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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ERSTES BUCH. KAPITEL VI.
den Unterschied zwischen Bürgern und Insassen im Heer auf-
zuheben, so auch im Einzelnen alle Gegensätze gentilicischer
und localer Natur in der Einheit des römischen Volkes auf-
gehen zu machen.

Militärisch wurde die waffenfähige Mannschaft geschieden
in ein erstes und zweites Aufgebot, von denen jene, die ,Jün-
geren' vom achtzehnten bis zum fünfundvierzigsten Jahre, vor-
wiegend zum Felddienst verwandt wurden, während die ,Ael-
teren' die Mauern daheim schirmten. Die militärische Einheit
bildete in der Infanterie die Legion, eine vollständig hellenisch
gereihte und gerüstete Phalanx von dreitausend Mann, die
sechs Glieder hoch eine Fronte von fünfhundert Schwergerü-
steten bildeten; wozu dann noch zwölfhundert ,Ungerüstete'
(velites, wie velati) kamen. Die vier ersten Glieder jeder
Phalanx bildeten die vollgerüsteten Hopliten der ersten Klasse
oder der Vollhufner, im fünften und sechsten standen die
minder gerüsteten Bauern der zweiten und dritten Klasse; die
beiden letzten Klassen bildeten die Leichtbewaffneten. Für
die leichte Ausfüllung zufälliger Lücken, die der Phalanx so
verderblich sind, war gesorgt. Es dienten also in jeder Le-
gion 42 Centurien oder 4200 Mann, davon 3000 Hopliten,
2000 der ersten, je 500 der beiden folgenden Klassen, ferner
1200 Velites, davon 500 der vierten, 700 der fünften Klasse;
aus jedem Aushebungsbezirk enthielt die Legion 1050, die Cen-
turie 25 Mann. Regelmässig rückten zwei Legionen aus, während
zwei andere daheim den Besatzungsdienst versahen; wodurch
also der Normalbestand des Fussvolks auf vier Legionen oder
16800 Mann kamen, 80 Centurien der ersten, je 20 der drei
folgenden, 28 der letzten Klasse; ungerechnet die beiden Cen-
turien Ersatzmannschaft so wie die der Werk- und die der
Spielleute. Zu allen diesen kam die Reiterei, welche aus
1800 Pferden bestand, davon ein Drittel der alten Bürger-
schaft reservirt blieb; beim Auszug pflegten indess nur drei
Centurien jeder Legion beigegeben zu werden. Der Normal-
bestand des römischen Heeres ersten und zweiten Aufgebots
stieg sonach nahe an 20000 Mann; welche Zahl dem Effec-
tivbestand der römischen Waffenfähigen, wie er war zur Zeit
der Einführung dieser neuen Organisation, unzweifelhaft im
Allgemeinen entsprochen haben wird. Bei steigender Bevöl-
kerung wurde nicht die Zahl der Centurien vermehrt, sondern
man verstärkte durch zugegebene Leute die einzelnen Abthei-
lungen, ohne doch die Grundzahl ganz fallen zu lassen; wie

ERSTES BUCH. KAPITEL VI.
den Unterschied zwischen Bürgern und Insassen im Heer auf-
zuheben, so auch im Einzelnen alle Gegensätze gentilicischer
und localer Natur in der Einheit des römischen Volkes auf-
gehen zu machen.

Militärisch wurde die waffenfähige Mannschaft geschieden
in ein erstes und zweites Aufgebot, von denen jene, die ‚Jün-
geren‘ vom achtzehnten bis zum fünfundvierzigsten Jahre, vor-
wiegend zum Felddienst verwandt wurden, während die ‚Ael-
teren‘ die Mauern daheim schirmten. Die militärische Einheit
bildete in der Infanterie die Legion, eine vollständig hellenisch
gereihte und gerüstete Phalanx von dreitausend Mann, die
sechs Glieder hoch eine Fronte von fünfhundert Schwergerü-
steten bildeten; wozu dann noch zwölfhundert ‚Ungerüstete‘
(velites, wie velati) kamen. Die vier ersten Glieder jeder
Phalanx bildeten die vollgerüsteten Hopliten der ersten Klasse
oder der Vollhufner, im fünften und sechsten standen die
minder gerüsteten Bauern der zweiten und dritten Klasse; die
beiden letzten Klassen bildeten die Leichtbewaffneten. Für
die leichte Ausfüllung zufälliger Lücken, die der Phalanx so
verderblich sind, war gesorgt. Es dienten also in jeder Le-
gion 42 Centurien oder 4200 Mann, davon 3000 Hopliten,
2000 der ersten, je 500 der beiden folgenden Klassen, ferner
1200 Velites, davon 500 der vierten, 700 der fünften Klasse;
aus jedem Aushebungsbezirk enthielt die Legion 1050, die Cen-
turie 25 Mann. Regelmäſsig rückten zwei Legionen aus, während
zwei andere daheim den Besatzungsdienst versahen; wodurch
also der Normalbestand des Fuſsvolks auf vier Legionen oder
16800 Mann kamen, 80 Centurien der ersten, je 20 der drei
folgenden, 28 der letzten Klasse; ungerechnet die beiden Cen-
turien Ersatzmannschaft so wie die der Werk- und die der
Spielleute. Zu allen diesen kam die Reiterei, welche aus
1800 Pferden bestand, davon ein Drittel der alten Bürger-
schaft reservirt blieb; beim Auszug pflegten indeſs nur drei
Centurien jeder Legion beigegeben zu werden. Der Normal-
bestand des römischen Heeres ersten und zweiten Aufgebots
stieg sonach nahe an 20000 Mann; welche Zahl dem Effec-
tivbestand der römischen Waffenfähigen, wie er war zur Zeit
der Einführung dieser neuen Organisation, unzweifelhaft im
Allgemeinen entsprochen haben wird. Bei steigender Bevöl-
kerung wurde nicht die Zahl der Centurien vermehrt, sondern
man verstärkte durch zugegebene Leute die einzelnen Abthei-
lungen, ohne doch die Grundzahl ganz fallen zu lassen; wie

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[70/0084] ERSTES BUCH. KAPITEL VI. den Unterschied zwischen Bürgern und Insassen im Heer auf- zuheben, so auch im Einzelnen alle Gegensätze gentilicischer und localer Natur in der Einheit des römischen Volkes auf- gehen zu machen. Militärisch wurde die waffenfähige Mannschaft geschieden in ein erstes und zweites Aufgebot, von denen jene, die ‚Jün- geren‘ vom achtzehnten bis zum fünfundvierzigsten Jahre, vor- wiegend zum Felddienst verwandt wurden, während die ‚Ael- teren‘ die Mauern daheim schirmten. Die militärische Einheit bildete in der Infanterie die Legion, eine vollständig hellenisch gereihte und gerüstete Phalanx von dreitausend Mann, die sechs Glieder hoch eine Fronte von fünfhundert Schwergerü- steten bildeten; wozu dann noch zwölfhundert ‚Ungerüstete‘ (velites, wie velati) kamen. Die vier ersten Glieder jeder Phalanx bildeten die vollgerüsteten Hopliten der ersten Klasse oder der Vollhufner, im fünften und sechsten standen die minder gerüsteten Bauern der zweiten und dritten Klasse; die beiden letzten Klassen bildeten die Leichtbewaffneten. Für die leichte Ausfüllung zufälliger Lücken, die der Phalanx so verderblich sind, war gesorgt. Es dienten also in jeder Le- gion 42 Centurien oder 4200 Mann, davon 3000 Hopliten, 2000 der ersten, je 500 der beiden folgenden Klassen, ferner 1200 Velites, davon 500 der vierten, 700 der fünften Klasse; aus jedem Aushebungsbezirk enthielt die Legion 1050, die Cen- turie 25 Mann. Regelmäſsig rückten zwei Legionen aus, während zwei andere daheim den Besatzungsdienst versahen; wodurch also der Normalbestand des Fuſsvolks auf vier Legionen oder 16800 Mann kamen, 80 Centurien der ersten, je 20 der drei folgenden, 28 der letzten Klasse; ungerechnet die beiden Cen- turien Ersatzmannschaft so wie die der Werk- und die der Spielleute. Zu allen diesen kam die Reiterei, welche aus 1800 Pferden bestand, davon ein Drittel der alten Bürger- schaft reservirt blieb; beim Auszug pflegten indeſs nur drei Centurien jeder Legion beigegeben zu werden. Der Normal- bestand des römischen Heeres ersten und zweiten Aufgebots stieg sonach nahe an 20000 Mann; welche Zahl dem Effec- tivbestand der römischen Waffenfähigen, wie er war zur Zeit der Einführung dieser neuen Organisation, unzweifelhaft im Allgemeinen entsprochen haben wird. Bei steigender Bevöl- kerung wurde nicht die Zahl der Centurien vermehrt, sondern man verstärkte durch zugegebene Leute die einzelnen Abthei- lungen, ohne doch die Grundzahl ganz fallen zu lassen; wie

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/84>, abgerufen am 29.04.2024.