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Morhof, Daniel Georg: Unterricht Von Der Teutschen Sprache und Poesie. Kiel, 1682.

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Helden-Getichten.
gen davon abgehalten/ daß sie kein
Werck zur Vollenkommenheit bringen
können. Dann wem ist eben gelegen
seine gantze Lebens Zeit an solche Bemü-
hung zu verwenden/ dessen keine Beloh-
nung zu hoffen/ davon auch wenige recht
urtheilen können. Wanre Augustus kein
Liebhaber solcher Wercke gewesen/ es
hätte Virgilius vielleicht niemahlen was
geschrieben/ und uns so unvergleichliches
Werck hinterlassen. Es ist eine Sache
von langem Nachsinnen/ welches man
nicht so vor die lange Weile schreiben kan:
sondern da muß das gantze Systema woll
außgedacht/ die Erfindung sonderlich/
die Außbildung nachdrücklich und ver-
stanndig/ die Rede gebührlich erhöhet
sein/ jedoch daß sie nicht frech/ wild und
wind brechrisch werde. Worin wenige
sich zu mässigen wissen. Es ist zwischen
einem kleinen Carmine, und einem grossen
Helden-Getichte/ ein unterscheid/ wie
zwischen einem Konniglichen Pallast/ und
kleinen Hause. Der in den kleinen biß-

wei-

Helden-Getichten.
gen davon abgehalten/ daß ſie kein
Werck zur Vollenkommenheit bringen
koͤnnen. Dann wem iſt eben gelegen
ſeine gantze Lebens Zeit an ſolche Bemuͤ-
hung zu verwenden/ deſſen keine Beloh-
nung zu hoffen/ davon auch wenige recht
urtheilen koͤnnen. Wāre Auguſtus kein
Liebhaber ſolcher Wercke geweſen/ es
haͤtte Virgilius vielleicht niemahlen was
geſchrieben/ und uns ſo unvergleichliches
Werck hinterlaſſen. Es iſt eine Sache
von langem Nachſinnen/ welches man
nicht ſo vor die lange Weile ſchreiben kan:
ſondern da muß das gantze Syſtema woll
außgedacht/ die Erfindung ſonderlich/
die Außbildung nachdruͤcklich und ver-
ſtāndig/ die Rede gebuͤhrlich erhoͤhet
ſein/ jedoch daß ſie nicht frech/ wild und
wind brechriſch werde. Worin wenige
ſich zu maͤſſigen wiſſen. Es iſt zwiſchen
einem kleinen Carmine, und einem groſſen
Helden-Getichte/ ein unterſcheid/ wie
zwiſchen einem Kōniglichen Pallaſt/ und
kleinen Hauſe. Der in den kleinen biß-

wei-
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[683/0695] Helden-Getichten. gen davon abgehalten/ daß ſie kein Werck zur Vollenkommenheit bringen koͤnnen. Dann wem iſt eben gelegen ſeine gantze Lebens Zeit an ſolche Bemuͤ- hung zu verwenden/ deſſen keine Beloh- nung zu hoffen/ davon auch wenige recht urtheilen koͤnnen. Wāre Auguſtus kein Liebhaber ſolcher Wercke geweſen/ es haͤtte Virgilius vielleicht niemahlen was geſchrieben/ und uns ſo unvergleichliches Werck hinterlaſſen. Es iſt eine Sache von langem Nachſinnen/ welches man nicht ſo vor die lange Weile ſchreiben kan: ſondern da muß das gantze Syſtema woll außgedacht/ die Erfindung ſonderlich/ die Außbildung nachdruͤcklich und ver- ſtāndig/ die Rede gebuͤhrlich erhoͤhet ſein/ jedoch daß ſie nicht frech/ wild und wind brechriſch werde. Worin wenige ſich zu maͤſſigen wiſſen. Es iſt zwiſchen einem kleinen Carmine, und einem groſſen Helden-Getichte/ ein unterſcheid/ wie zwiſchen einem Kōniglichen Pallaſt/ und kleinen Hauſe. Der in den kleinen biß- wei-

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Zitationshilfe: Morhof, Daniel Georg: Unterricht Von Der Teutschen Sprache und Poesie. Kiel, 1682, S. 683. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/morhof_unterricht_1682/695>, abgerufen am 29.04.2024.