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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Schreiben eines angehenden Hagestolzen.
daß ich mir nicht getrauete, ihm in dieser Bahn nachzurennen.
Ihm kosteten seine Geschenke gewiß dreytausend Thaler; und
die Eltern hatten ohne Zweifel noch mehr angewandt, um
die Braut mit einer neumodischen Garderobe zu versehen.
Die guten Leute, dachte ich, werden Bankerott machen, ehe
sie ihre Handlung anfangen. Denn ihr beyderseitiges Ver-
mögen, womit sie als Kaufleute handlen wollten, lief nicht
höher wie der Brautschatz meiner Prinzeßin mit den drey
Uhren.

Meiner ersten Braut, da sie nachher so unglücklich geworden,
will ich in allen Ehren gedenken. Sie hatte ein hübsches
Gesicht, ein unschuldiges Herz, und eine feine Erziehung.
Was konnte sie dafür, daß ihre thörichten Eltern sie gleich
einer Person von dem vornehmsten Stande und dem größten
Vermögen erziehen lassen, da sie ihr doch keinen Thaler mit-
geben konnten? Gern hätte ich sie genommen, wenn sie nichts
wie ihr gutes Herz und dabey eine häusliche Erziehung gehabt
hätte. Allein wenn ich an die grausame Nothwendigkeit ge-
dachte ihr als einer vornehmen Dame alles dasjenige geben
zu müssen, was ihre Erziehung und die jetzige Mode zu un-
entbehrlichen Bedürfnissen gemacht hat: so getrauete ich mir
nicht die ganze Ehestandslast allein zu übernehmen. Bey
der ersten Unterredung traf ich sie in einer Gesellschaft von
ihres gleichen an. Sie sprachen von nichts als neuen Mo-
den und Geschmack. Die eine wollte, wenn ich es recht ver-
standen, a la Tocke, die andre a la Henry quatre seyn[;]
diese trug ihr Kleid a la Poniatowsky, jene a la Duchesse;
dies Stück hies ein Pet en l'air, jenes ein Fichu; und dann
trugen sie considerations, pretensions, poches de Paris,
Entre deux, Pele rines
und ich weis nicht was alles. Ge-
rechter Himmel; dachte ich, und einen solchen Pet en l' air

sollst

Schreiben eines angehenden Hageſtolzen.
daß ich mir nicht getrauete, ihm in dieſer Bahn nachzurennen.
Ihm koſteten ſeine Geſchenke gewiß dreytauſend Thaler; und
die Eltern hatten ohne Zweifel noch mehr angewandt, um
die Braut mit einer neumodiſchen Garderobe zu verſehen.
Die guten Leute, dachte ich, werden Bankerott machen, ehe
ſie ihre Handlung anfangen. Denn ihr beyderſeitiges Ver-
moͤgen, womit ſie als Kaufleute handlen wollten, lief nicht
hoͤher wie der Brautſchatz meiner Prinzeßin mit den drey
Uhren.

Meiner erſten Braut, da ſie nachher ſo ungluͤcklich geworden,
will ich in allen Ehren gedenken. Sie hatte ein huͤbſches
Geſicht, ein unſchuldiges Herz, und eine feine Erziehung.
Was konnte ſie dafuͤr, daß ihre thoͤrichten Eltern ſie gleich
einer Perſon von dem vornehmſten Stande und dem groͤßten
Vermoͤgen erziehen laſſen, da ſie ihr doch keinen Thaler mit-
geben konnten? Gern haͤtte ich ſie genommen, wenn ſie nichts
wie ihr gutes Herz und dabey eine haͤusliche Erziehung gehabt
haͤtte. Allein wenn ich an die grauſame Nothwendigkeit ge-
dachte ihr als einer vornehmen Dame alles dasjenige geben
zu muͤſſen, was ihre Erziehung und die jetzige Mode zu un-
entbehrlichen Beduͤrfniſſen gemacht hat: ſo getrauete ich mir
nicht die ganze Eheſtandslaſt allein zu uͤbernehmen. Bey
der erſten Unterredung traf ich ſie in einer Geſellſchaft von
ihres gleichen an. Sie ſprachen von nichts als neuen Mo-
den und Geſchmack. Die eine wollte, wenn ich es recht ver-
ſtanden, a la Tocke, die andre a la Henry quatre ſeyn[;]
dieſe trug ihr Kleid a la Poniatowsky, jene a la Ducheſſe;
dies Stuͤck hies ein Pet en l’air, jenes ein Fichu; und dann
trugen ſie conſiderations, pretenſions, poches de Paris,
Entre deux, Pele rines
und ich weis nicht was alles. Ge-
rechter Himmel; dachte ich, und einen ſolchen Pet en l’ air

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[90/0108] Schreiben eines angehenden Hageſtolzen. daß ich mir nicht getrauete, ihm in dieſer Bahn nachzurennen. Ihm koſteten ſeine Geſchenke gewiß dreytauſend Thaler; und die Eltern hatten ohne Zweifel noch mehr angewandt, um die Braut mit einer neumodiſchen Garderobe zu verſehen. Die guten Leute, dachte ich, werden Bankerott machen, ehe ſie ihre Handlung anfangen. Denn ihr beyderſeitiges Ver- moͤgen, womit ſie als Kaufleute handlen wollten, lief nicht hoͤher wie der Brautſchatz meiner Prinzeßin mit den drey Uhren. Meiner erſten Braut, da ſie nachher ſo ungluͤcklich geworden, will ich in allen Ehren gedenken. Sie hatte ein huͤbſches Geſicht, ein unſchuldiges Herz, und eine feine Erziehung. Was konnte ſie dafuͤr, daß ihre thoͤrichten Eltern ſie gleich einer Perſon von dem vornehmſten Stande und dem groͤßten Vermoͤgen erziehen laſſen, da ſie ihr doch keinen Thaler mit- geben konnten? Gern haͤtte ich ſie genommen, wenn ſie nichts wie ihr gutes Herz und dabey eine haͤusliche Erziehung gehabt haͤtte. Allein wenn ich an die grauſame Nothwendigkeit ge- dachte ihr als einer vornehmen Dame alles dasjenige geben zu muͤſſen, was ihre Erziehung und die jetzige Mode zu un- entbehrlichen Beduͤrfniſſen gemacht hat: ſo getrauete ich mir nicht die ganze Eheſtandslaſt allein zu uͤbernehmen. Bey der erſten Unterredung traf ich ſie in einer Geſellſchaft von ihres gleichen an. Sie ſprachen von nichts als neuen Mo- den und Geſchmack. Die eine wollte, wenn ich es recht ver- ſtanden, a la Tocke, die andre a la Henry quatre ſeyn; dieſe trug ihr Kleid a la Poniatowsky, jene a la Ducheſſe; dies Stuͤck hies ein Pet en l’air, jenes ein Fichu; und dann trugen ſie conſiderations, pretenſions, poches de Paris, Entre deux, Pele rines und ich weis nicht was alles. Ge- rechter Himmel; dachte ich, und einen ſolchen Pet en l’ air ſollſt

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/108>, abgerufen am 26.04.2024.