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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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und zu Pergamia in Kreta. Es ließ sich leicht anneh-
men, daß Lykurgs Reformationen Widerstand fanden
und Unruhen erregten. Aber die von Alkandros er-
zählte Geschichte, wie er dem Lykurg ein Auge aus-
stößt, (wohl eine Volkssage) beruht auf einer falschen
Erklärung des Beinamens der Pallas Optiletis 1. Daß
er Vormund (prodikos) eines Spartanischen Königs
gewesen, lag in alter Sage; aber es hat, wie bemerkt,
nicht viel Grund, daß man diesen gewöhnlich Chari-
laos nennt, dessen Milde in alter Tradition gefeiert
wurde 2: um mit der Vormundschaft die Reisen zu
verbinden, ließ man ihn jene, um Argwohn zu ent-
gehn, aufgeben. Nimmt man hinweg, was auf diese
Weise fast im Geiste eines psychologischen Romans zu-
gedichtet ist, so behält man nur geringen Sagenstoff; von
der Gesetzgebung werden wir unten handeln 3.

6.

Sehr auffallend ist es, daß die Historiker grade
von der Thätigkeit Lykurgs, die nächst der genannten
die wichtigste ist, sehr wenig gesprochen 4. Ich meine
die schon berührte Theilnahme an der Gründung des
Olympischen Gottesfriedens und der Spiele,
-- welche ohne Zweifel der Anfang eines ruhigeren
Zustandes der Dinge im Peloponnes war. Lykurg, als
der Repräsentant des Dorischen Stammes, Iphitos
für den Aetolisch-Eleischen, und vielleicht noch mehrere
Andere stellten das Grundgesetz der Peloponnesischen

1 S. Buch 2. K. 11.
2 Plut. Lykurg und de adul. 16.
Dagegen Herakl. Pont. 2. kai ton Kharillon (KhARILAON) tu-
rannikos arkhonta metestese.
3 Die Namen des Eunomos als
Vater und des Eukosmos ols Sohn Lykurgs (Paus. 3, 16, 5.) ge-
hören in die S. 68. N. 1. angeführte Classe.
4 Nur Plu-
tarch Lyk. 23. und Herakl. Pont. 2. kai koinon agathon tas eke-
kheirias
, (wohl auch die Pythische gemeint) katestese. -- Was
Hermipp erzählt, ist zum Theil sicher ersunden.

und zu Pergamia in Kreta. Es ließ ſich leicht anneh-
men, daß Lykurgs Reformationen Widerſtand fanden
und Unruhen erregten. Aber die von Alkandros er-
zaͤhlte Geſchichte, wie er dem Lykurg ein Auge aus-
ſtoͤßt, (wohl eine Volksſage) beruht auf einer falſchen
Erklaͤrung des Beinamens der Pallas Optiletis 1. Daß
er Vormund (πρόδικος) eines Spartaniſchen Koͤnigs
geweſen, lag in alter Sage; aber es hat, wie bemerkt,
nicht viel Grund, daß man dieſen gewoͤhnlich Chari-
laos nennt, deſſen Milde in alter Tradition gefeiert
wurde 2: um mit der Vormundſchaft die Reiſen zu
verbinden, ließ man ihn jene, um Argwohn zu ent-
gehn, aufgeben. Nimmt man hinweg, was auf dieſe
Weiſe faſt im Geiſte eines pſychologiſchen Romans zu-
gedichtet iſt, ſo behaͤlt man nur geringen Sagenſtoff; von
der Geſetzgebung werden wir unten handeln 3.

6.

Sehr auffallend iſt es, daß die Hiſtoriker grade
von der Thaͤtigkeit Lykurgs, die naͤchſt der genannten
die wichtigſte iſt, ſehr wenig geſprochen 4. Ich meine
die ſchon beruͤhrte Theilnahme an der Gruͤndung des
Olympiſchen Gottesfriedens und der Spiele,
— welche ohne Zweifel der Anfang eines ruhigeren
Zuſtandes der Dinge im Peloponnes war. Lykurg, als
der Repraͤſentant des Doriſchen Stammes, Iphitos
fuͤr den Aetoliſch-Eleiſchen, und vielleicht noch mehrere
Andere ſtellten das Grundgeſetz der Peloponneſiſchen

1 S. Buch 2. K. 11.
2 Plut. Lykurg und de adul. 16.
Dagegen Herakl. Pont. 2. καὶ τὸν Χάϱιλλον (ΧΑΡΙΛΑΟΝ) τυ-
ϱαννικῶς ἄϱχοντα μετέστησε.
3 Die Namen des Eunomos als
Vater und des Eukosmos ols Sohn Lykurgs (Pauſ. 3, 16, 5.) ge-
hoͤren in die S. 68. N. 1. angefuͤhrte Claſſe.
4 Nur Plu-
tarch Lyk. 23. und Herakl. Pont. 2. καὶ κοινὸν ἀγαϑὸν τὰς ἐκε-
χειϱίας
, (wohl auch die Pythiſche gemeint) κατέστησε. — Was
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[138/0168] und zu Pergamia in Kreta. Es ließ ſich leicht anneh- men, daß Lykurgs Reformationen Widerſtand fanden und Unruhen erregten. Aber die von Alkandros er- zaͤhlte Geſchichte, wie er dem Lykurg ein Auge aus- ſtoͤßt, (wohl eine Volksſage) beruht auf einer falſchen Erklaͤrung des Beinamens der Pallas Optiletis 1. Daß er Vormund (πρόδικος) eines Spartaniſchen Koͤnigs geweſen, lag in alter Sage; aber es hat, wie bemerkt, nicht viel Grund, daß man dieſen gewoͤhnlich Chari- laos nennt, deſſen Milde in alter Tradition gefeiert wurde 2: um mit der Vormundſchaft die Reiſen zu verbinden, ließ man ihn jene, um Argwohn zu ent- gehn, aufgeben. Nimmt man hinweg, was auf dieſe Weiſe faſt im Geiſte eines pſychologiſchen Romans zu- gedichtet iſt, ſo behaͤlt man nur geringen Sagenſtoff; von der Geſetzgebung werden wir unten handeln 3. 6. Sehr auffallend iſt es, daß die Hiſtoriker grade von der Thaͤtigkeit Lykurgs, die naͤchſt der genannten die wichtigſte iſt, ſehr wenig geſprochen 4. Ich meine die ſchon beruͤhrte Theilnahme an der Gruͤndung des Olympiſchen Gottesfriedens und der Spiele, — welche ohne Zweifel der Anfang eines ruhigeren Zuſtandes der Dinge im Peloponnes war. Lykurg, als der Repraͤſentant des Doriſchen Stammes, Iphitos fuͤr den Aetoliſch-Eleiſchen, und vielleicht noch mehrere Andere ſtellten das Grundgeſetz der Peloponneſiſchen 1 S. Buch 2. K. 11. 2 Plut. Lykurg und de adul. 16. Dagegen Herakl. Pont. 2. καὶ τὸν Χάϱιλλον (ΧΑΡΙΛΑΟΝ) τυ- ϱαννικῶς ἄϱχοντα μετέστησε. 3 Die Namen des Eunomos als Vater und des Eukosmos ols Sohn Lykurgs (Pauſ. 3, 16, 5.) ge- hoͤren in die S. 68. N. 1. angefuͤhrte Claſſe. 4 Nur Plu- tarch Lyk. 23. und Herakl. Pont. 2. καὶ κοινὸν ἀγαϑὸν τὰς ἐκε- χειϱίας, (wohl auch die Pythiſche gemeint) κατέστησε. — Was Hermipp erzaͤhlt, iſt zum Theil ſicher erſunden.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/168>, abgerufen am 30.04.2024.