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Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

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Discourse mit einander führeten: Wobey ich mei-
nes Freundes durch-redliches tugendliebendes Ge-
müthe je mehr und mehr kennen lernete, und eine
solche Neigung zu ihme gewonnen: daß bey nie-
manden lieber ware, als bey ihm: Dahero auch
mir eiffrigst angelegen seyn liesse, ihme bey aller Ge-
legenheit alle Gefälligkeit zu erweisen, und meine
aufrichtige Liebe zu bezeigen.
Modestin. Und eben eine solche Neigung empfand
ich auch gegen meinen lieben Theogenes. Dan-
nenhero, da wir einen übereinstimmenden Zweck
hatten, nicht nur unsern Verstand zu schärffen und
mit guten Wissenschafften auszuzieren; sondern
vornemlich auch unser Hertz mit Tugend zu schmü-
cken, machten wir ein Verbindniß: dasjenige, was
einer an dem andern, als unanständig wahrneh-
men sollte; oder zum Schaden gereichen könte,
einander offenhertzig und vertraulich anzuzeigen:
hiedurch geschahe es, daß wir je länger je vertrau-
licher wurden; und nun über dreyßig Jahr einan-
der als Brüder geliebet. Es ist mir jederzeit die
grösseste Freude gewesen: wenn meinem Freunde
einige Gefälligkeit erweisen können, und haben mich
weder Mühe noch Kosten (nach meinem Vermö-
gen) gedauret, wenn ihme einen nützlichen und an-
genehmen Dienst erweisen können.
Nicander. Jch muß gestehen, daß es ein beson-
ders Glück und Vergnügen ist, wenn man einen
treuen


Diſcourſe mit einander fuͤhreten: Wobey ich mei-
nes Freundes durch-redliches tugendliebendes Ge-
muͤthe je mehr und mehr kennen lernete, und eine
ſolche Neigung zu ihme gewonnen: daß bey nie-
manden lieber ware, als bey ihm: Dahero auch
mir eiffrigſt angelegen ſeyn lieſſe, ihme bey aller Ge-
legenheit alle Gefaͤlligkeit zu erweiſen, und meine
aufrichtige Liebe zu bezeigen.
Modeſtin. Und eben eine ſolche Neigung empfand
ich auch gegen meinen lieben Theogenes. Dan-
nenhero, da wir einen uͤbereinſtimmenden Zweck
hatten, nicht nur unſern Verſtand zu ſchaͤrffen und
mit guten Wiſſenſchafften auszuzieren; ſondern
vornemlich auch unſer Hertz mit Tugend zu ſchmuͤ-
cken, machten wir ein Verbindniß: dasjenige, was
einer an dem andern, als unanſtaͤndig wahrneh-
men ſollte; oder zum Schaden gereichen koͤnte,
einander offenhertzig und vertraulich anzuzeigen:
hiedurch geſchahe es, daß wir je laͤnger je vertrau-
licher wurden; und nun uͤber dreyßig Jahr einan-
der als Bruͤder geliebet. Es iſt mir jederzeit die
groͤſſeſte Freude geweſen: wenn meinem Freunde
einige Gefaͤlligkeit erweiſen koͤnnen, und haben mich
weder Muͤhe noch Koſten (nach meinem Vermoͤ-
gen) gedauret, wenn ihme einen nuͤtzlichen und an-
genehmen Dienſt erweiſen koͤnnen.
Nicander. Jch muß geſtehen, daß es ein beſon-
ders Gluͤck und Vergnuͤgen iſt, wenn man einen
treuen
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[140/0146] Diſcourſe mit einander fuͤhreten: Wobey ich mei- nes Freundes durch-redliches tugendliebendes Ge- muͤthe je mehr und mehr kennen lernete, und eine ſolche Neigung zu ihme gewonnen: daß bey nie- manden lieber ware, als bey ihm: Dahero auch mir eiffrigſt angelegen ſeyn lieſſe, ihme bey aller Ge- legenheit alle Gefaͤlligkeit zu erweiſen, und meine aufrichtige Liebe zu bezeigen. Modeſtin. Und eben eine ſolche Neigung empfand ich auch gegen meinen lieben Theogenes. Dan- nenhero, da wir einen uͤbereinſtimmenden Zweck hatten, nicht nur unſern Verſtand zu ſchaͤrffen und mit guten Wiſſenſchafften auszuzieren; ſondern vornemlich auch unſer Hertz mit Tugend zu ſchmuͤ- cken, machten wir ein Verbindniß: dasjenige, was einer an dem andern, als unanſtaͤndig wahrneh- men ſollte; oder zum Schaden gereichen koͤnte, einander offenhertzig und vertraulich anzuzeigen: hiedurch geſchahe es, daß wir je laͤnger je vertrau- licher wurden; und nun uͤber dreyßig Jahr einan- der als Bruͤder geliebet. Es iſt mir jederzeit die groͤſſeſte Freude geweſen: wenn meinem Freunde einige Gefaͤlligkeit erweiſen koͤnnen, und haben mich weder Muͤhe noch Koſten (nach meinem Vermoͤ- gen) gedauret, wenn ihme einen nuͤtzlichen und an- genehmen Dienſt erweiſen koͤnnen. Nicander. Jch muß geſtehen, daß es ein beſon- ders Gluͤck und Vergnuͤgen iſt, wenn man einen treuen

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Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/146>, abgerufen am 28.04.2024.