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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Von der Real- und Personalfreyheit.
genannt, welche ein jeder hatte, und vom Heerzuge befreyen
mogte.

Auf der andern Seite, und so bald statt der persönlichen
Befreyungen die Realfreyheit aufkam, zählte und achtete man
die Hofämter so sehr nicht mehr, bekümmerte sich auch nicht
darum, ob einer mit seinem Koche oder Kellner einen steuer-
baren Hof besetzte. Es wurden keine neue Fisch- Krebs- und
Gründelfänger, Briefträger, Baumschließer und dergleichen
Titel, wodurch sich geringe Neubauer ehedem eine Freyheit
verschaffeten, angesetzt; und man sagte auch sogar den Sol-
daten die Freyheit auf dem platten Lande ab. So wenig
geistliche als adliche konnten weiter ein steuerbares Gut be-
freyen; dahingegen auch kein Bauer ein Edelgut verärgern.
Man beurkundete (1709) nun förmlich, daß der Bauer,
welcher ein adliches Gut erblich an sich brachte, davon in Absicht
der Jagd, die guter maßen zu den persönlichen Freyheiten ge-
hörte, der Gerichtsbarkeit und andrer dem Gute anklebenden
Freyheiten eben so frey wäre als ein Edelmann; und jetzt sind
wir an diesem Begriff schon dergestalt gewohnet, daß wir uns
sogar wundern, warum es in diesem Falle einer besondern
Beurkundung bedurft, und derselbe sich nicht von selbst ver-
standen habe.

Der Einfluß dieser neuen Denkungsart gieng noch weiter.
Vorhin und so lange die persönliche Freyheit den Hauptbegrif
ausmachte, blieb der befreyete Grund in realibus den Gow-
gerichtern unterworfen; die auf denselben wohnende unfreyen
Personen, wozu aber die gebrodeten Diener des Herrn nicht
gehörten, veränderten ihren Gerichtszwang nicht; und man
findet noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts als dem Zeit-
punkte, worinn nach eingeführten Katastern die Realfreyheit
endlich den völligen Sieg erhielt, verschiedene Verfügungen,

wor-

Von der Real- und Perſonalfreyheit.
genannt, welche ein jeder hatte, und vom Heerzuge befreyen
mogte.

Auf der andern Seite, und ſo bald ſtatt der perſoͤnlichen
Befreyungen die Realfreyheit aufkam, zaͤhlte und achtete man
die Hofaͤmter ſo ſehr nicht mehr, bekuͤmmerte ſich auch nicht
darum, ob einer mit ſeinem Koche oder Kellner einen ſteuer-
baren Hof beſetzte. Es wurden keine neue Fiſch- Krebs- und
Gruͤndelfaͤnger, Brieftraͤger, Baumſchließer und dergleichen
Titel, wodurch ſich geringe Neubauer ehedem eine Freyheit
verſchaffeten, angeſetzt; und man ſagte auch ſogar den Sol-
daten die Freyheit auf dem platten Lande ab. So wenig
geiſtliche als adliche konnten weiter ein ſteuerbares Gut be-
freyen; dahingegen auch kein Bauer ein Edelgut veraͤrgern.
Man beurkundete (1709) nun foͤrmlich, daß der Bauer,
welcher ein adliches Gut erblich an ſich brachte, davon in Abſicht
der Jagd, die guter maßen zu den perſoͤnlichen Freyheiten ge-
hoͤrte, der Gerichtsbarkeit und andrer dem Gute anklebenden
Freyheiten eben ſo frey waͤre als ein Edelmann; und jetzt ſind
wir an dieſem Begriff ſchon dergeſtalt gewohnet, daß wir uns
ſogar wundern, warum es in dieſem Falle einer beſondern
Beurkundung bedurft, und derſelbe ſich nicht von ſelbſt ver-
ſtanden habe.

Der Einfluß dieſer neuen Denkungsart gieng noch weiter.
Vorhin und ſo lange die perſoͤnliche Freyheit den Hauptbegrif
ausmachte, blieb der befreyete Grund in realibus den Gow-
gerichtern unterworfen; die auf denſelben wohnende unfreyen
Perſonen, wozu aber die gebrodeten Diener des Herrn nicht
gehoͤrten, veraͤnderten ihren Gerichtszwang nicht; und man
findet noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts als dem Zeit-
punkte, worinn nach eingefuͤhrten Kataſtern die Realfreyheit
endlich den voͤlligen Sieg erhielt, verſchiedene Verfuͤgungen,

wor-
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[334/0352] Von der Real- und Perſonalfreyheit. genannt, welche ein jeder hatte, und vom Heerzuge befreyen mogte. Auf der andern Seite, und ſo bald ſtatt der perſoͤnlichen Befreyungen die Realfreyheit aufkam, zaͤhlte und achtete man die Hofaͤmter ſo ſehr nicht mehr, bekuͤmmerte ſich auch nicht darum, ob einer mit ſeinem Koche oder Kellner einen ſteuer- baren Hof beſetzte. Es wurden keine neue Fiſch- Krebs- und Gruͤndelfaͤnger, Brieftraͤger, Baumſchließer und dergleichen Titel, wodurch ſich geringe Neubauer ehedem eine Freyheit verſchaffeten, angeſetzt; und man ſagte auch ſogar den Sol- daten die Freyheit auf dem platten Lande ab. So wenig geiſtliche als adliche konnten weiter ein ſteuerbares Gut be- freyen; dahingegen auch kein Bauer ein Edelgut veraͤrgern. Man beurkundete (1709) nun foͤrmlich, daß der Bauer, welcher ein adliches Gut erblich an ſich brachte, davon in Abſicht der Jagd, die guter maßen zu den perſoͤnlichen Freyheiten ge- hoͤrte, der Gerichtsbarkeit und andrer dem Gute anklebenden Freyheiten eben ſo frey waͤre als ein Edelmann; und jetzt ſind wir an dieſem Begriff ſchon dergeſtalt gewohnet, daß wir uns ſogar wundern, warum es in dieſem Falle einer beſondern Beurkundung bedurft, und derſelbe ſich nicht von ſelbſt ver- ſtanden habe. Der Einfluß dieſer neuen Denkungsart gieng noch weiter. Vorhin und ſo lange die perſoͤnliche Freyheit den Hauptbegrif ausmachte, blieb der befreyete Grund in realibus den Gow- gerichtern unterworfen; die auf denſelben wohnende unfreyen Perſonen, wozu aber die gebrodeten Diener des Herrn nicht gehoͤrten, veraͤnderten ihren Gerichtszwang nicht; und man findet noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts als dem Zeit- punkte, worinn nach eingefuͤhrten Kataſtern die Realfreyheit endlich den voͤlligen Sieg erhielt, verſchiedene Verfuͤgungen, wor-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/352>, abgerufen am 27.04.2024.