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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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über die Beschwerl. Colonisten anzusetzen.
der setzet sich zur Heuer, und also haben wir ein großes Feld
mit Colonisten zu besetzen, vor uns.

Ein Eingeborner der reiset, wird die Wissenschaften
vieler Provinzien mit zu Haus bringen, und nichts davon ein-
führen. Fremde, so sich irgendswo niederlassen, führen ihre
Gebräuche ein, und die Alten nehmen das gute davon an:
Der Buchweitzen, die Kartoffeln sind uns von Fremden ge-
bracht, wir haben sie nicht geholet, wenn man mich recht un-
terrichtet hat. Alle glückliche Revolutionen in der Oeconomie
sind durch Kriege, Emigrationen und Transplantationen ent-
standen. Wir haben keine große Revolutiones nöthig, so
roh ist unser Vaterland nicht; Fremde aber zwischen unsere
Einwohner setzen, ist noch immer von Nutzen: Es sind in
Handwerken und im Ackerbau gewisse Behandlungen, und in
denen dahin gehörenden Werkzeugen und Maschinen gewisse
Vortheile, die nachgeahmt zu werden verdienen. Ich will
nicht sagen, was für Vortheile in Ansehung der Sitten, der
Religion und der Moralität der Einwohner daraus entsprin-
gen. Der Umgang mit Fremden macht sanftmüthig und höflich-
und besieget die Vorurtheile, die jede Nation eigenthümlich
hat. Dies sind die Vortheile für die Provinz.

Es gehöret nicht hiehin, den Vortheil für den Her-
ren oder für den Staat zu berechnen, der sonder Zweifel
größer ist.

Als ich die Ehre hatte, Ihren Brief zu empfangen, riß
mich erst der Strom ihrer Reden hin, und ich gieng der Sa-
che nachzudenken aufs Feld. Ich traf einen Bauren an, der
Ellern um junge Eichen pflanzte. Was wollt ihr doch, sagte
er, mit dem fremden Volke anfangen, das wir haben holen
müssen? Warum pflanzest du, fragte ich, so viel von dem
Zeuge um die Telgen, die schon dicke genug stehen, sie neh-
men ihnen ja nur die Nahrung? Nein, sprach der Bauer,

das
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uͤber die Beſchwerl. Coloniſten anzuſetzen.
der ſetzet ſich zur Heuer, und alſo haben wir ein großes Feld
mit Coloniſten zu beſetzen, vor uns.

Ein Eingeborner der reiſet, wird die Wiſſenſchaften
vieler Provinzien mit zu Haus bringen, und nichts davon ein-
fuͤhren. Fremde, ſo ſich irgendswo niederlaſſen, fuͤhren ihre
Gebraͤuche ein, und die Alten nehmen das gute davon an:
Der Buchweitzen, die Kartoffeln ſind uns von Fremden ge-
bracht, wir haben ſie nicht geholet, wenn man mich recht un-
terrichtet hat. Alle gluͤckliche Revolutionen in der Oeconomie
ſind durch Kriege, Emigrationen und Transplantationen ent-
ſtanden. Wir haben keine große Revolutiones noͤthig, ſo
roh iſt unſer Vaterland nicht; Fremde aber zwiſchen unſere
Einwohner ſetzen, iſt noch immer von Nutzen: Es ſind in
Handwerken und im Ackerbau gewiſſe Behandlungen, und in
denen dahin gehoͤrenden Werkzeugen und Maſchinen gewiſſe
Vortheile, die nachgeahmt zu werden verdienen. Ich will
nicht ſagen, was fuͤr Vortheile in Anſehung der Sitten, der
Religion und der Moralitaͤt der Einwohner daraus entſprin-
gen. Der Umgang mit Fremden macht ſanftmuͤthig und hoͤflich-
und beſieget die Vorurtheile, die jede Nation eigenthuͤmlich
hat. Dies ſind die Vortheile fuͤr die Provinz.

Es gehoͤret nicht hiehin, den Vortheil fuͤr den Her-
ren oder fuͤr den Staat zu berechnen, der ſonder Zweifel
groͤßer iſt.

Als ich die Ehre hatte, Ihren Brief zu empfangen, riß
mich erſt der Strom ihrer Reden hin, und ich gieng der Sa-
che nachzudenken aufs Feld. Ich traf einen Bauren an, der
Ellern um junge Eichen pflanzte. Was wollt ihr doch, ſagte
er, mit dem fremden Volke anfangen, das wir haben holen
muͤſſen? Warum pflanzeſt du, fragte ich, ſo viel von dem
Zeuge um die Telgen, die ſchon dicke genug ſtehen, ſie neh-
men ihnen ja nur die Nahrung? Nein, ſprach der Bauer,

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[355/0373] uͤber die Beſchwerl. Coloniſten anzuſetzen. der ſetzet ſich zur Heuer, und alſo haben wir ein großes Feld mit Coloniſten zu beſetzen, vor uns. Ein Eingeborner der reiſet, wird die Wiſſenſchaften vieler Provinzien mit zu Haus bringen, und nichts davon ein- fuͤhren. Fremde, ſo ſich irgendswo niederlaſſen, fuͤhren ihre Gebraͤuche ein, und die Alten nehmen das gute davon an: Der Buchweitzen, die Kartoffeln ſind uns von Fremden ge- bracht, wir haben ſie nicht geholet, wenn man mich recht un- terrichtet hat. Alle gluͤckliche Revolutionen in der Oeconomie ſind durch Kriege, Emigrationen und Transplantationen ent- ſtanden. Wir haben keine große Revolutiones noͤthig, ſo roh iſt unſer Vaterland nicht; Fremde aber zwiſchen unſere Einwohner ſetzen, iſt noch immer von Nutzen: Es ſind in Handwerken und im Ackerbau gewiſſe Behandlungen, und in denen dahin gehoͤrenden Werkzeugen und Maſchinen gewiſſe Vortheile, die nachgeahmt zu werden verdienen. Ich will nicht ſagen, was fuͤr Vortheile in Anſehung der Sitten, der Religion und der Moralitaͤt der Einwohner daraus entſprin- gen. Der Umgang mit Fremden macht ſanftmuͤthig und hoͤflich- und beſieget die Vorurtheile, die jede Nation eigenthuͤmlich hat. Dies ſind die Vortheile fuͤr die Provinz. Es gehoͤret nicht hiehin, den Vortheil fuͤr den Her- ren oder fuͤr den Staat zu berechnen, der ſonder Zweifel groͤßer iſt. Als ich die Ehre hatte, Ihren Brief zu empfangen, riß mich erſt der Strom ihrer Reden hin, und ich gieng der Sa- che nachzudenken aufs Feld. Ich traf einen Bauren an, der Ellern um junge Eichen pflanzte. Was wollt ihr doch, ſagte er, mit dem fremden Volke anfangen, das wir haben holen muͤſſen? Warum pflanzeſt du, fragte ich, ſo viel von dem Zeuge um die Telgen, die ſchon dicke genug ſtehen, ſie neh- men ihnen ja nur die Nahrung? Nein, ſprach der Bauer, das Z 2

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/373>, abgerufen am 26.04.2024.