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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Das natürliche Recht der ersten Mühle,
ein Wirthshaus, noch eine Schönfärberey bewilligen, zehn
Straßen und Brücken für eine genehmigen, mehrere Posten,
mehrere Wasserleitungen, und mehrere Kirchen oder Capellen
zulassen, nachdem ihr solches dem gemeinen Wesen nützlich
findet. Nur in eurer oder eurer Repräsentanten Hand muß
diese Erlaubniß unverrückt bleiben; nicht aber auf der freyen
Willkühr eines jeden Mitbürgers oder auf dem Ausspruch ei-
nes bloßen Richters beruhen. Ihr könnet zuletzt, wenn un-
sere Colonie so blühend wird, daß man ihre Bedürfnisse nicht
mehr abmessen kan, die vollkommenste natürliche Freyheit
wieder herstellen, und jede Anlage wieder willkührlich machen;
aber ob und wann diese Freyheit eintreten soll, muß eurer
Ueberlegung, eurer hohen Ermäßigung vorbehalten seyn.

Glaubt ihr, daß ich des Mulders auf meine Mühle zu
viel nehme; findet ihr, daß der Mann, der die Wasserleitung
anlegen wird, den Eymer zu theuer verkaufe; oder daß das
Postgeld zu hoch gesetzet werde: so wehret euch niemand jede
Anstalten, wodurch dieser Gottlosigkeit Einhalt geschehen kan,
zu wählen, zu begünstigen und ausführen zu lassen; aber Euer
muß diese Obererkenntniß bleiben; und ohne deren Vorgang
muß niemand befugt seyn, seine Willkühr in ein Recht zu
verwandeln und nach diesem sich ohne Anfrage und Bewilli-
gung eben dasjenige anzumaßen, was der erste ohne Anfrage
und Bewilligung mit vielen Kosten, aus blossen Vertrauen
auf die öffentliche Dankbarkeit und Billigkeit angeleget hat.

Noch eins meine Freunde; gesetzt ihr hättet die Mühle auf
gemeine Kosten angelegt, und ein jeder hätte das seinige dazu
beygetragen, würdet ihr wohl in diesem Falle, einem von
euren Mitbürgern gestatten, ohne eure Erlaubniß noch eine
zweyte anzulegen? Nein das würdet ihr nicht thun; ihr würdet
euch dagegen aus eben den Gründen setzen, woraus ich mich

dar-

Das natuͤrliche Recht der erſten Muͤhle,
ein Wirthshaus, noch eine Schoͤnfaͤrberey bewilligen, zehn
Straßen und Bruͤcken fuͤr eine genehmigen, mehrere Poſten,
mehrere Waſſerleitungen, und mehrere Kirchen oder Capellen
zulaſſen, nachdem ihr ſolches dem gemeinen Weſen nuͤtzlich
findet. Nur in eurer oder eurer Repraͤſentanten Hand muß
dieſe Erlaubniß unverruͤckt bleiben; nicht aber auf der freyen
Willkuͤhr eines jeden Mitbuͤrgers oder auf dem Ausſpruch ei-
nes bloßen Richters beruhen. Ihr koͤnnet zuletzt, wenn un-
ſere Colonie ſo bluͤhend wird, daß man ihre Beduͤrfniſſe nicht
mehr abmeſſen kan, die vollkommenſte natuͤrliche Freyheit
wieder herſtellen, und jede Anlage wieder willkuͤhrlich machen;
aber ob und wann dieſe Freyheit eintreten ſoll, muß eurer
Ueberlegung, eurer hohen Ermaͤßigung vorbehalten ſeyn.

Glaubt ihr, daß ich des Mulders auf meine Muͤhle zu
viel nehme; findet ihr, daß der Mann, der die Waſſerleitung
anlegen wird, den Eymer zu theuer verkaufe; oder daß das
Poſtgeld zu hoch geſetzet werde: ſo wehret euch niemand jede
Anſtalten, wodurch dieſer Gottloſigkeit Einhalt geſchehen kan,
zu waͤhlen, zu beguͤnſtigen und ausfuͤhren zu laſſen; aber Euer
muß dieſe Obererkenntniß bleiben; und ohne deren Vorgang
muß niemand befugt ſeyn, ſeine Willkuͤhr in ein Recht zu
verwandeln und nach dieſem ſich ohne Anfrage und Bewilli-
gung eben dasjenige anzumaßen, was der erſte ohne Anfrage
und Bewilligung mit vielen Koſten, aus bloſſen Vertrauen
auf die oͤffentliche Dankbarkeit und Billigkeit angeleget hat.

Noch eins meine Freunde; geſetzt ihr haͤttet die Muͤhle auf
gemeine Koſten angelegt, und ein jeder haͤtte das ſeinige dazu
beygetragen, wuͤrdet ihr wohl in dieſem Falle, einem von
euren Mitbuͤrgern geſtatten, ohne eure Erlaubniß noch eine
zweyte anzulegen? Nein das wuͤrdet ihr nicht thun; ihr wuͤrdet
euch dagegen aus eben den Gruͤnden ſetzen, woraus ich mich

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[408/0426] Das natuͤrliche Recht der erſten Muͤhle, ein Wirthshaus, noch eine Schoͤnfaͤrberey bewilligen, zehn Straßen und Bruͤcken fuͤr eine genehmigen, mehrere Poſten, mehrere Waſſerleitungen, und mehrere Kirchen oder Capellen zulaſſen, nachdem ihr ſolches dem gemeinen Weſen nuͤtzlich findet. Nur in eurer oder eurer Repraͤſentanten Hand muß dieſe Erlaubniß unverruͤckt bleiben; nicht aber auf der freyen Willkuͤhr eines jeden Mitbuͤrgers oder auf dem Ausſpruch ei- nes bloßen Richters beruhen. Ihr koͤnnet zuletzt, wenn un- ſere Colonie ſo bluͤhend wird, daß man ihre Beduͤrfniſſe nicht mehr abmeſſen kan, die vollkommenſte natuͤrliche Freyheit wieder herſtellen, und jede Anlage wieder willkuͤhrlich machen; aber ob und wann dieſe Freyheit eintreten ſoll, muß eurer Ueberlegung, eurer hohen Ermaͤßigung vorbehalten ſeyn. Glaubt ihr, daß ich des Mulders auf meine Muͤhle zu viel nehme; findet ihr, daß der Mann, der die Waſſerleitung anlegen wird, den Eymer zu theuer verkaufe; oder daß das Poſtgeld zu hoch geſetzet werde: ſo wehret euch niemand jede Anſtalten, wodurch dieſer Gottloſigkeit Einhalt geſchehen kan, zu waͤhlen, zu beguͤnſtigen und ausfuͤhren zu laſſen; aber Euer muß dieſe Obererkenntniß bleiben; und ohne deren Vorgang muß niemand befugt ſeyn, ſeine Willkuͤhr in ein Recht zu verwandeln und nach dieſem ſich ohne Anfrage und Bewilli- gung eben dasjenige anzumaßen, was der erſte ohne Anfrage und Bewilligung mit vielen Koſten, aus bloſſen Vertrauen auf die oͤffentliche Dankbarkeit und Billigkeit angeleget hat. Noch eins meine Freunde; geſetzt ihr haͤttet die Muͤhle auf gemeine Koſten angelegt, und ein jeder haͤtte das ſeinige dazu beygetragen, wuͤrdet ihr wohl in dieſem Falle, einem von euren Mitbuͤrgern geſtatten, ohne eure Erlaubniß noch eine zweyte anzulegen? Nein das wuͤrdet ihr nicht thun; ihr wuͤrdet euch dagegen aus eben den Gruͤnden ſetzen, woraus ich mich dar-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/426>, abgerufen am 29.04.2024.