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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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schmeichelhaftesten Vorwürfe gegen sie spielen über die
karge Art, womit sie seiner Zärtlichkeit immer entgegne,
auch jezt erfuhr diese noch einigen Widerstand, doch --
so schien es dem schlauen Manne, -- mehr einen
anständigen als strenge zurückweisenden Widerstand.

Aber als ihr gepreßter Schmerz, ihre Unruhe,
ihr Mißbehagen sich immer weniger verbarg, als der
wärmer gewordene Liebhaber auf's Neue mißtrauisch
werden wollte, bald mit dringenden Worten, bald mit
den lebhaftesten Liebkosungen zu einer Erklärung nö-
thigte, da war es seltsam, jammervoll anzusehen, wie
die arme Frau ganz außer sich gerieth, in dem Au-
genblick, wo sie von ihrem unseligen Geheimniß auf's
Höchste bewegt, an die verlorene Liebe doppelt schmerz-
lich erinnert werden mußte, indem eine andere, bisher
verhaßte, sich hülfreich stürmisch aufdrang. Jezt stößt
sie den Herzog heftig weg, jezt gibt sie sich seiner
Kühnheit unerhört willig hin, dem bängsten Seufzer,
dem heißesten Gusse von Thränen folgt plötzlich ein
Lachen, dessen kindische Lieblichkeit, dessen herzlicher
Klang unter jeden andern Umständen hätte bezaubernd
seyn müssen. Der Herzog sah in alle diesem nur den
unbeschreiblich rührenden Ausdruck einer bis jezt ver-
hüllten Leidenschaft für ihn, welche sich endlich ver-
rathen und noch im entzückten Momente der ersten
Umarmung mit holder Scham und süßer Reue käm-
pfe, ihn selber jedoch zum seligsten der Menschen
mache. Wie ganz anders sah es im Busen Con-

ſchmeichelhafteſten Vorwürfe gegen ſie ſpielen über die
karge Art, womit ſie ſeiner Zärtlichkeit immer entgegne,
auch jezt erfuhr dieſe noch einigen Widerſtand, doch —
ſo ſchien es dem ſchlauen Manne, — mehr einen
anſtändigen als ſtrenge zurückweiſenden Widerſtand.

Aber als ihr gepreßter Schmerz, ihre Unruhe,
ihr Mißbehagen ſich immer weniger verbarg, als der
wärmer gewordene Liebhaber auf’s Neue mißtrauiſch
werden wollte, bald mit dringenden Worten, bald mit
den lebhafteſten Liebkoſungen zu einer Erklärung nö-
thigte, da war es ſeltſam, jammervoll anzuſehen, wie
die arme Frau ganz außer ſich gerieth, in dem Au-
genblick, wo ſie von ihrem unſeligen Geheimniß auf’s
Höchſte bewegt, an die verlorene Liebe doppelt ſchmerz-
lich erinnert werden mußte, indem eine andere, bisher
verhaßte, ſich hülfreich ſtürmiſch aufdrang. Jezt ſtößt
ſie den Herzog heftig weg, jezt gibt ſie ſich ſeiner
Kühnheit unerhört willig hin, dem bängſten Seufzer,
dem heißeſten Guſſe von Thränen folgt plötzlich ein
Lachen, deſſen kindiſche Lieblichkeit, deſſen herzlicher
Klang unter jeden andern Umſtänden hätte bezaubernd
ſeyn müſſen. Der Herzog ſah in alle dieſem nur den
unbeſchreiblich rührenden Ausdruck einer bis jezt ver-
hüllten Leidenſchaft für ihn, welche ſich endlich ver-
rathen und noch im entzückten Momente der erſten
Umarmung mit holder Scham und ſüßer Reue käm-
pfe, ihn ſelber jedoch zum ſeligſten der Menſchen
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[242/0250] ſchmeichelhafteſten Vorwürfe gegen ſie ſpielen über die karge Art, womit ſie ſeiner Zärtlichkeit immer entgegne, auch jezt erfuhr dieſe noch einigen Widerſtand, doch — ſo ſchien es dem ſchlauen Manne, — mehr einen anſtändigen als ſtrenge zurückweiſenden Widerſtand. Aber als ihr gepreßter Schmerz, ihre Unruhe, ihr Mißbehagen ſich immer weniger verbarg, als der wärmer gewordene Liebhaber auf’s Neue mißtrauiſch werden wollte, bald mit dringenden Worten, bald mit den lebhafteſten Liebkoſungen zu einer Erklärung nö- thigte, da war es ſeltſam, jammervoll anzuſehen, wie die arme Frau ganz außer ſich gerieth, in dem Au- genblick, wo ſie von ihrem unſeligen Geheimniß auf’s Höchſte bewegt, an die verlorene Liebe doppelt ſchmerz- lich erinnert werden mußte, indem eine andere, bisher verhaßte, ſich hülfreich ſtürmiſch aufdrang. Jezt ſtößt ſie den Herzog heftig weg, jezt gibt ſie ſich ſeiner Kühnheit unerhört willig hin, dem bängſten Seufzer, dem heißeſten Guſſe von Thränen folgt plötzlich ein Lachen, deſſen kindiſche Lieblichkeit, deſſen herzlicher Klang unter jeden andern Umſtänden hätte bezaubernd ſeyn müſſen. Der Herzog ſah in alle dieſem nur den unbeſchreiblich rührenden Ausdruck einer bis jezt ver- hüllten Leidenſchaft für ihn, welche ſich endlich ver- rathen und noch im entzückten Momente der erſten Umarmung mit holder Scham und ſüßer Reue käm- pfe, ihn ſelber jedoch zum ſeligſten der Menſchen mache. Wie ganz anders ſah es im Buſen Con-

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/250>, abgerufen am 29.04.2024.