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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL VI.
musste im praktischen Parteitreiben hievon sich überzeugen und
also reifte in ihm der verhängnissvolle Entschluss diese Heeres-
maschine selbst der bürgerlichen Ordnung dienstbar zu machen
und das ideale Gemeinwesen, wie er es im Sinne trug, durch
Condottiergewalt aufzurichten. In dieser Absicht schloss er im
J. 683 den Bund mit den Generalen der Gegenpartei, welcher,
ungeachtet dieselben das demokratische Programm acceptirt hat-
ten, doch die Demokratie und Caesar selbst an den Rand des
Unterganges führte. In der gleichen Absicht trat elf Jahre später
er selber als Condottier auf. Es geschah in beiden Fällen mit einer
gewissen Naivetät, mit dem guten Glauben an die Möglichkeit ein
freies Gemeinwesen wo nicht durch fremde, doch durch den eige-
nen Säbel begründen zu können. Man sieht es ohne Mühe ein,
dass dieser Glaube trog und dass Niemand den bösen Geist zum
Diener nimmt, ohne ihm selbst zum Knecht zu werden; aber
die grössten Männer sind nicht die, welche am wenigsten irren.
Wenn noch nach Jahrtausenden wir ehrfurchtsvoll uns neigen
vor dem, was Caesar gewollt und gethan hat, so liegt die Ursache
nicht darin, dass er eine Krone begehrt und gewonnen hat, was
an sich so wenig etwas Grosses ist wie die Krone selbst, sondern
darin, dass sein mächtiges Ideal: eines freien Gemeinwesens un-
ter einem Monarchen -- ihn nie verlassen und auch als Monarchen
ihn davor bewahrt hat in das gemeine Königthum zu versinken.

Ohne Schwierigkeit ward von den vereinigten Parteien Cae-
sars Wahl zum Consul für das Jahr 695 durchgesetzt. Da seine
Wahl nicht zu hindern war, musste die Aristokratie sich begnü-
gen ihm in der Person des Marcus Bibulus einen Collegen zu-
zugesellen, dessen bornirter Starrsinn in ihren Kreisen als con-
servative Energie betrachtet ward. Durch einen selbst in dieser
Zeit tiefster Corruption Aufsehen erregenden Stimmenkauf, wo-
für die gesammte Aristokratie die Mittel zusammenschoss, wurde
Bibulus Wahl durchgesetzt und an seinem guten Willen wenig-
stens lag es nicht, wenn die vornehmen Herren ihre patriotischen
Auslagen nicht wieder herausbekamen. -- Caesar brachte zu-
nächst die Begehren seiner Verbündeten zur Verhandlung, unter
denen die Landanweisung an die Veteranen des asiatischen Hee-
res bei weitem das wichtigste war. Das zu diesem Ende von Cae-
sar entworfene Ackergesetz hielt im Allgemeinen fest an den
Grundzügen, wie sie in dem das Jahr zuvor in Pompeius Auftrag
eingebrachten, aber gescheiterten Gesetzentwurf aufgestellt wor-
den waren (S. 188). Zur Vertheilung ward nur das italische Do-
manialland bestimmt, das heisst wesentlich das Gebiet von Capua,

FÜNFTES BUCH. KAPITEL VI.
muſste im praktischen Parteitreiben hievon sich überzeugen und
also reifte in ihm der verhängniſsvolle Entschluſs diese Heeres-
maschine selbst der bürgerlichen Ordnung dienstbar zu machen
und das ideale Gemeinwesen, wie er es im Sinne trug, durch
Condottiergewalt aufzurichten. In dieser Absicht schloſs er im
J. 683 den Bund mit den Generalen der Gegenpartei, welcher,
ungeachtet dieselben das demokratische Programm acceptirt hat-
ten, doch die Demokratie und Caesar selbst an den Rand des
Unterganges führte. In der gleichen Absicht trat elf Jahre später
er selber als Condottier auf. Es geschah in beiden Fällen mit einer
gewissen Naivetät, mit dem guten Glauben an die Möglichkeit ein
freies Gemeinwesen wo nicht durch fremde, doch durch den eige-
nen Säbel begründen zu können. Man sieht es ohne Mühe ein,
daſs dieser Glaube trog und daſs Niemand den bösen Geist zum
Diener nimmt, ohne ihm selbst zum Knecht zu werden; aber
die gröſsten Männer sind nicht die, welche am wenigsten irren.
Wenn noch nach Jahrtausenden wir ehrfurchtsvoll uns neigen
vor dem, was Caesar gewollt und gethan hat, so liegt die Ursache
nicht darin, daſs er eine Krone begehrt und gewonnen hat, was
an sich so wenig etwas Groſses ist wie die Krone selbst, sondern
darin, daſs sein mächtiges Ideal: eines freien Gemeinwesens un-
ter einem Monarchen — ihn nie verlassen und auch als Monarchen
ihn davor bewahrt hat in das gemeine Königthum zu versinken.

Ohne Schwierigkeit ward von den vereinigten Parteien Cae-
sars Wahl zum Consul für das Jahr 695 durchgesetzt. Da seine
Wahl nicht zu hindern war, muſste die Aristokratie sich begnü-
gen ihm in der Person des Marcus Bibulus einen Collegen zu-
zugesellen, dessen bornirter Starrsinn in ihren Kreisen als con-
servative Energie betrachtet ward. Durch einen selbst in dieser
Zeit tiefster Corruption Aufsehen erregenden Stimmenkauf, wo-
für die gesammte Aristokratie die Mittel zusammenschoſs, wurde
Bibulus Wahl durchgesetzt und an seinem guten Willen wenig-
stens lag es nicht, wenn die vornehmen Herren ihre patriotischen
Auslagen nicht wieder herausbekamen. — Caesar brachte zu-
nächst die Begehren seiner Verbündeten zur Verhandlung, unter
denen die Landanweisung an die Veteranen des asiatischen Hee-
res bei weitem das wichtigste war. Das zu diesem Ende von Cae-
sar entworfene Ackergesetz hielt im Allgemeinen fest an den
Grundzügen, wie sie in dem das Jahr zuvor in Pompeius Auftrag
eingebrachten, aber gescheiterten Gesetzentwurf aufgestellt wor-
den waren (S. 188). Zur Vertheilung ward nur das italische Do-
manialland bestimmt, das heiſst wesentlich das Gebiet von Capua,

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[192/0202] FÜNFTES BUCH. KAPITEL VI. muſste im praktischen Parteitreiben hievon sich überzeugen und also reifte in ihm der verhängniſsvolle Entschluſs diese Heeres- maschine selbst der bürgerlichen Ordnung dienstbar zu machen und das ideale Gemeinwesen, wie er es im Sinne trug, durch Condottiergewalt aufzurichten. In dieser Absicht schloſs er im J. 683 den Bund mit den Generalen der Gegenpartei, welcher, ungeachtet dieselben das demokratische Programm acceptirt hat- ten, doch die Demokratie und Caesar selbst an den Rand des Unterganges führte. In der gleichen Absicht trat elf Jahre später er selber als Condottier auf. Es geschah in beiden Fällen mit einer gewissen Naivetät, mit dem guten Glauben an die Möglichkeit ein freies Gemeinwesen wo nicht durch fremde, doch durch den eige- nen Säbel begründen zu können. Man sieht es ohne Mühe ein, daſs dieser Glaube trog und daſs Niemand den bösen Geist zum Diener nimmt, ohne ihm selbst zum Knecht zu werden; aber die gröſsten Männer sind nicht die, welche am wenigsten irren. Wenn noch nach Jahrtausenden wir ehrfurchtsvoll uns neigen vor dem, was Caesar gewollt und gethan hat, so liegt die Ursache nicht darin, daſs er eine Krone begehrt und gewonnen hat, was an sich so wenig etwas Groſses ist wie die Krone selbst, sondern darin, daſs sein mächtiges Ideal: eines freien Gemeinwesens un- ter einem Monarchen — ihn nie verlassen und auch als Monarchen ihn davor bewahrt hat in das gemeine Königthum zu versinken. Ohne Schwierigkeit ward von den vereinigten Parteien Cae- sars Wahl zum Consul für das Jahr 695 durchgesetzt. Da seine Wahl nicht zu hindern war, muſste die Aristokratie sich begnü- gen ihm in der Person des Marcus Bibulus einen Collegen zu- zugesellen, dessen bornirter Starrsinn in ihren Kreisen als con- servative Energie betrachtet ward. Durch einen selbst in dieser Zeit tiefster Corruption Aufsehen erregenden Stimmenkauf, wo- für die gesammte Aristokratie die Mittel zusammenschoſs, wurde Bibulus Wahl durchgesetzt und an seinem guten Willen wenig- stens lag es nicht, wenn die vornehmen Herren ihre patriotischen Auslagen nicht wieder herausbekamen. — Caesar brachte zu- nächst die Begehren seiner Verbündeten zur Verhandlung, unter denen die Landanweisung an die Veteranen des asiatischen Hee- res bei weitem das wichtigste war. Das zu diesem Ende von Cae- sar entworfene Ackergesetz hielt im Allgemeinen fest an den Grundzügen, wie sie in dem das Jahr zuvor in Pompeius Auftrag eingebrachten, aber gescheiterten Gesetzentwurf aufgestellt wor- den waren (S. 188). Zur Vertheilung ward nur das italische Do- manialland bestimmt, das heiſst wesentlich das Gebiet von Capua,

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/202>, abgerufen am 30.04.2024.