaffte
resolurion zu ergreiffen. Wobey das Gleichniß von
Machinen woh passiret werden kann: wenn auch ge-
wiß ist/ daß ein Mensch gleichsam als eine Machine
seine Rolle spielet.
Theog.


ſen; andere/ welche eben nicht ſo viel Vernunfft
haben/ aber doch ſo boßhafft/ daß es nicht gut iſt
ſich an ſelbige zu reiben. Andere auch einfaͤltig/
welche mehr durch anderer Thorheit zu Narren ge-
macht/ als aus eigener Willkuͤhr dazu kommen.
Und wenn man alle die Thorheiten derer Menſchen
betrachtet: auf was mannigfaltige Weiſe des Men-
ſchen Gehirn derangiret wird; ſolte man mit deren
Portraits nicht nur einen Saal; ſondern wohl ein
groſſes Laſt-Schiff damit anfuͤllen koͤnnen?
Modeſtin. Daß die meiſte Actiones derer Men-
ſchen blos nach deren natuͤrlichen Temperamenten/
verſchiedenen Bewegungs-Urſachen gleichſam me-
chanice
herflieſſen/ kan man ſano ſenſu nicht in
Abrede ſeyn; in Betrachtung: daß ein Ehrgeitzi-
ger/ Geldgeitziger/ Wolluͤſtiger zu Erlangung ſei-
nes Zweckes/ ſeine Actiones gleichſam mechanice
einrichte; doch iſt ein ziemlicher Unterſcheid zwi-
ſchen einer Machine die nicht anderſt wuͤrcken kann/
als ihre beſtimmte Ausarbeitung es mit ſich bringet;
und einer ſolchen Creatur die nach Belieben ihre
Actiones einrichten kann/ welche mit Verſtand und
Willen begabet iſt. Da dem Verſtand die Be-
trachtung und Uberlegung der Sachen; dem Wil-
len aber die Freyheit zukommt/ ſich auf eine oder
andere Seite zu lencken, eine feſte oder zweiffelhaffte
reſolurion zu ergreiffen. Wobey das Gleichniß von
Machinen woh paſſiret werden kann: wenn auch ge-
wiß iſt/ daß ein Menſch gleichſam als eine Machine
ſeine Rolle ſpielet.
Theog.
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[120/0126] ſen; andere/ welche eben nicht ſo viel Vernunfft haben/ aber doch ſo boßhafft/ daß es nicht gut iſt ſich an ſelbige zu reiben. Andere auch einfaͤltig/ welche mehr durch anderer Thorheit zu Narren ge- macht/ als aus eigener Willkuͤhr dazu kommen. Und wenn man alle die Thorheiten derer Menſchen betrachtet: auf was mannigfaltige Weiſe des Men- ſchen Gehirn derangiret wird; ſolte man mit deren Portraits nicht nur einen Saal; ſondern wohl ein groſſes Laſt-Schiff damit anfuͤllen koͤnnen? Modeſtin. Daß die meiſte Actiones derer Men- ſchen blos nach deren natuͤrlichen Temperamenten/ verſchiedenen Bewegungs-Urſachen gleichſam me- chanice herflieſſen/ kan man ſano ſenſu nicht in Abrede ſeyn; in Betrachtung: daß ein Ehrgeitzi- ger/ Geldgeitziger/ Wolluͤſtiger zu Erlangung ſei- nes Zweckes/ ſeine Actiones gleichſam mechanice einrichte; doch iſt ein ziemlicher Unterſcheid zwi- ſchen einer Machine die nicht anderſt wuͤrcken kann/ als ihre beſtimmte Ausarbeitung es mit ſich bringet; und einer ſolchen Creatur die nach Belieben ihre Actiones einrichten kann/ welche mit Verſtand und Willen begabet iſt. Da dem Verſtand die Be- trachtung und Uberlegung der Sachen; dem Wil- len aber die Freyheit zukommt/ ſich auf eine oder andere Seite zu lencken, eine feſte oder zweiffelhaffte reſolurion zu ergreiffen. Wobey das Gleichniß von Machinen woh paſſiret werden kann: wenn auch ge- wiß iſt/ daß ein Menſch gleichſam als eine Machine ſeine Rolle ſpielet. Theog.

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Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/126>, abgerufen am 28.04.2024.