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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.

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entwandte Fleisch in seine Beinkleider, oder in die Ermel seines Rocks, oder verbarg es gar unter seinen Haaren. Die lächerlichste Scene fiel vor Kurzen zwischen ihm und seinem Haushunde vor. Er sahe diesen an den ihm vorgeworfenen Knochen nagen, begann mit ihm einen blutigen Krieg, und ruhete nicht eher, bis er dem Hunde seine Knochen geraubt und sie in seinen Vorrathswinkel getragen hatte.

Dieser Vorrathswinkel, welchen er immer wieder anfüllt, wenn er auch noch so oft ausgeleert und gereinigt wird, gleicht einem wahren Saustalle. Verschimmelte Brodrinden, Zucker, faule Knochen, stinkendes Fleisch, Speck, Wurst, Butter, Wein und Kaffe unter einander gegossen, Neigen von Bier und Suppe, Kuchen, Arzeneien liegen da in größter Unordnung unter einander, und er ist nie glücklicher, als wenn er in diesem stinkenden Winkel stundenlang einsam seine Zeit verträumen kann.

Seine Begierde Geld zu leihen ist eine Folge seines unersättlichen Geitzes. Wenn ihm einer seiner Bekannten begegnet, pflegt er ihn gemeiniglich um eine Kleinigkeit an Gelde anzusprechen, und weiß nicht selten auf eine listige Art die dringendsten Gründe seiner Bitte anzugeben. Oft bittet er auch ganz fremde Leute um Geld, und verspricht es ihnen bei erster Gelegenheit wieder zu zu stellen, was er aber nie gethan hat. Er kann diese Begierde Geld


entwandte Fleisch in seine Beinkleider, oder in die Ermel seines Rocks, oder verbarg es gar unter seinen Haaren. Die laͤcherlichste Scene fiel vor Kurzen zwischen ihm und seinem Haushunde vor. Er sahe diesen an den ihm vorgeworfenen Knochen nagen, begann mit ihm einen blutigen Krieg, und ruhete nicht eher, bis er dem Hunde seine Knochen geraubt und sie in seinen Vorrathswinkel getragen hatte.

Dieser Vorrathswinkel, welchen er immer wieder anfuͤllt, wenn er auch noch so oft ausgeleert und gereinigt wird, gleicht einem wahren Saustalle. Verschimmelte Brodrinden, Zucker, faule Knochen, stinkendes Fleisch, Speck, Wurst, Butter, Wein und Kaffe unter einander gegossen, Neigen von Bier und Suppe, Kuchen, Arzeneien liegen da in groͤßter Unordnung unter einander, und er ist nie gluͤcklicher, als wenn er in diesem stinkenden Winkel stundenlang einsam seine Zeit vertraͤumen kann.

Seine Begierde Geld zu leihen ist eine Folge seines unersaͤttlichen Geitzes. Wenn ihm einer seiner Bekannten begegnet, pflegt er ihn gemeiniglich um eine Kleinigkeit an Gelde anzusprechen, und weiß nicht selten auf eine listige Art die dringendsten Gruͤnde seiner Bitte anzugeben. Oft bittet er auch ganz fremde Leute um Geld, und verspricht es ihnen bei erster Gelegenheit wieder zu zu stellen, was er aber nie gethan hat. Er kann diese Begierde Geld

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[23/0025] entwandte Fleisch in seine Beinkleider, oder in die Ermel seines Rocks, oder verbarg es gar unter seinen Haaren. Die laͤcherlichste Scene fiel vor Kurzen zwischen ihm und seinem Haushunde vor. Er sahe diesen an den ihm vorgeworfenen Knochen nagen, begann mit ihm einen blutigen Krieg, und ruhete nicht eher, bis er dem Hunde seine Knochen geraubt und sie in seinen Vorrathswinkel getragen hatte. Dieser Vorrathswinkel, welchen er immer wieder anfuͤllt, wenn er auch noch so oft ausgeleert und gereinigt wird, gleicht einem wahren Saustalle. Verschimmelte Brodrinden, Zucker, faule Knochen, stinkendes Fleisch, Speck, Wurst, Butter, Wein und Kaffe unter einander gegossen, Neigen von Bier und Suppe, Kuchen, Arzeneien liegen da in groͤßter Unordnung unter einander, und er ist nie gluͤcklicher, als wenn er in diesem stinkenden Winkel stundenlang einsam seine Zeit vertraͤumen kann. Seine Begierde Geld zu leihen ist eine Folge seines unersaͤttlichen Geitzes. Wenn ihm einer seiner Bekannten begegnet, pflegt er ihn gemeiniglich um eine Kleinigkeit an Gelde anzusprechen, und weiß nicht selten auf eine listige Art die dringendsten Gruͤnde seiner Bitte anzugeben. Oft bittet er auch ganz fremde Leute um Geld, und verspricht es ihnen bei erster Gelegenheit wieder zu zu stellen, was er aber nie gethan hat. Er kann diese Begierde Geld

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/25>, abgerufen am 28.04.2024.