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Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.

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und gute Sitten hervorthat. Er kannte die fran¬
zösische Literatur, und erwarb sich, zu einer Zeit,
wo deutsche Verse in der höheren Gesellschaft wenig
galten, Lob und Gunst durch eine nicht gemeine
Leichtigkeit der poetischen Form in der Muttersprache
nach guten Mustern, wie er sie in Hagedorn, in
Götz und andern fand. Für heute war ihm nun,
wie wir bereits vernahmen, ein besonders erfreulicher
Anlaß geworden, seine Gabe zu nutzen.

Er traf Madame Mozart, mit der Wirthstoch¬
ter plaudernd, vor dem gedeckten Tisch, wo sie sich
einen Teller Suppe voraus genommen hatte. Sie
war an außerordentliche Zwischenfälle, an kecke Steg¬
reifsprünge ihres Manns zu sehr gewöhnt, als daß
sie über die Erscheinung und den Auftrag des jungen
Offiziers mehr als billig hätte betreten seyn können.
Mit unverstellter Heiterkeit, besonnen und gewandt,
besprach und ordnete sie ungesäumt alles Erforder¬
liche selbst. Es wurde umgepackt, bezahlt, der Po¬
stillon entlassen, sie machte sich, ohne zu große Aengst¬
lichkeit in Herstellung ihrer Toilette, fertig, und fuhr
mit dem Begleiter wohlgemuth dem Schlosse zu, nicht
ahnend, auf welche sonderbare Weise ihr Gemahl sich
dort eingeführt hatte.

und gute Sitten hervorthat. Er kannte die fran¬
zöſiſche Literatur, und erwarb ſich, zu einer Zeit,
wo deutſche Verſe in der höheren Geſellſchaft wenig
galten, Lob und Gunſt durch eine nicht gemeine
Leichtigkeit der poetiſchen Form in der Mutterſprache
nach guten Muſtern, wie er ſie in Hagedorn, in
Götz und andern fand. Für heute war ihm nun,
wie wir bereits vernahmen, ein beſonders erfreulicher
Anlaß geworden, ſeine Gabe zu nutzen.

Er traf Madame Mozart, mit der Wirthstoch¬
ter plaudernd, vor dem gedeckten Tiſch, wo ſie ſich
einen Teller Suppe voraus genommen hatte. Sie
war an außerordentliche Zwiſchenfälle, an kecke Steg¬
reifſprünge ihres Manns zu ſehr gewöhnt, als daß
ſie über die Erſcheinung und den Auftrag des jungen
Offiziers mehr als billig hätte betreten ſeyn können.
Mit unverſtellter Heiterkeit, beſonnen und gewandt,
beſprach und ordnete ſie ungeſäumt alles Erforder¬
liche ſelbſt. Es wurde umgepackt, bezahlt, der Po¬
ſtillon entlaſſen, ſie machte ſich, ohne zu große Aengſt¬
lichkeit in Herſtellung ihrer Toilette, fertig, und fuhr
mit dem Begleiter wohlgemuth dem Schloſſe zu, nicht
ahnend, auf welche ſonderbare Weiſe ihr Gemahl ſich
dort eingeführt hatte.

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[38/0050] und gute Sitten hervorthat. Er kannte die fran¬ zöſiſche Literatur, und erwarb ſich, zu einer Zeit, wo deutſche Verſe in der höheren Geſellſchaft wenig galten, Lob und Gunſt durch eine nicht gemeine Leichtigkeit der poetiſchen Form in der Mutterſprache nach guten Muſtern, wie er ſie in Hagedorn, in Götz und andern fand. Für heute war ihm nun, wie wir bereits vernahmen, ein beſonders erfreulicher Anlaß geworden, ſeine Gabe zu nutzen. Er traf Madame Mozart, mit der Wirthstoch¬ ter plaudernd, vor dem gedeckten Tiſch, wo ſie ſich einen Teller Suppe voraus genommen hatte. Sie war an außerordentliche Zwiſchenfälle, an kecke Steg¬ reifſprünge ihres Manns zu ſehr gewöhnt, als daß ſie über die Erſcheinung und den Auftrag des jungen Offiziers mehr als billig hätte betreten ſeyn können. Mit unverſtellter Heiterkeit, beſonnen und gewandt, beſprach und ordnete ſie ungeſäumt alles Erforder¬ liche ſelbſt. Es wurde umgepackt, bezahlt, der Po¬ ſtillon entlaſſen, ſie machte ſich, ohne zu große Aengſt¬ lichkeit in Herſtellung ihrer Toilette, fertig, und fuhr mit dem Begleiter wohlgemuth dem Schloſſe zu, nicht ahnend, auf welche ſonderbare Weiſe ihr Gemahl ſich dort eingeführt hatte.

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/50>, abgerufen am 28.04.2024.