Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

zu einem Höfling, den er im Herzen verachtet,
oder zu der Beyschläferin seines Fürsten, aus
hergebrachter Sitte: Unterthäniger Diener! sa-
gen, oder vor einem schmutzigen Bauer, dessen
Gruss erwiedernd, den Hut abziehen muss.


Der Gegenstand des Lobs muss keine Kleinig-
keiten
betreffen: Wann, zum Beyspiel, ein Kö-
nig einem armen Lieutenant ein Pferd geschenkt,
einem lahm geschossenen General mit eigener
hoher Hand den Stuhl zum Nidersitzen gerückt,
vor lieber langer Weile einem Bauren einige
Ehlen weit pflügen helfen; wann ein Fürst durch
eins seiner Landstädtgen gefahren, ein Paar Gul-
den in die Armen-Casse geschenkt hat, u. s. w.


Wann aber auch eine Handlung an sich selbst
noch so gut ist, so muss nichts schiefes in de-
ren Bekanntmachung liegen. Ein Fürst ver-
schenkt in der besten und reinsten Absicht, aus
Gefühl seiner Vater-Pflichten, an armen Unter-
thanen etliche Scheffel Korn, einige Klafter
Holz, und die Zeitungsschreiber machen einen
Loblermen davon als wenn er seinem Volk das
ewige Leben geschenkt hätte. Der Fürst ist frei-
lich Persona publica; mithin können auch sei-

zu einem Höfling, den er im Herzen verachtet,
oder zu der Beyschläferin seines Fürsten, aus
hergebrachter Sitte: Unterthäniger Diener! sa-
gen, oder vor einem schmutzigen Bauer, dessen
Gruſs erwiedernd, den Hut abziehen muſs.


Der Gegenstand des Lobs muſs keine Kleinig-
keiten
betreffen: Wann, zum Beyspiel, ein Kö-
nig einem armen Lieutenant ein Pferd geschenkt,
einem lahm geschossenen General mit eigener
hoher Hand den Stuhl zum Nidersitzen gerückt,
vor lieber langer Weile einem Bauren einige
Ehlen weit pflügen helfen; wann ein Fürst durch
eins seiner Landstädtgen gefahren, ein Paar Gul-
den in die Armen-Casse geschenkt hat, u. s. w.


Wann aber auch eine Handlung an sich selbst
noch so gut ist, so muſs nichts schiefes in de-
ren Bekanntmachung liegen. Ein Fürst ver-
schenkt in der besten und reinsten Absicht, aus
Gefühl seiner Vater-Pflichten, an armen Unter-
thanen etliche Scheffel Korn, einige Klafter
Holz, und die Zeitungsschreiber machen einen
Loblermen davon als wenn er seinem Volk das
ewige Leben geschenkt hätte. Der Fürst ist frei-
lich Persona publica; mithin können auch sei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0093" n="87"/>
zu einem Höfling, den er im Herzen verachtet,<lb/>
oder zu der Beyschläferin seines Fürsten, aus<lb/>
hergebrachter Sitte: Unterthäniger Diener! sa-<lb/>
gen, oder vor einem schmutzigen Bauer, dessen<lb/>
Gru&#x017F;s erwiedernd, den Hut abziehen mu&#x017F;s.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Der Gegenstand des Lobs mu&#x017F;s keine <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Kleinig-<lb/>
keiten</hi></hi> betreffen: Wann, zum Beyspiel, ein Kö-<lb/>
nig einem armen Lieutenant ein Pferd geschenkt,<lb/>
einem lahm geschossenen General mit eigener<lb/>
hoher Hand den Stuhl zum Nidersitzen gerückt,<lb/>
vor lieber langer Weile einem Bauren einige<lb/>
Ehlen weit pflügen helfen; wann ein Fürst durch<lb/>
eins seiner Landstädtgen gefahren, ein Paar Gul-<lb/>
den in die Armen-Casse geschenkt hat, u. s. w.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Wann aber auch eine Handlung an sich selbst<lb/>
noch so gut ist, so mu&#x017F;s nichts schiefes in de-<lb/>
ren <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Bekanntmachung</hi></hi> liegen. Ein Fürst ver-<lb/>
schenkt in der besten und reinsten Absicht, aus<lb/>
Gefühl seiner Vater-Pflichten, an armen Unter-<lb/>
thanen etliche Scheffel Korn, einige Klafter<lb/>
Holz, und die Zeitungsschreiber machen einen<lb/>
Loblermen davon als wenn er seinem Volk das<lb/>
ewige Leben geschenkt hätte. Der Fürst ist frei-<lb/>
lich <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Persona publica</hi></hi>; mithin können auch sei-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0093] zu einem Höfling, den er im Herzen verachtet, oder zu der Beyschläferin seines Fürsten, aus hergebrachter Sitte: Unterthäniger Diener! sa- gen, oder vor einem schmutzigen Bauer, dessen Gruſs erwiedernd, den Hut abziehen muſs. Der Gegenstand des Lobs muſs keine Kleinig- keiten betreffen: Wann, zum Beyspiel, ein Kö- nig einem armen Lieutenant ein Pferd geschenkt, einem lahm geschossenen General mit eigener hoher Hand den Stuhl zum Nidersitzen gerückt, vor lieber langer Weile einem Bauren einige Ehlen weit pflügen helfen; wann ein Fürst durch eins seiner Landstädtgen gefahren, ein Paar Gul- den in die Armen-Casse geschenkt hat, u. s. w. Wann aber auch eine Handlung an sich selbst noch so gut ist, so muſs nichts schiefes in de- ren Bekanntmachung liegen. Ein Fürst ver- schenkt in der besten und reinsten Absicht, aus Gefühl seiner Vater-Pflichten, an armen Unter- thanen etliche Scheffel Korn, einige Klafter Holz, und die Zeitungsschreiber machen einen Loblermen davon als wenn er seinem Volk das ewige Leben geschenkt hätte. Der Fürst ist frei- lich Persona publica; mithin können auch sei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/93
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/93>, abgerufen am 28.04.2024.