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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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wegen einer Kleiderordnung.
er ihn aus Bescheidenheit bishero gern getragen hat, und ihn
aus freyer Wahl allezeit als ein Ehrenzeichen tragen wird?

Alle sind ferner geneigt, den fürstlichen Dienern überall
große Vorzüge einzuräumen. Sollte aber der Mann, der
seinen Ellbogen auf seinen eigenen Tisch stützt und von seinem
Fleiße oder von seinem Vermögen wohl lebt und andern gu-
tes thut, nicht eben so gut seyn, als der sich im Dienste krüm-
met? Soll man den Hunger nach Bedienungen, der jetzt
Ueberhand nimmt, und so manchen tapfern Kerl dem Fleiße
und der Handlung entzieht, noch durch Vorzüge und Ehre
reitzen? Ist denn das deutsche Herz so tief herabgesunken, daß
es schlechterdings den Dienst über die Freyheit setzt? Und se-
hen diese Leute nicht, daß, da sie solchergestalt allen Vorzug
dem Dienste geben, kein Mann von Ehre und Empfindung
der ungeehrten Freyheit getreu bleiben werde?

Alle sprechen von fürnehmen und geringen Bürgern.
Wer ist aber der fürnehme und geringe? Der Mann, der
aus seinem Comtoir der halben Welt Gesetze und Königen
Credit giebt; oder der Pflastertreter, der in einem langen
Mantel zu Rathe geht? Der Handwerker, der tausend dem
Staate gewinnt, oder der Krämer, der sie herausschickt?
Der Mann, der von seinen Zinsen oder der so von Besoldung
lebt, und dem gemeinen Wesen in der Futterung gegeben ist?
Der Taugenichts, der seines Wohledlen Grosvaters Rang
noch mit geerbten Stock und Degen behauptet, oder der Mei-
ster, der die beste Arbeit macht?

Keiner denkt an die Gefahr die dem Lande bevorsteht,
das dem Fleiße die Ehre raubt von seinen wohlerworbenen
Reichthümern zu glänzen. Wird denn auch wohl nur ein
Hollandsgänger, wenn er etwas erworben hat, in sein un-
dankbares Vaterland zurückkehren, wenn es ihm nicht erlaubt
seine silberne Knöpfe zu zeigen? Werden wir nicht die Leute

so
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wegen einer Kleiderordnung.
er ihn aus Beſcheidenheit bishero gern getragen hat, und ihn
aus freyer Wahl allezeit als ein Ehrenzeichen tragen wird?

Alle ſind ferner geneigt, den fuͤrſtlichen Dienern uͤberall
große Vorzuͤge einzuraͤumen. Sollte aber der Mann, der
ſeinen Ellbogen auf ſeinen eigenen Tiſch ſtuͤtzt und von ſeinem
Fleiße oder von ſeinem Vermoͤgen wohl lebt und andern gu-
tes thut, nicht eben ſo gut ſeyn, als der ſich im Dienſte kruͤm-
met? Soll man den Hunger nach Bedienungen, der jetzt
Ueberhand nimmt, und ſo manchen tapfern Kerl dem Fleiße
und der Handlung entzieht, noch durch Vorzuͤge und Ehre
reitzen? Iſt denn das deutſche Herz ſo tief herabgeſunken, daß
es ſchlechterdings den Dienſt uͤber die Freyheit ſetzt? Und ſe-
hen dieſe Leute nicht, daß, da ſie ſolchergeſtalt allen Vorzug
dem Dienſte geben, kein Mann von Ehre und Empfindung
der ungeehrten Freyheit getreu bleiben werde?

Alle ſprechen von fuͤrnehmen und geringen Buͤrgern.
Wer iſt aber der fuͤrnehme und geringe? Der Mann, der
aus ſeinem Comtoir der halben Welt Geſetze und Koͤnigen
Credit giebt; oder der Pflaſtertreter, der in einem langen
Mantel zu Rathe geht? Der Handwerker, der tauſend dem
Staate gewinnt, oder der Kraͤmer, der ſie herausſchickt?
Der Mann, der von ſeinen Zinſen oder der ſo von Beſoldung
lebt, und dem gemeinen Weſen in der Futterung gegeben iſt?
Der Taugenichts, der ſeines Wohledlen Grosvaters Rang
noch mit geerbten Stock und Degen behauptet, oder der Mei-
ſter, der die beſte Arbeit macht?

Keiner denkt an die Gefahr die dem Lande bevorſteht,
das dem Fleiße die Ehre raubt von ſeinen wohlerworbenen
Reichthuͤmern zu glaͤnzen. Wird denn auch wohl nur ein
Hollandsgaͤnger, wenn er etwas erworben hat, in ſein un-
dankbares Vaterland zuruͤckkehren, wenn es ihm nicht erlaubt
ſeine ſilberne Knoͤpfe zu zeigen? Werden wir nicht die Leute

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[151/0169] wegen einer Kleiderordnung. er ihn aus Beſcheidenheit bishero gern getragen hat, und ihn aus freyer Wahl allezeit als ein Ehrenzeichen tragen wird? Alle ſind ferner geneigt, den fuͤrſtlichen Dienern uͤberall große Vorzuͤge einzuraͤumen. Sollte aber der Mann, der ſeinen Ellbogen auf ſeinen eigenen Tiſch ſtuͤtzt und von ſeinem Fleiße oder von ſeinem Vermoͤgen wohl lebt und andern gu- tes thut, nicht eben ſo gut ſeyn, als der ſich im Dienſte kruͤm- met? Soll man den Hunger nach Bedienungen, der jetzt Ueberhand nimmt, und ſo manchen tapfern Kerl dem Fleiße und der Handlung entzieht, noch durch Vorzuͤge und Ehre reitzen? Iſt denn das deutſche Herz ſo tief herabgeſunken, daß es ſchlechterdings den Dienſt uͤber die Freyheit ſetzt? Und ſe- hen dieſe Leute nicht, daß, da ſie ſolchergeſtalt allen Vorzug dem Dienſte geben, kein Mann von Ehre und Empfindung der ungeehrten Freyheit getreu bleiben werde? Alle ſprechen von fuͤrnehmen und geringen Buͤrgern. Wer iſt aber der fuͤrnehme und geringe? Der Mann, der aus ſeinem Comtoir der halben Welt Geſetze und Koͤnigen Credit giebt; oder der Pflaſtertreter, der in einem langen Mantel zu Rathe geht? Der Handwerker, der tauſend dem Staate gewinnt, oder der Kraͤmer, der ſie herausſchickt? Der Mann, der von ſeinen Zinſen oder der ſo von Beſoldung lebt, und dem gemeinen Weſen in der Futterung gegeben iſt? Der Taugenichts, der ſeines Wohledlen Grosvaters Rang noch mit geerbten Stock und Degen behauptet, oder der Mei- ſter, der die beſte Arbeit macht? Keiner denkt an die Gefahr die dem Lande bevorſteht, das dem Fleiße die Ehre raubt von ſeinen wohlerworbenen Reichthuͤmern zu glaͤnzen. Wird denn auch wohl nur ein Hollandsgaͤnger, wenn er etwas erworben hat, in ſein un- dankbares Vaterland zuruͤckkehren, wenn es ihm nicht erlaubt ſeine ſilberne Knoͤpfe zu zeigen? Werden wir nicht die Leute ſo K 4

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/169>, abgerufen am 28.04.2024.