Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

kratie die Archontenwürde auf alle Reicheren und das
ganze Volk übertragen wurde, scheint es, daß der
Apollon patroos als allen Familien gemeinsam ange-
sehen wurde1. Auch die demokratischen Richter Athens
schwuren nun jährlich im Ardettos bei Apollon Patroos2,
was ursprünglich wohl nur die aristokratischen Blutrich-
ter, die Epheten, thaten. Es ist aber klar, daß ur-
sprünglich die Apolloreligion nur für die Kriegerkaste,
die alten Hopleten, paßt. Ist er doch kein Handwerker-
und Ackerbauer- sondern ein Kriegsgott. Darum setzt
ihm auch Jon oder Xuthos als Athenischer Kriegsfürst
(polemarkhos) das Fest der Boedromien ein3, wel-
ches von dem Hervorstürzen bewaffneter Schaaren zum
Kampfe den Namen hat.

Weil nur die Eupatriden ursprünglich die Re-
ligion des Apollon haben, so haben auch diese nur die
katharsis, welche hier wie sonst mit den Gebräuchen
des Kretischen Dienstes verflochten ist. Jon hatte nach
Plutarch4 die Athener in der Religion unterrichtet,
worunter nur die genannte zu verstehen ist; und The-
seus setzte nach demselben5 die Eupatriden zu Verwal-
tern des Staats, Richtern, und Exegetais osion

1 So nach Plat. Euthyd. 302 b. vgl. Schol. und Heindorf
S. 404.
2 Pollux 8, 122.
3 Kallim. Apoll. 69. mit
Schol. und Spanh. Harpokr. Boedromia, Suid. Etym. M. boe-
dromein. -- Darum sprach der Polemarch im Lykeion, dem Hei-
ligthume des Ap. Lykeios, bei der Statue eines Wolfes Recht
Suid. arkhon. Bekker Anecd. 1. S. 449. Hesych. epilukion (vgl.
Hudtwalcker Diäteten S. 14. Schömann de sort. p. 42.) Lu-
kambis arkhe des Polemarchen nach Kratinos, Hesych. -- Ueber-
haupt aber waren alle Gerichtshöfe in Athen unter der Tutel des
lukos, Apollon. Eratosth. bei Harpkr. dekazon; Lexika und Parö-
miogr. Lukou dekas, Etym. M. dekasai.
4 g. Kolot. 31.
5 Thes. 25. Nach Plato Rep. 4, 427. ist Ap. den Athenern pa-
trios exegetes.

kratie die Archontenwuͤrde auf alle Reicheren und das
ganze Volk uͤbertragen wurde, ſcheint es, daß der
Apollon πατρῷος als allen Familien gemeinſam ange-
ſehen wurde1. Auch die demokratiſchen Richter Athens
ſchwuren nun jaͤhrlich im Ardettos bei Apollon Patroos2,
was urſpruͤnglich wohl nur die ariſtokratiſchen Blutrich-
ter, die Epheten, thaten. Es iſt aber klar, daß ur-
ſpruͤnglich die Apolloreligion nur fuͤr die Kriegerkaſte,
die alten Hopleten, paßt. Iſt er doch kein Handwerker-
und Ackerbauer- ſondern ein Kriegsgott. Darum ſetzt
ihm auch Jon oder Xuthos als Atheniſcher Kriegsfuͤrſt
(πολέμαρχος) das Feſt der Boedromien ein3, wel-
ches von dem Hervorſtuͤrzen bewaffneter Schaaren zum
Kampfe den Namen hat.

Weil nur die Eupatriden urſpruͤnglich die Re-
ligion des Apollon haben, ſo haben auch dieſe nur die
κάθαϱσις, welche hier wie ſonſt mit den Gebraͤuchen
des Kretiſchen Dienſtes verflochten iſt. Jon hatte nach
Plutarch4 die Athener in der Religion unterrichtet,
worunter nur die genannte zu verſtehen iſt; und The-
ſeus ſetzte nach demſelben5 die Eupatriden zu Verwal-
tern des Staats, Richtern, und Ἐξηγηταῖς ὁσίων

1 So nach Plat. Euthyd. 302 b. vgl. Schol. und Heindorf
S. 404.
2 Pollux 8, 122.
3 Kallim. Apoll. 69. mit
Schol. und Spanh. Harpokr. Βοηδϱόμια, Suid. Etym. M. βοη-
δϱομεῖν. — Darum ſprach der Polemarch im Lykeion, dem Hei-
ligthume des Ap. Lykeios, bei der Statue eines Wolfes Recht
Suid. ἄϱχων. Bekker Anecd. 1. S. 449. Heſych. ἐπιλύκιον (vgl.
Hudtwalcker Diaͤteten S. 14. Schoͤmann de sort. p. 42.) Λυ-
καμβὶς ἀϱχὴ des Polemarchen nach Kratinos, Heſych. — Ueber-
haupt aber waren alle Gerichtshoͤfe in Athen unter der Tutel des
λύκος, Apollon. Eratoſth. bei Harpkr. δεκάζων; Lexika und Paroͤ-
miogr. Λύκου δέκας, Etym. M. δεκάσαι.
4 g. Kolot. 31.
5 Theſ. 25. Nach Plato Rep. 4, 427. iſt Ap. den Athenern πά-
τϱιος ἐξηγητής.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0275" n="245"/>
kratie die Archontenwu&#x0364;rde auf alle Reicheren und das<lb/>
ganze Volk u&#x0364;bertragen wurde, &#x017F;cheint es, daß der<lb/>
Apollon &#x03C0;&#x03B1;&#x03C4;&#x03C1;&#x1FF7;&#x03BF;&#x03C2; als allen Familien gemein&#x017F;am ange-<lb/>
&#x017F;ehen wurde<note place="foot" n="1">So nach Plat. Euthyd. 302 <hi rendition="#aq">b.</hi> vgl. Schol. und Heindorf<lb/>
S. 404.</note>. Auch die demokrati&#x017F;chen Richter Athens<lb/>
&#x017F;chwuren nun ja&#x0364;hrlich im Ardettos bei Apollon Patroos<note place="foot" n="2">Pollux 8, 122.</note>,<lb/>
was ur&#x017F;pru&#x0364;nglich wohl nur die ari&#x017F;tokrati&#x017F;chen Blutrich-<lb/>
ter, die Epheten, thaten. Es i&#x017F;t aber klar, daß ur-<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;nglich die Apolloreligion nur fu&#x0364;r die Kriegerka&#x017F;te,<lb/>
die alten Hopleten, paßt. I&#x017F;t er doch kein Handwerker-<lb/>
und Ackerbauer- &#x017F;ondern ein Kriegsgott. Darum &#x017F;etzt<lb/>
ihm auch Jon oder Xuthos als Atheni&#x017F;cher Kriegsfu&#x0364;r&#x017F;t<lb/>
(&#x03C0;&#x03BF;&#x03BB;&#x03AD;&#x03BC;&#x03B1;&#x03C1;&#x03C7;&#x03BF;&#x03C2;) das Fe&#x017F;t der <hi rendition="#g">Boedromien</hi> ein<note place="foot" n="3">Kallim. Apoll. 69. mit<lb/>
Schol. und Spanh. Harpokr. &#x0392;&#x03BF;&#x03B7;&#x03B4;&#x03F1;&#x03CC;&#x03BC;&#x03B9;&#x03B1;, Suid. Etym. M. &#x03B2;&#x03BF;&#x03B7;-<lb/>
&#x03B4;&#x03F1;&#x03BF;&#x03BC;&#x03B5;&#x1FD6;&#x03BD;. &#x2014; Darum &#x017F;prach der Polemarch im Lykeion, dem Hei-<lb/>
ligthume des Ap. Lykeios, bei der Statue eines Wolfes Recht<lb/>
Suid. &#x1F04;&#x03F1;&#x03C7;&#x03C9;&#x03BD;. Bekker <hi rendition="#aq">Anecd.</hi> 1. S. 449. He&#x017F;ych. &#x1F10;&#x03C0;&#x03B9;&#x03BB;&#x03CD;&#x03BA;&#x03B9;&#x03BF;&#x03BD; (vgl.<lb/>
Hudtwalcker Dia&#x0364;teten S. 14. Scho&#x0364;mann <hi rendition="#aq">de sort. p.</hi> 42.) &#x039B;&#x03C5;-<lb/>
&#x03BA;&#x03B1;&#x03BC;&#x03B2;&#x1F76;&#x03C2; &#x1F00;&#x03F1;&#x03C7;&#x1F74; des Polemarchen nach Kratinos, He&#x017F;ych. &#x2014; Ueber-<lb/>
haupt aber waren alle Gerichtsho&#x0364;fe in Athen unter der Tutel des<lb/>
&#x03BB;&#x03CD;&#x03BA;&#x03BF;&#x03C2;, Apollon. Erato&#x017F;th. bei Harpkr. &#x03B4;&#x03B5;&#x03BA;&#x03AC;&#x03B6;&#x03C9;&#x03BD;; Lexika und Paro&#x0364;-<lb/>
miogr. &#x039B;&#x03CD;&#x03BA;&#x03BF;&#x03C5; &#x03B4;&#x03AD;&#x03BA;&#x03B1;&#x03C2;, Etym. M. &#x03B4;&#x03B5;&#x03BA;&#x03AC;&#x03C3;&#x03B1;&#x03B9;.</note>, wel-<lb/>
ches von dem Hervor&#x017F;tu&#x0364;rzen bewaffneter Schaaren zum<lb/>
Kampfe den Namen hat.</p><lb/>
              <p>Weil nur die <hi rendition="#g">Eupatriden</hi> ur&#x017F;pru&#x0364;nglich die Re-<lb/>
ligion des Apollon haben, &#x017F;o haben auch die&#x017F;e nur die<lb/>
&#x03BA;&#x03AC;&#x03B8;&#x03B1;&#x03F1;&#x03C3;&#x03B9;&#x03C2;, welche hier wie &#x017F;on&#x017F;t mit den Gebra&#x0364;uchen<lb/>
des Kreti&#x017F;chen Dien&#x017F;tes verflochten i&#x017F;t. Jon hatte nach<lb/>
Plutarch<note place="foot" n="4">g. Kolot. 31.</note> die Athener in der Religion <choice><sic>nnterrichtet</sic><corr>unterrichtet</corr></choice>,<lb/>
worunter nur die genannte zu ver&#x017F;tehen i&#x017F;t; und The-<lb/>
&#x017F;eus &#x017F;etzte nach dem&#x017F;elben<note place="foot" n="5">The&#x017F;. 25. Nach Plato Rep. 4, 427. i&#x017F;t Ap. den Athenern &#x03C0;&#x03AC;-<lb/>
&#x03C4;&#x03F1;&#x03B9;&#x03BF;&#x03C2; &#x1F10;&#x03BE;&#x03B7;&#x03B3;&#x03B7;&#x03C4;&#x03AE;&#x03C2;.</note> die Eupatriden zu Verwal-<lb/>
tern des Staats, Richtern, und &#x1F18;&#x03BE;&#x03B7;&#x03B3;&#x03B7;&#x03C4;&#x03B1;&#x1FD6;&#x03C2; &#x1F41;&#x03C3;&#x03AF;&#x03C9;&#x03BD;<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0275] kratie die Archontenwuͤrde auf alle Reicheren und das ganze Volk uͤbertragen wurde, ſcheint es, daß der Apollon πατρῷος als allen Familien gemeinſam ange- ſehen wurde 1. Auch die demokratiſchen Richter Athens ſchwuren nun jaͤhrlich im Ardettos bei Apollon Patroos 2, was urſpruͤnglich wohl nur die ariſtokratiſchen Blutrich- ter, die Epheten, thaten. Es iſt aber klar, daß ur- ſpruͤnglich die Apolloreligion nur fuͤr die Kriegerkaſte, die alten Hopleten, paßt. Iſt er doch kein Handwerker- und Ackerbauer- ſondern ein Kriegsgott. Darum ſetzt ihm auch Jon oder Xuthos als Atheniſcher Kriegsfuͤrſt (πολέμαρχος) das Feſt der Boedromien ein 3, wel- ches von dem Hervorſtuͤrzen bewaffneter Schaaren zum Kampfe den Namen hat. Weil nur die Eupatriden urſpruͤnglich die Re- ligion des Apollon haben, ſo haben auch dieſe nur die κάθαϱσις, welche hier wie ſonſt mit den Gebraͤuchen des Kretiſchen Dienſtes verflochten iſt. Jon hatte nach Plutarch 4 die Athener in der Religion unterrichtet, worunter nur die genannte zu verſtehen iſt; und The- ſeus ſetzte nach demſelben 5 die Eupatriden zu Verwal- tern des Staats, Richtern, und Ἐξηγηταῖς ὁσίων 1 So nach Plat. Euthyd. 302 b. vgl. Schol. und Heindorf S. 404. 2 Pollux 8, 122. 3 Kallim. Apoll. 69. mit Schol. und Spanh. Harpokr. Βοηδϱόμια, Suid. Etym. M. βοη- δϱομεῖν. — Darum ſprach der Polemarch im Lykeion, dem Hei- ligthume des Ap. Lykeios, bei der Statue eines Wolfes Recht Suid. ἄϱχων. Bekker Anecd. 1. S. 449. Heſych. ἐπιλύκιον (vgl. Hudtwalcker Diaͤteten S. 14. Schoͤmann de sort. p. 42.) Λυ- καμβὶς ἀϱχὴ des Polemarchen nach Kratinos, Heſych. — Ueber- haupt aber waren alle Gerichtshoͤfe in Athen unter der Tutel des λύκος, Apollon. Eratoſth. bei Harpkr. δεκάζων; Lexika und Paroͤ- miogr. Λύκου δέκας, Etym. M. δεκάσαι. 4 g. Kolot. 31. 5 Theſ. 25. Nach Plato Rep. 4, 427. iſt Ap. den Athenern πά- τϱιος ἐξηγητής.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/275
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/275>, abgerufen am 07.05.2024.