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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Schreiben eines Edelm. ohne Gerichtsbark.
die Gerichts-Ordnung das Hauptwerk sey, wovon man
sich nur nicht ausschließen lassen dürfe.

Aber die Untergeichte sagten Sie, o dieses Kleinod
geht über alles. Diese bezahlen noch zu Zeiten ihren Mann,
und die Herrn des Landes mögen immer den Galgen be-
halten, wenn wir nur die Sporteln uud Strafen genies-
sen, welche mir jenen verknüpft sind, oder wo wir auch
den Vortheil nicht achten wollten, nur in dem Besitze
bleiben unsre Hintersassen gegen die Plünderungen und
Plackereyen andrer Untergerichte zu schützen.

Allein auch hierin kann ich Jhnen mein lieber Herr
Nachbar so schlechterdings nicht beypflichten. Die Spor-
teln und Strafen wollen wir nur gleich wegwerfen, sie
bringen ohne Plünderung in einem kleinen Districte selten
so viel, als das Gehalt des Gerichtshalters ausmacht,
und ich erinnere mich eines sächsischen Dorfs, worin alle
14 Tage Gericht gehalten, und des Mittages bey der
Tafel geklaget wurde, daß heute nicht so viel eingekom-
men wäre, als der Brate betrug, welchen der Herr Ge-
richtshalter mit verzehrte. Der Schutz Jhrer Hintersas-
sen würde wichtiger seyn, wenn die gemeinschaftlichen Un-
tergerichte, welche wir im Lande mit Sporteln erhalten
und natürlicher Weise besser von vielen als von wenigen
übertragen lassen können, nothwendig plündern müßten
Dieses ist aber offenbar irrig, und wenn es geschieht: so
ist dieses ein Fehler, den wir dadurch nicht abwenden
können, und nicht abwenden sollten, daß wir anstatt Ei-
nes gemeinschaftlichen Unterrichters deren Zehn unterhal-
ten, die weit eher in die Versuchung, wo nicht in die Noth-
wendigkeit gesetzt werden, so viel herauszupressen als sie
kosten und verzehren. Je angesehener dergleichen Män-
ner sind, und schlechte wird man doch in der guten Ab-
sicht seine Hinterasssen zu erhalten, nicht nehmen, desto

mehr

Schreiben eines Edelm. ohne Gerichtsbark.
die Gerichts-Ordnung das Hauptwerk ſey, wovon man
ſich nur nicht ausſchließen laſſen duͤrfe.

Aber die Untergeichte ſagten Sie, o dieſes Kleinod
geht uͤber alles. Dieſe bezahlen noch zu Zeiten ihren Mann,
und die Herrn des Landes moͤgen immer den Galgen be-
halten, wenn wir nur die Sporteln uud Strafen genieſ-
ſen, welche mir jenen verknuͤpft ſind, oder wo wir auch
den Vortheil nicht achten wollten, nur in dem Beſitze
bleiben unſre Hinterſaſſen gegen die Pluͤnderungen und
Plackereyen andrer Untergerichte zu ſchuͤtzen.

Allein auch hierin kann ich Jhnen mein lieber Herr
Nachbar ſo ſchlechterdings nicht beypflichten. Die Spor-
teln und Strafen wollen wir nur gleich wegwerfen, ſie
bringen ohne Pluͤnderung in einem kleinen Diſtricte ſelten
ſo viel, als das Gehalt des Gerichtshalters ausmacht,
und ich erinnere mich eines ſaͤchſiſchen Dorfs, worin alle
14 Tage Gericht gehalten, und des Mittages bey der
Tafel geklaget wurde, daß heute nicht ſo viel eingekom-
men waͤre, als der Brate betrug, welchen der Herr Ge-
richtshalter mit verzehrte. Der Schutz Jhrer Hinterſaſ-
ſen wuͤrde wichtiger ſeyn, wenn die gemeinſchaftlichen Un-
tergerichte, welche wir im Lande mit Sporteln erhalten
und natuͤrlicher Weiſe beſſer von vielen als von wenigen
uͤbertragen laſſen koͤnnen, nothwendig pluͤndern muͤßten
Dieſes iſt aber offenbar irrig, und wenn es geſchieht: ſo
iſt dieſes ein Fehler, den wir dadurch nicht abwenden
koͤnnen, und nicht abwenden ſollten, daß wir anſtatt Ei-
nes gemeinſchaftlichen Unterrichters deren Zehn unterhal-
ten, die weit eher in die Verſuchung, wo nicht in die Noth-
wendigkeit geſetzt werden, ſo viel herauszupreſſen als ſie
koſten und verzehren. Je angeſehener dergleichen Maͤn-
ner ſind, und ſchlechte wird man doch in der guten Ab-
ſicht ſeine Hinteraſſſen zu erhalten, nicht nehmen, deſto

mehr
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[170/0182] Schreiben eines Edelm. ohne Gerichtsbark. die Gerichts-Ordnung das Hauptwerk ſey, wovon man ſich nur nicht ausſchließen laſſen duͤrfe. Aber die Untergeichte ſagten Sie, o dieſes Kleinod geht uͤber alles. Dieſe bezahlen noch zu Zeiten ihren Mann, und die Herrn des Landes moͤgen immer den Galgen be- halten, wenn wir nur die Sporteln uud Strafen genieſ- ſen, welche mir jenen verknuͤpft ſind, oder wo wir auch den Vortheil nicht achten wollten, nur in dem Beſitze bleiben unſre Hinterſaſſen gegen die Pluͤnderungen und Plackereyen andrer Untergerichte zu ſchuͤtzen. Allein auch hierin kann ich Jhnen mein lieber Herr Nachbar ſo ſchlechterdings nicht beypflichten. Die Spor- teln und Strafen wollen wir nur gleich wegwerfen, ſie bringen ohne Pluͤnderung in einem kleinen Diſtricte ſelten ſo viel, als das Gehalt des Gerichtshalters ausmacht, und ich erinnere mich eines ſaͤchſiſchen Dorfs, worin alle 14 Tage Gericht gehalten, und des Mittages bey der Tafel geklaget wurde, daß heute nicht ſo viel eingekom- men waͤre, als der Brate betrug, welchen der Herr Ge- richtshalter mit verzehrte. Der Schutz Jhrer Hinterſaſ- ſen wuͤrde wichtiger ſeyn, wenn die gemeinſchaftlichen Un- tergerichte, welche wir im Lande mit Sporteln erhalten und natuͤrlicher Weiſe beſſer von vielen als von wenigen uͤbertragen laſſen koͤnnen, nothwendig pluͤndern muͤßten Dieſes iſt aber offenbar irrig, und wenn es geſchieht: ſo iſt dieſes ein Fehler, den wir dadurch nicht abwenden koͤnnen, und nicht abwenden ſollten, daß wir anſtatt Ei- nes gemeinſchaftlichen Unterrichters deren Zehn unterhal- ten, die weit eher in die Verſuchung, wo nicht in die Noth- wendigkeit geſetzt werden, ſo viel herauszupreſſen als ſie koſten und verzehren. Je angeſehener dergleichen Maͤn- ner ſind, und ſchlechte wird man doch in der guten Ab- ſicht ſeine Hinteraſſſen zu erhalten, nicht nehmen, deſto mehr

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/182>, abgerufen am 28.04.2024.