leiten, da hingegen eine beissende Satyre einen Tyrannen schrecken und zurechtbringen kann *).
Freilich kommt es viel darauf an: Wer auf beeden Seiten des Lobens und Tadelns der Mann ist, aus dessen Munde eines oder-das andere kommt: Wie die Melodie ist, in deren beedes vorgesungen wird; ob es ein weiser Nathan ist, der dem empfänglichen Herzen eines sonst rechtschaffenen Königs seinen Ehebruch unter der sprechenden Allegorie des geraubten Schaafs selbst fühlbar machen kann; oder der nur durch das Horazische: Ridendo dicere verum, oder durch sein:
Misce stultitiam consiliis brevem; Dulce est, desipere in loco,
dem überall verpanzerten Mann beyzukommen vermag.
Die Regel steht fest: Je schwächer ein Fürst ist, desto gewisser wird er durch Loben und Schmeicheln verdorben, und noch schwächer und schlechter gemacht. Diss geschieht aber nicht nur durch die Neger-Art der meisten Hofleute und kriechender Cabinets-Würme, sondern eben so sehr durch allzugefällige Hof-
*) V. l'Esprit p. 59.
leiten, da hingegen eine beissende Satyre einen Tyrannen schrecken und zurechtbringen kann *).
Freilich kommt es viel darauf an: Wer auf beeden Seiten des Lobens und Tadelns der Mann ist, aus dessen Munde eines oder-das andere kommt: Wie die Melodie ist, in deren beedes vorgesungen wird; ob es ein weiser Nathan ist, der dem empfänglichen Herzen eines sonst rechtschaffenen Königs seinen Ehebruch unter der sprechenden Allegorie des geraubten Schaafs selbst fühlbar machen kann; oder der nur durch das Horazische: Ridendo dicere verum, oder durch sein:
Misce stultitiam consiliis brevem; Dulce est, desipere in loco,
dem überall verpanzerten Mann beyzukommen vermag.
Die Regel steht fest: Je schwächer ein Fürst ist, desto gewisser wird er durch Loben und Schmeicheln verdorben, und noch schwächer und schlechter gemacht. Diſs geschieht aber nicht nur durch die Neger-Art der meisten Hofleute und kriechender Cabinets-Würme, sondern eben so sehr durch allzugefällige Hof-
*) V. l’Esprit p. 59.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0107"n="101"/>
leiten, da hingegen eine beissende Satyre einen<lb/>
Tyrannen schrecken und zurechtbringen kann <noteplace="foot"n="*)">V. l’Esprit p. 59.</note>.</p><lb/><p>Freilich kommt es viel darauf an: Wer auf<lb/>
beeden Seiten des Lobens und Tadelns der Mann<lb/>
ist, aus dessen Munde eines oder-das andere<lb/>
kommt: Wie die Melodie ist, in deren beedes<lb/>
vorgesungen wird; ob es ein weiser Nathan<lb/>
ist, der dem empfänglichen Herzen eines sonst<lb/>
rechtschaffenen Königs seinen Ehebruch unter<lb/>
der sprechenden Allegorie des geraubten Schaafs<lb/>
selbst fühlbar machen kann; oder der nur durch<lb/>
das Horazische: <hirendition="#i"><hirendition="#g">Ridendo dicere verum</hi>,</hi> oder<lb/>
durch sein:</p><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#i">Misce stultitiam consiliis brevem;</hi></l><lb/><l><hirendition="#i"><hirendition="#g">Dulce</hi> est, desipere in loco,</hi></l></lg><lb/><p>dem überall verpanzerten Mann beyzukommen<lb/>
vermag.</p><lb/><p>Die Regel steht fest: Je schwächer ein Fürst<lb/>
ist, desto gewisser wird er durch Loben und<lb/>
Schmeicheln verdorben, und noch schwächer<lb/>
und schlechter gemacht. Diſs geschieht aber<lb/>
nicht nur durch die Neger-Art der meisten<lb/>
Hofleute und kriechender Cabinets-Würme,<lb/>
sondern eben so sehr durch allzugefällige Hof-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[101/0107]
leiten, da hingegen eine beissende Satyre einen
Tyrannen schrecken und zurechtbringen kann *).
Freilich kommt es viel darauf an: Wer auf
beeden Seiten des Lobens und Tadelns der Mann
ist, aus dessen Munde eines oder-das andere
kommt: Wie die Melodie ist, in deren beedes
vorgesungen wird; ob es ein weiser Nathan
ist, der dem empfänglichen Herzen eines sonst
rechtschaffenen Königs seinen Ehebruch unter
der sprechenden Allegorie des geraubten Schaafs
selbst fühlbar machen kann; oder der nur durch
das Horazische: Ridendo dicere verum, oder
durch sein:
Misce stultitiam consiliis brevem;
Dulce est, desipere in loco,
dem überall verpanzerten Mann beyzukommen
vermag.
Die Regel steht fest: Je schwächer ein Fürst
ist, desto gewisser wird er durch Loben und
Schmeicheln verdorben, und noch schwächer
und schlechter gemacht. Diſs geschieht aber
nicht nur durch die Neger-Art der meisten
Hofleute und kriechender Cabinets-Würme,
sondern eben so sehr durch allzugefällige Hof-
*) V. l’Esprit p. 59.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/107>, abgerufen am 30.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.