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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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REPUBLIK UND MONARCHIE.
Caesars Rationalismus ein Punct, wo er mit dem Mysticismus
gewissermassen sich berührte. -- Aus einer solchen Anlage
konnte nur ein Staatsmann hervorgehen. Von früher Jugend an
war denn auch Caesar ein Staatsmann im tiefsten Sinne des
Wortes und sein Ziel das höchste, das dem Menschen gestattet
ist sich zu stecken: die politische, militärische, geistige und
sittliche Wiedergeburt der tiefgesunkenen eigenen und der noch
tiefer gesunkenen mit der seinigen innig verschwisterten helleni-
schen Nation. Die bittere Schule dreissigjähriger Erfahrungen
änderte seine Ansichten über die Mittel, wie dies Ziel zu errei-
chen sei; das Ziel blieb ihm dasselbe in den Zeiten hoffnungs-
loser Erniedrigung wie unbegrenzter Machtvollkommenheit, in
den Zeiten, wo er als Demagog und Verschworner auf dunk-
len Wegen zu ihm hinschlich, wie da er als Mitinhaber der höch-
sten Gewalt und sodann als Monarch vor den Augen einer Welt
im vollen Sonnenschein an seinem Werke schuf. Alle zu den
verschiedensten Zeiten von ihm ausgegangene Massregeln blei-
bender Art ordnen in den grossen Bauplan zweckmässig sich
ein. Von einzelnen Leistungen Caesars sollte darum eigentlich
nicht geredet werden; er hat nichts Einzelnes geschaffen. Mit
Recht rühmt man den Redner Caesar wegen seiner aller Ad-
vokatenkunst spottenden männlichen Beredsamkeit, die wie die
klare Flamme zugleich erleuchtete und erwärmte. Mit Recht be-
wundert man an dem Schriftsteller Caesar die unnachahmliche
Einfachheit der Composition, die einzige Reinheit und Schönheit
der Sprache. Mit Recht haben die grössten Kriegsmeister aller
Zeiten den Feldherrn Caesar gepriesen, der wie kein anderer
ungeirrt von Routine und Tradition immer daran festhielt, dass
immer diejenige Kriegführung die rechte ist, durch welche in dem
gegebenen Falle der Feind besiegt wird; der mit divinatorischer
Sicherheit für jeden Zweck das rechte Mittel fand; der nach der
Niederlage schlagfertig dastand wie Wilhelm von Oranien und
mit dem Siege ohne Ausnahme den Feldzug beendigte; der das
Element der Kriegführung, dessen Behandlung das militärische
Genie von der gewöhnlichen Offiziertüchtigkeit unterscheidet, die
rasche Beweglichkeit der Massen, mit unübertroffener Vollkom-
menheit handhabte und der massenhaften Streitmacht die mo-
bile, den zeitverderbenden Vorbereitungen das rasche Handeln
selbst mit unzulänglichen Mitteln bis zur Verwegenheit vor-
zog. Allein alles dieses ist bei Caesar nur Nebensache; er war
zwar ein grosser Redner, Schriftsteller und Feldherr, aber jedes
davon ist er nur geworden, weil er ein vollendeter Staatsmann

REPUBLIK UND MONARCHIE.
Caesars Rationalismus ein Punct, wo er mit dem Mysticismus
gewissermaſsen sich berührte. — Aus einer solchen Anlage
konnte nur ein Staatsmann hervorgehen. Von früher Jugend an
war denn auch Caesar ein Staatsmann im tiefsten Sinne des
Wortes und sein Ziel das höchste, das dem Menschen gestattet
ist sich zu stecken: die politische, militärische, geistige und
sittliche Wiedergeburt der tiefgesunkenen eigenen und der noch
tiefer gesunkenen mit der seinigen innig verschwisterten helleni-
schen Nation. Die bittere Schule dreiſsigjähriger Erfahrungen
änderte seine Ansichten über die Mittel, wie dies Ziel zu errei-
chen sei; das Ziel blieb ihm dasselbe in den Zeiten hoffnungs-
loser Erniedrigung wie unbegrenzter Machtvollkommenheit, in
den Zeiten, wo er als Demagog und Verschworner auf dunk-
len Wegen zu ihm hinschlich, wie da er als Mitinhaber der höch-
sten Gewalt und sodann als Monarch vor den Augen einer Welt
im vollen Sonnenschein an seinem Werke schuf. Alle zu den
verschiedensten Zeiten von ihm ausgegangene Maſsregeln blei-
bender Art ordnen in den groſsen Bauplan zweckmäſsig sich
ein. Von einzelnen Leistungen Caesars sollte darum eigentlich
nicht geredet werden; er hat nichts Einzelnes geschaffen. Mit
Recht rühmt man den Redner Caesar wegen seiner aller Ad-
vokatenkunst spottenden männlichen Beredsamkeit, die wie die
klare Flamme zugleich erleuchtete und erwärmte. Mit Recht be-
wundert man an dem Schriftsteller Caesar die unnachahmliche
Einfachheit der Composition, die einzige Reinheit und Schönheit
der Sprache. Mit Recht haben die gröſsten Kriegsmeister aller
Zeiten den Feldherrn Caesar gepriesen, der wie kein anderer
ungeirrt von Routine und Tradition immer daran festhielt, daſs
immer diejenige Kriegführung die rechte ist, durch welche in dem
gegebenen Falle der Feind besiegt wird; der mit divinatorischer
Sicherheit für jeden Zweck das rechte Mittel fand; der nach der
Niederlage schlagfertig dastand wie Wilhelm von Oranien und
mit dem Siege ohne Ausnahme den Feldzug beendigte; der das
Element der Kriegführung, dessen Behandlung das militärische
Genie von der gewöhnlichen Offiziertüchtigkeit unterscheidet, die
rasche Beweglichkeit der Massen, mit unübertroffener Vollkom-
menheit handhabte und der massenhaften Streitmacht die mo-
bile, den zeitverderbenden Vorbereitungen das rasche Handeln
selbst mit unzulänglichen Mitteln bis zur Verwegenheit vor-
zog. Allein alles dieses ist bei Caesar nur Nebensache; er war
zwar ein groſser Redner, Schriftsteller und Feldherr, aber jedes
davon ist er nur geworden, weil er ein vollendeter Staatsmann

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[431/0441] REPUBLIK UND MONARCHIE. Caesars Rationalismus ein Punct, wo er mit dem Mysticismus gewissermaſsen sich berührte. — Aus einer solchen Anlage konnte nur ein Staatsmann hervorgehen. Von früher Jugend an war denn auch Caesar ein Staatsmann im tiefsten Sinne des Wortes und sein Ziel das höchste, das dem Menschen gestattet ist sich zu stecken: die politische, militärische, geistige und sittliche Wiedergeburt der tiefgesunkenen eigenen und der noch tiefer gesunkenen mit der seinigen innig verschwisterten helleni- schen Nation. Die bittere Schule dreiſsigjähriger Erfahrungen änderte seine Ansichten über die Mittel, wie dies Ziel zu errei- chen sei; das Ziel blieb ihm dasselbe in den Zeiten hoffnungs- loser Erniedrigung wie unbegrenzter Machtvollkommenheit, in den Zeiten, wo er als Demagog und Verschworner auf dunk- len Wegen zu ihm hinschlich, wie da er als Mitinhaber der höch- sten Gewalt und sodann als Monarch vor den Augen einer Welt im vollen Sonnenschein an seinem Werke schuf. Alle zu den verschiedensten Zeiten von ihm ausgegangene Maſsregeln blei- bender Art ordnen in den groſsen Bauplan zweckmäſsig sich ein. Von einzelnen Leistungen Caesars sollte darum eigentlich nicht geredet werden; er hat nichts Einzelnes geschaffen. Mit Recht rühmt man den Redner Caesar wegen seiner aller Ad- vokatenkunst spottenden männlichen Beredsamkeit, die wie die klare Flamme zugleich erleuchtete und erwärmte. Mit Recht be- wundert man an dem Schriftsteller Caesar die unnachahmliche Einfachheit der Composition, die einzige Reinheit und Schönheit der Sprache. Mit Recht haben die gröſsten Kriegsmeister aller Zeiten den Feldherrn Caesar gepriesen, der wie kein anderer ungeirrt von Routine und Tradition immer daran festhielt, daſs immer diejenige Kriegführung die rechte ist, durch welche in dem gegebenen Falle der Feind besiegt wird; der mit divinatorischer Sicherheit für jeden Zweck das rechte Mittel fand; der nach der Niederlage schlagfertig dastand wie Wilhelm von Oranien und mit dem Siege ohne Ausnahme den Feldzug beendigte; der das Element der Kriegführung, dessen Behandlung das militärische Genie von der gewöhnlichen Offiziertüchtigkeit unterscheidet, die rasche Beweglichkeit der Massen, mit unübertroffener Vollkom- menheit handhabte und der massenhaften Streitmacht die mo- bile, den zeitverderbenden Vorbereitungen das rasche Handeln selbst mit unzulänglichen Mitteln bis zur Verwegenheit vor- zog. Allein alles dieses ist bei Caesar nur Nebensache; er war zwar ein groſser Redner, Schriftsteller und Feldherr, aber jedes davon ist er nur geworden, weil er ein vollendeter Staatsmann

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/441>, abgerufen am 29.04.2024.