Außichten und Hoffnungen im Leben gänzlich verlohren zu seyn. --
Was er nun irgend an Geld auftreiben konnte, das wurde zur Komödie angewandt, aus welcher er nun keinen Abend mehr wegbleiben konnte, wenn er es sich auch am Munde abdar¬ ben sollte -- Um der Komödie willen aß er oft den ganzen Tag über nichts, wie etwas Salz und Brodt, wenn ihm nicht etwa die alte Mut¬ ter des Rektors Essen auf seine Stube schickte, welches sie doch zuweilen aus Mitleid that. --
Und weil es nun Sommer war, so genoß er auch der Wonne, auf seiner Stube wieder allein seyn zu können -- welches ihm mehr werth war, als die köstlichsten Speisen, die er hätte genießen können. --
Die Außicht auf die Komödie am Abend trö¬ stete ihn, wenn er am Morgen zu einem trauri¬ gen Tage erwachte, wie er denn nie anders er¬ wachte -- Denn die Verachtung und der Spott seiner Mitschüler, und das dadurch erregte Gefühl seiner eignen Unwürdigkeit, welches er allenthalben mit sich umher trug, dauerte noch immer fort, und verbitterte ihm sein Le¬
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Außichten und Hoffnungen im Leben gaͤnzlich verlohren zu ſeyn. —
Was er nun irgend an Geld auftreiben konnte, das wurde zur Komoͤdie angewandt, aus welcher er nun keinen Abend mehr wegbleiben konnte, wenn er es ſich auch am Munde abdar¬ ben ſollte — Um der Komoͤdie willen aß er oft den ganzen Tag uͤber nichts, wie etwas Salz und Brodt, wenn ihm nicht etwa die alte Mut¬ ter des Rektors Eſſen auf ſeine Stube ſchickte, welches ſie doch zuweilen aus Mitleid that. —
Und weil es nun Sommer war, ſo genoß er auch der Wonne, auf ſeiner Stube wieder allein ſeyn zu koͤnnen — welches ihm mehr werth war, als die koͤſtlichſten Speiſen, die er haͤtte genießen koͤnnen. —
Die Außicht auf die Komoͤdie am Abend troͤ¬ ſtete ihn, wenn er am Morgen zu einem trauri¬ gen Tage erwachte, wie er denn nie anders er¬ wachte — Denn die Verachtung und der Spott ſeiner Mitſchuͤler, und das dadurch erregte Gefuͤhl ſeiner eignen Unwuͤrdigkeit, welches er allenthalben mit ſich umher trug, dauerte noch immer fort, und verbitterte ihm ſein Le¬
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Außichten und Hoffnungen im Leben gaͤnzlich
verlohren zu ſeyn. —
Was er nun irgend an Geld auftreiben
konnte, das wurde zur Komoͤdie angewandt, aus
welcher er nun keinen Abend mehr wegbleiben
konnte, wenn er es ſich auch am Munde abdar¬
ben ſollte — Um der Komoͤdie willen aß er oft
den ganzen Tag uͤber nichts, wie etwas Salz
und Brodt, wenn ihm nicht etwa die alte Mut¬
ter des Rektors Eſſen auf ſeine Stube ſchickte,
welches ſie doch zuweilen aus Mitleid that. —
Und weil es nun Sommer war, ſo genoß er
auch der Wonne, auf ſeiner Stube wieder allein
ſeyn zu koͤnnen — welches ihm mehr werth war,
als die koͤſtlichſten Speiſen, die er haͤtte genießen
koͤnnen. —
Die Außicht auf die Komoͤdie am Abend troͤ¬
ſtete ihn, wenn er am Morgen zu einem trauri¬
gen Tage erwachte, wie er denn nie anders er¬
wachte — Denn die Verachtung und der Spott
ſeiner Mitſchuͤler, und das dadurch erregte
Gefuͤhl ſeiner eignen Unwuͤrdigkeit, welches
er allenthalben mit ſich umher trug, dauerte
noch immer fort, und verbitterte ihm ſein Le¬
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/171>, abgerufen am 16.06.2024.
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