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Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

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liche blos zum äusserlichen Leben und Wohlseyn
dienende; und hingegen auch geistliche, himmlische,
unsichtbare Ewigbleibende: also hat auch GOtt
der HErr in den Menschen zweyerley, in dieser Zeit
untereinander streitende Kräffte und Neigungen ge-
leget: Da der Geist wider das Fleisch, und das
Fleisch wider den Geist streiten. Da der thierische
sinnliche Theil (der alte Adam, wie ihn die heilige
Schrifft nennet) nur was irrdisch, vergänglich
beäuget und suchet; der Geist des Gemüths aber
nach dem himmlischen Ewigbleibenden trachtet.
Da nun diese Dinge, so weit als der Himmel von
der Erden entschieden sind; und zugleich in einer
Balance oder Gleichgewicht nimmermehr beruhen
können, sondern nothwendig das eine dem andern
weichen muß: Jndem man nicht GOtt und der
Welt zugleich dienen kan; so hat nicht alleine der
liebreicheste Menschen-Freund, JEsus Christus,
dem Menschen die Verläugnung seiner selbst und
der Welt, als eine Fundamental-Regul und Lection:
sondern es haben solches auch schon lange vor der
Menschwerdung Christi verschiedene weise Männer
eingesehen, als Hermes Trismegistus, da er im Py-
mandes cap.
4. saget: GOtt der HErr habe zwar
allen Menschen die Rede und die Vernunfft ver-
liehen, das Gemüth aber nicht. Quoniam voluit
eam in medio tanquam certamen praemiumque Ani-
morum proponere.
Da er ferner hinzufüget: Daß
diejenige, welche die Stimme GOttes in sich hö-
ren; welche den Endzweck erkennen und betrachten,
warum sie geschaffen sind, des Gemüths theilhaff-
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F 5


liche blos zum aͤuſſerlichen Leben und Wohlſeyn
dienende; und hingegen auch geiſtliche, himmliſche,
unſichtbare Ewigbleibende: alſo hat auch GOtt
der HErr in den Menſchen zweyerley, in dieſer Zeit
untereinander ſtreitende Kraͤffte und Neigungen ge-
leget: Da der Geiſt wider das Fleiſch, und das
Fleiſch wider den Geiſt ſtreiten. Da der thieriſche
ſinnliche Theil (der alte Adam, wie ihn die heilige
Schrifft nennet) nur was irrdiſch, vergaͤnglich
beaͤuget und ſuchet; der Geiſt des Gemuͤths aber
nach dem himmliſchen Ewigbleibenden trachtet.
Da nun dieſe Dinge, ſo weit als der Himmel von
der Erden entſchieden ſind; und zugleich in einer
Balance oder Gleichgewicht nimmermehr beruhen
koͤnnen, ſondern nothwendig das eine dem andern
weichen muß: Jndem man nicht GOtt und der
Welt zugleich dienen kan; ſo hat nicht alleine der
liebreicheſte Menſchen-Freund, JEſus Chriſtus,
dem Menſchen die Verlaͤugnung ſeiner ſelbſt und
der Welt, als eine Fundamental-Regul und Lection:
ſondern es haben ſolches auch ſchon lange vor der
Menſchwerdung Chriſti verſchiedene weiſe Maͤnner
eingeſehen, als Hermes Trismegiſtus, da er im Py-
mandes cap.
4. ſaget: GOtt der HErr habe zwar
allen Menſchen die Rede und die Vernunfft ver-
liehen, das Gemuͤth aber nicht. Quoniam voluit
eam in medio tanquam certamen præmiumque Ani-
morum proponere.
Da er ferner hinzufuͤget: Daß
diejenige, welche die Stimme GOttes in ſich hoͤ-
ren; welche den Endzweck erkennen und betrachten,
warum ſie geſchaffen ſind, des Gemuͤths theilhaff-
tig
F 5
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[89/0095] liche blos zum aͤuſſerlichen Leben und Wohlſeyn dienende; und hingegen auch geiſtliche, himmliſche, unſichtbare Ewigbleibende: alſo hat auch GOtt der HErr in den Menſchen zweyerley, in dieſer Zeit untereinander ſtreitende Kraͤffte und Neigungen ge- leget: Da der Geiſt wider das Fleiſch, und das Fleiſch wider den Geiſt ſtreiten. Da der thieriſche ſinnliche Theil (der alte Adam, wie ihn die heilige Schrifft nennet) nur was irrdiſch, vergaͤnglich beaͤuget und ſuchet; der Geiſt des Gemuͤths aber nach dem himmliſchen Ewigbleibenden trachtet. Da nun dieſe Dinge, ſo weit als der Himmel von der Erden entſchieden ſind; und zugleich in einer Balance oder Gleichgewicht nimmermehr beruhen koͤnnen, ſondern nothwendig das eine dem andern weichen muß: Jndem man nicht GOtt und der Welt zugleich dienen kan; ſo hat nicht alleine der liebreicheſte Menſchen-Freund, JEſus Chriſtus, dem Menſchen die Verlaͤugnung ſeiner ſelbſt und der Welt, als eine Fundamental-Regul und Lection: ſondern es haben ſolches auch ſchon lange vor der Menſchwerdung Chriſti verſchiedene weiſe Maͤnner eingeſehen, als Hermes Trismegiſtus, da er im Py- mandes cap. 4. ſaget: GOtt der HErr habe zwar allen Menſchen die Rede und die Vernunfft ver- liehen, das Gemuͤth aber nicht. Quoniam voluit eam in medio tanquam certamen præmiumque Ani- morum proponere. Da er ferner hinzufuͤget: Daß diejenige, welche die Stimme GOttes in ſich hoͤ- ren; welche den Endzweck erkennen und betrachten, warum ſie geſchaffen ſind, des Gemuͤths theilhaff- tig F 5

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Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/95>, abgerufen am 26.04.2024.