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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Nachschrift.
und reines Zeug überwerfe; und habe allemal einen
Scherz oder eine kleine Schmeicheley für meinen Mann
in Bereitschaft, sollte sie auch nur darinn bestehen, daß
er gestern Abend recht prophezeyhet habe, wie es diesen
Morgen regnen würde. Er muß es immer vorher ge-
wußt haben, was in der Haushaltungsbestellung gera-
then würde oder nicht; er ist es immer, den der Erfolg
rechtfertiget, wenn wir neues Gesinde bekommen haben,
das nach seinen physiognomischen Einsichten gut oder
schlecht einschlagen sollte; wäre ich ihm gefolgt, so wä-
ren wir unser Korn zu einem bessern Preise los geworden,
und wir wären besser mit dem Klaver als mit der Espar-
cette gefahren -- das weiß ich ihm alles so gut einzubrö-
keln, daß er die Kunst nicht merkt, und wenn er sie auch
durchschimmern sieht, mir den Dank für meine Mühe,
ein zufriedenes Wort, nicht versagt.

Damit ist der Tag angefangen; wir scheiden denn
gemeiniglich aus einander, und des Mittags habe ich
was neues. Wir haben uns froh verlassen und sehen
uns froh wieder. Einen kleinen Enkel von drey Jahren,
den wir bey uns haben, setze ich ihm an die Seite, das
ist dann seine Puppe, damit muß er spielen. Macht das
Kind etwas das ihm gefällt: so sage ich ihm, es sey der
leibliche Großpapa. Jst der Wein nicht gut: so bewun-
dre ich seinen feinen Geschmack, und lasse ihn glauben,
er sey aus einem neuen Fasse; findet er die Felderdbeern
wohlschmeckender, als diejenigen, so ich ihm aus dem
Garten vorgesetzt habe: so habe ich auf einem Nebenti-
sche auch von jenen für ihn in Bereitschaft. Schmeckt
ihm das Wasser vortreflich: so ist es aus der Quelle am
Berge, die er selbst hat öffnen lassen; und so mag er lo-
ben oder tadeln, ich mache ihm gleich ein Ragout daraus
nach seinem Geschmacke.

Das

Nachſchrift.
und reines Zeug uͤberwerfe; und habe allemal einen
Scherz oder eine kleine Schmeicheley fuͤr meinen Mann
in Bereitſchaft, ſollte ſie auch nur darinn beſtehen, daß
er geſtern Abend recht prophezeyhet habe, wie es dieſen
Morgen regnen wuͤrde. Er muß es immer vorher ge-
wußt haben, was in der Haushaltungsbeſtellung gera-
then wuͤrde oder nicht; er iſt es immer, den der Erfolg
rechtfertiget, wenn wir neues Geſinde bekommen haben,
das nach ſeinen phyſiognomiſchen Einſichten gut oder
ſchlecht einſchlagen ſollte; waͤre ich ihm gefolgt, ſo waͤ-
ren wir unſer Korn zu einem beſſern Preiſe los geworden,
und wir waͤren beſſer mit dem Klaver als mit der Eſpar-
cette gefahren — das weiß ich ihm alles ſo gut einzubroͤ-
keln, daß er die Kunſt nicht merkt, und wenn er ſie auch
durchſchimmern ſieht, mir den Dank fuͤr meine Muͤhe,
ein zufriedenes Wort, nicht verſagt.

Damit iſt der Tag angefangen; wir ſcheiden denn
gemeiniglich aus einander, und des Mittags habe ich
was neues. Wir haben uns froh verlaſſen und ſehen
uns froh wieder. Einen kleinen Enkel von drey Jahren,
den wir bey uns haben, ſetze ich ihm an die Seite, das
iſt dann ſeine Puppe, damit muß er ſpielen. Macht das
Kind etwas das ihm gefaͤllt: ſo ſage ich ihm, es ſey der
leibliche Großpapa. Jſt der Wein nicht gut: ſo bewun-
dre ich ſeinen feinen Geſchmack, und laſſe ihn glauben,
er ſey aus einem neuen Faſſe; findet er die Felderdbeern
wohlſchmeckender, als diejenigen, ſo ich ihm aus dem
Garten vorgeſetzt habe: ſo habe ich auf einem Nebenti-
ſche auch von jenen fuͤr ihn in Bereitſchaft. Schmeckt
ihm das Waſſer vortreflich: ſo iſt es aus der Quelle am
Berge, die er ſelbſt hat oͤffnen laſſen; und ſo mag er lo-
ben oder tadeln, ich mache ihm gleich ein Ragout daraus
nach ſeinem Geſchmacke.

Das
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[56/0068] Nachſchrift. und reines Zeug uͤberwerfe; und habe allemal einen Scherz oder eine kleine Schmeicheley fuͤr meinen Mann in Bereitſchaft, ſollte ſie auch nur darinn beſtehen, daß er geſtern Abend recht prophezeyhet habe, wie es dieſen Morgen regnen wuͤrde. Er muß es immer vorher ge- wußt haben, was in der Haushaltungsbeſtellung gera- then wuͤrde oder nicht; er iſt es immer, den der Erfolg rechtfertiget, wenn wir neues Geſinde bekommen haben, das nach ſeinen phyſiognomiſchen Einſichten gut oder ſchlecht einſchlagen ſollte; waͤre ich ihm gefolgt, ſo waͤ- ren wir unſer Korn zu einem beſſern Preiſe los geworden, und wir waͤren beſſer mit dem Klaver als mit der Eſpar- cette gefahren — das weiß ich ihm alles ſo gut einzubroͤ- keln, daß er die Kunſt nicht merkt, und wenn er ſie auch durchſchimmern ſieht, mir den Dank fuͤr meine Muͤhe, ein zufriedenes Wort, nicht verſagt. Damit iſt der Tag angefangen; wir ſcheiden denn gemeiniglich aus einander, und des Mittags habe ich was neues. Wir haben uns froh verlaſſen und ſehen uns froh wieder. Einen kleinen Enkel von drey Jahren, den wir bey uns haben, ſetze ich ihm an die Seite, das iſt dann ſeine Puppe, damit muß er ſpielen. Macht das Kind etwas das ihm gefaͤllt: ſo ſage ich ihm, es ſey der leibliche Großpapa. Jſt der Wein nicht gut: ſo bewun- dre ich ſeinen feinen Geſchmack, und laſſe ihn glauben, er ſey aus einem neuen Faſſe; findet er die Felderdbeern wohlſchmeckender, als diejenigen, ſo ich ihm aus dem Garten vorgeſetzt habe: ſo habe ich auf einem Nebenti- ſche auch von jenen fuͤr ihn in Bereitſchaft. Schmeckt ihm das Waſſer vortreflich: ſo iſt es aus der Quelle am Berge, die er ſelbſt hat oͤffnen laſſen; und ſo mag er lo- ben oder tadeln, ich mache ihm gleich ein Ragout daraus nach ſeinem Geſchmacke. Das

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/68>, abgerufen am 28.04.2024.