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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.

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leichtes natürliches Zeichen vertritt beinahe die Stelle eines Worts.

Aber man muß nothwendig wiederum hiermit zusammennehmen, was Herr Nikolai im dritten Stück des zweiten Bandes dieses Magazins S. 90 in seinem Aufsatze über das Taubstummeninstitut in Wien, als selbstgemachte Beobachtung, erzählt: daß immer eine große unvermeidliche Schwierigkeit bei der Zeichensprache statt findet, wenn dasjenige nun selbst als Sache bezeichnet werden soll, dessen man sich sonst bloß als symbolischen Zeichens bedienet.

Der Taubstumme bezeichnet z.B. einen Arzt durch einen Griff mit der Hand an den Puls, was bleibt ihm nun übrig, das wirkliche an den Puls greifen des Arztes zu bezeichnen. Das Wort Arzt besteht aus einigen an und für sich unbedeutenden Tönen, a, r, z, t, die durch die Zusammensetzung erst Bedeutung erhalten. -- Man betrachtet hier das Zeichen der Sache nur in einer einzigen, nehmlich in der grammatikalischen Rücksicht, selbst als Sache -- es ist aber nicht dazu bestimmt, um Sache, sondern nur um Zeichen zu seyn; als Sache findet es bloß in unsrer Spekulation statt.

Jedes der pantomimischen Zeichen hingegen kann und muß zuweilen selbst als Sache wieder betrachtet werden -- und dann ist Verwirrung zwischen Zeichen und Begriff fast unvermeidlich,


leichtes natuͤrliches Zeichen vertritt beinahe die Stelle eines Worts.

Aber man muß nothwendig wiederum hiermit zusammennehmen, was Herr Nikolai im dritten Stuͤck des zweiten Bandes dieses Magazins S. 90 in seinem Aufsatze uͤber das Taubstummeninstitut in Wien, als selbstgemachte Beobachtung, erzaͤhlt: daß immer eine große unvermeidliche Schwierigkeit bei der Zeichensprache statt findet, wenn dasjenige nun selbst als Sache bezeichnet werden soll, dessen man sich sonst bloß als symbolischen Zeichens bedienet.

Der Taubstumme bezeichnet z.B. einen Arzt durch einen Griff mit der Hand an den Puls, was bleibt ihm nun uͤbrig, das wirkliche an den Puls greifen des Arztes zu bezeichnen. Das Wort Arzt besteht aus einigen an und fuͤr sich unbedeutenden Toͤnen, a, r, z, t, die durch die Zusammensetzung erst Bedeutung erhalten. — Man betrachtet hier das Zeichen der Sache nur in einer einzigen, nehmlich in der grammatikalischen Ruͤcksicht, selbst als Sache — es ist aber nicht dazu bestimmt, um Sache, sondern nur um Zeichen zu seyn; als Sache findet es bloß in unsrer Spekulation statt.

Jedes der pantomimischen Zeichen hingegen kann und muß zuweilen selbst als Sache wieder betrachtet werden — und dann ist Verwirrung zwischen Zeichen und Begriff fast unvermeidlich,

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[13/0013] leichtes natuͤrliches Zeichen vertritt beinahe die Stelle eines Worts. Aber man muß nothwendig wiederum hiermit zusammennehmen, was Herr Nikolai im dritten Stuͤck des zweiten Bandes dieses Magazins S. 90 in seinem Aufsatze uͤber das Taubstummeninstitut in Wien, als selbstgemachte Beobachtung, erzaͤhlt: daß immer eine große unvermeidliche Schwierigkeit bei der Zeichensprache statt findet, wenn dasjenige nun selbst als Sache bezeichnet werden soll, dessen man sich sonst bloß als symbolischen Zeichens bedienet. Der Taubstumme bezeichnet z.B. einen Arzt durch einen Griff mit der Hand an den Puls, was bleibt ihm nun uͤbrig, das wirkliche an den Puls greifen des Arztes zu bezeichnen. Das Wort Arzt besteht aus einigen an und fuͤr sich unbedeutenden Toͤnen, a, r, z, t, die durch die Zusammensetzung erst Bedeutung erhalten. — Man betrachtet hier das Zeichen der Sache nur in einer einzigen, nehmlich in der grammatikalischen Ruͤcksicht, selbst als Sache — es ist aber nicht dazu bestimmt, um Sache, sondern nur um Zeichen zu seyn; als Sache findet es bloß in unsrer Spekulation statt. Jedes der pantomimischen Zeichen hingegen kann und muß zuweilen selbst als Sache wieder betrachtet werden — und dann ist Verwirrung zwischen Zeichen und Begriff fast unvermeidlich,

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/13>, abgerufen am 26.04.2024.