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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
jeder der Sympathien mit dem Feinde verdächtigen Gemeinde die
Bürgerschaft ausgerottet und die Stadt niedergebrannt werden
müsse, und führte auch in einigen Fällen, zum Beispiel gegen das
unglückliche Vaga bei Hadrumetum, diese Theorie in der That
praktisch durch. Nur Cato bewirkte es durch seinen energischen
Widerspruch, dass die Hauptstadt der Provinz, das blühende Utica,
eben wie einst Karthago von den numidischen Königen längst mit
schelem Auge angesehen, nicht von König Juba dieselbe Behand-
lung erfuhr, und man gegen die allerdings nicht mit Unrecht der
Hinneigung zu Caesar beschuldigte Bürgerschaft mit Vorsichts-
massregeln sich begnügte. -- Da weder Caesar selbst noch einer
seiner Statthalter das Geringste gegen Africa unternahm, so hatte
man vollkommen Zeit sich dort politisch und militärisch zu reor-
ganisiren. Vor allem war es nothwendig die durch Pompeius Tod
erledigte Oberfeldherrnstelle aufs Neue zu beetzen. König Juba
hatte nicht übel Lust die Stellung, die er bisher in Africa gehabt,
auch ferner zu behaupten; wie er denn überhaupt nicht mehr
als Client der Römer, sondern als gleichberechtigter Verbündeter
oder gar als Schutzherr auftrat und zum Beispiel es sich heraus-
nahm römisches Courantgeld mit seinem Namen und Wappen
zu schlagen, ja sogar den Anspruch erhob allein im Lager den
Purpur zu führen und den römischen Heerführern ansann den
purpurnen Feldherrnmantel abzulegen. Metellus Scipio ferner
forderte den Oberbefehl für sich, weil Pompeius ihn, mehr
aus schwiegersöhnlichen als aus militärischen Rücksichten, im
thessalischen Feldzug als sich gleich berechtigt anerkannt hatte.
Die gleiche Forderung erhob Varus als -- freilich selbsternann-
ter -- Statthalter von Africa, da der Krieg in seiner Provinz
geführt werden sollte. Endlich die Armee begehrte zum Führer
den Proprätor Marcus Cato. Offenbar hatte sie Recht. Cato war
der einzige Mann, der für das schwere Amt die erforderliche Hin-
gebung, Energie und Autorität besass; wenn er kein Militär war,
so war es doch unendlich besser einen Nichtmilitär, der sich zu
bescheiden und seine Unterfeldherrn handeln zu lassen verstand,
als einen Offizier von unerprobter Fähigkeit wie Varus oder gar
einen von erprobter Unfähigkeit wie Metellus Scipio zum Ober-
feldherrn zu bestellen. Indess die Entscheidung fiel schliesslich
auf eben diesen Scipio, und Cato selbst war es, der sie im We-
sentlichen bestimmte. Es geschah dies nicht, weil er jener Auf-
gabe sich nicht gewachsen fühlte oder weil seine Eitelkeit bei dem
Ausschlagen mehr ihre Rechnung fand als bei dem Annehmen;
noch weniger weil er Scipio liebte oder achtete, mit dem er viel-

FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
jeder der Sympathien mit dem Feinde verdächtigen Gemeinde die
Bürgerschaft ausgerottet und die Stadt niedergebrannt werden
müsse, und führte auch in einigen Fällen, zum Beispiel gegen das
unglückliche Vaga bei Hadrumetum, diese Theorie in der That
praktisch durch. Nur Cato bewirkte es durch seinen energischen
Widerspruch, daſs die Hauptstadt der Provinz, das blühende Utica,
eben wie einst Karthago von den numidischen Königen längst mit
schelem Auge angesehen, nicht von König Juba dieselbe Behand-
lung erfuhr, und man gegen die allerdings nicht mit Unrecht der
Hinneigung zu Caesar beschuldigte Bürgerschaft mit Vorsichts-
maſsregeln sich begnügte. — Da weder Caesar selbst noch einer
seiner Statthalter das Geringste gegen Africa unternahm, so hatte
man vollkommen Zeit sich dort politisch und militärisch zu reor-
ganisiren. Vor allem war es nothwendig die durch Pompeius Tod
erledigte Oberfeldherrnstelle aufs Neue zu beetzen. König Juba
hatte nicht übel Lust die Stellung, die er bisher in Africa gehabt,
auch ferner zu behaupten; wie er denn überhaupt nicht mehr
als Client der Römer, sondern als gleichberechtigter Verbündeter
oder gar als Schutzherr auftrat und zum Beispiel es sich heraus-
nahm römisches Courantgeld mit seinem Namen und Wappen
zu schlagen, ja sogar den Anspruch erhob allein im Lager den
Purpur zu führen und den römischen Heerführern ansann den
purpurnen Feldherrnmantel abzulegen. Metellus Scipio ferner
forderte den Oberbefehl für sich, weil Pompeius ihn, mehr
aus schwiegersöhnlichen als aus militärischen Rücksichten, im
thessalischen Feldzug als sich gleich berechtigt anerkannt hatte.
Die gleiche Forderung erhob Varus als — freilich selbsternann-
ter — Statthalter von Africa, da der Krieg in seiner Provinz
geführt werden sollte. Endlich die Armee begehrte zum Führer
den Proprätor Marcus Cato. Offenbar hatte sie Recht. Cato war
der einzige Mann, der für das schwere Amt die erforderliche Hin-
gebung, Energie und Autorität besaſs; wenn er kein Militär war,
so war es doch unendlich besser einen Nichtmilitär, der sich zu
bescheiden und seine Unterfeldherrn handeln zu lassen verstand,
als einen Offizier von unerprobter Fähigkeit wie Varus oder gar
einen von erprobter Unfähigkeit wie Metellus Scipio zum Ober-
feldherrn zu bestellen. Indeſs die Entscheidung fiel schlieſslich
auf eben diesen Scipio, und Cato selbst war es, der sie im We-
sentlichen bestimmte. Es geschah dies nicht, weil er jener Auf-
gabe sich nicht gewachsen fühlte oder weil seine Eitelkeit bei dem
Ausschlagen mehr ihre Rechnung fand als bei dem Annehmen;
noch weniger weil er Scipio liebte oder achtete, mit dem er viel-

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[414/0424] FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. jeder der Sympathien mit dem Feinde verdächtigen Gemeinde die Bürgerschaft ausgerottet und die Stadt niedergebrannt werden müsse, und führte auch in einigen Fällen, zum Beispiel gegen das unglückliche Vaga bei Hadrumetum, diese Theorie in der That praktisch durch. Nur Cato bewirkte es durch seinen energischen Widerspruch, daſs die Hauptstadt der Provinz, das blühende Utica, eben wie einst Karthago von den numidischen Königen längst mit schelem Auge angesehen, nicht von König Juba dieselbe Behand- lung erfuhr, und man gegen die allerdings nicht mit Unrecht der Hinneigung zu Caesar beschuldigte Bürgerschaft mit Vorsichts- maſsregeln sich begnügte. — Da weder Caesar selbst noch einer seiner Statthalter das Geringste gegen Africa unternahm, so hatte man vollkommen Zeit sich dort politisch und militärisch zu reor- ganisiren. Vor allem war es nothwendig die durch Pompeius Tod erledigte Oberfeldherrnstelle aufs Neue zu beetzen. König Juba hatte nicht übel Lust die Stellung, die er bisher in Africa gehabt, auch ferner zu behaupten; wie er denn überhaupt nicht mehr als Client der Römer, sondern als gleichberechtigter Verbündeter oder gar als Schutzherr auftrat und zum Beispiel es sich heraus- nahm römisches Courantgeld mit seinem Namen und Wappen zu schlagen, ja sogar den Anspruch erhob allein im Lager den Purpur zu führen und den römischen Heerführern ansann den purpurnen Feldherrnmantel abzulegen. Metellus Scipio ferner forderte den Oberbefehl für sich, weil Pompeius ihn, mehr aus schwiegersöhnlichen als aus militärischen Rücksichten, im thessalischen Feldzug als sich gleich berechtigt anerkannt hatte. Die gleiche Forderung erhob Varus als — freilich selbsternann- ter — Statthalter von Africa, da der Krieg in seiner Provinz geführt werden sollte. Endlich die Armee begehrte zum Führer den Proprätor Marcus Cato. Offenbar hatte sie Recht. Cato war der einzige Mann, der für das schwere Amt die erforderliche Hin- gebung, Energie und Autorität besaſs; wenn er kein Militär war, so war es doch unendlich besser einen Nichtmilitär, der sich zu bescheiden und seine Unterfeldherrn handeln zu lassen verstand, als einen Offizier von unerprobter Fähigkeit wie Varus oder gar einen von erprobter Unfähigkeit wie Metellus Scipio zum Ober- feldherrn zu bestellen. Indeſs die Entscheidung fiel schlieſslich auf eben diesen Scipio, und Cato selbst war es, der sie im We- sentlichen bestimmte. Es geschah dies nicht, weil er jener Auf- gabe sich nicht gewachsen fühlte oder weil seine Eitelkeit bei dem Ausschlagen mehr ihre Rechnung fand als bei dem Annehmen; noch weniger weil er Scipio liebte oder achtete, mit dem er viel-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/424>, abgerufen am 21.05.2024.