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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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lichen Opfermessers 1; auch die bei Pindar vom Dache
singenden goldenen Keledonen des Erzhauses halte ich
nicht ganz für Erdichtung. --

Aber aus der Schule jener Sikyonischen Marmor-
arbeiter gingen Tektäos und Angelion hervor, welche
die berühmte, wahrscheinlich colossale, Bildsäule des
Gottes zu Delos aufstellten, die auf einer Hand, wie
oben erwähnt wurde, die Chariten, in der andern
einen Bogen trug. Und mit derselben steht auch in
einiger, wenn auch entfernteren, Verbindung Kanachos
von Sikyon, der einen berühmten Apollokoloß, in Erz
gegen Ol. 73. für das Didymäon 2, in Holz für das
Ismenion arbeitete. Wir können uns aus den Nach-
richten und mannigfaltigen Nachbildungen dieses Werks
folgenden Begriff davon zusammensetzen. Der Gott
erschien in männlicher Gestalt, mit breiter und starkge-
gewölbter Brust, viereckig an Körperbau, von torösen
Muskeln, die Beine fast säulenähnlich und von festem
Stande, das linke wenig vorgestellt. Die gescheitelten
Haare umwindet ein Band, vorn liegen sie in kleinen
drathförmigen Löckchen über der Stirn; auf jeder Schul-
ter drei geflochtene Zöpfe; hinten fallen sie in einem
breiten Busche über den Rücken. Das Gesicht zeigte
einen den Aeginetischen verwandten Typus. Die rechte,
gerade vorgestreckte Hand trug ein Hirschkalb, (ein
dunkles Symbol, das wir hier noch unerörtert lassen),
die linke mehr gesenkte einen Bogen. Der Eindruck
des Ganzen konnte kaum anders als ernst und streng
sein, und mußte mehr Hoheit und Würde als Anmuth

1 Tryphiod. V. 643. vgl. Hymn. auf Apoll P. 355. Von
der Delph. makh. als Meisterstück der khalkotupoi, Aristot. Pol. 1,
1, 5. und bei Hesych s. v. Auch zu Tarsos hat man eine heil.,
in Kydnoswasser gestählte, makhaira. Plut. def. or. 41. p. 368.
2 Hier stand auch ein hölzerner, ein thuios (wohl thuinos) Ap. Hesych.

lichen Opfermeſſers 1; auch die bei Pindar vom Dache
ſingenden goldenen Keledonen des Erzhauſes halte ich
nicht ganz fuͤr Erdichtung. —

Aber aus der Schule jener Sikyoniſchen Marmor-
arbeiter gingen Tektaͤos und Angelion hervor, welche
die beruͤhmte, wahrſcheinlich coloſſale, Bildſaͤule des
Gottes zu Delos aufſtellten, die auf einer Hand, wie
oben erwaͤhnt wurde, die Chariten, in der andern
einen Bogen trug. Und mit derſelben ſteht auch in
einiger, wenn auch entfernteren, Verbindung Kanachos
von Sikyon, der einen beruͤhmten Apollokoloß, in Erz
gegen Ol. 73. fuͤr das Didymaͤon 2, in Holz fuͤr das
Ismenion arbeitete. Wir koͤnnen uns aus den Nach-
richten und mannigfaltigen Nachbildungen dieſes Werks
folgenden Begriff davon zuſammenſetzen. Der Gott
erſchien in maͤnnlicher Geſtalt, mit breiter und ſtarkge-
gewoͤlbter Bruſt, viereckig an Koͤrperbau, von toroͤſen
Muskeln, die Beine faſt ſaͤulenaͤhnlich und von feſtem
Stande, das linke wenig vorgeſtellt. Die geſcheitelten
Haare umwindet ein Band, vorn liegen ſie in kleinen
drathfoͤrmigen Loͤckchen uͤber der Stirn; auf jeder Schul-
ter drei geflochtene Zoͤpfe; hinten fallen ſie in einem
breiten Buſche uͤber den Ruͤcken. Das Geſicht zeigte
einen den Aeginetiſchen verwandten Typus. Die rechte,
gerade vorgeſtreckte Hand trug ein Hirſchkalb, (ein
dunkles Symbol, das wir hier noch uneroͤrtert laſſen),
die linke mehr geſenkte einen Bogen. Der Eindruck
des Ganzen konnte kaum anders als ernſt und ſtreng
ſein, und mußte mehr Hoheit und Wuͤrde als Anmuth

1 Tryphiod. V. 643. vgl. Hymn. auf Apoll P. 355. Von
der Δελφ. μαχ. als Meiſterſtuͤck der χαλκοτύποι, Ariſtot. Pol. 1,
1, 5. und bei Heſych s. v. Auch zu Tarſos hat man eine heil.,
in Kydnoswaſſer geſtaͤhlte, μάχαιϱα. Plut. def. or. 41. p. 368.
2 Hier ſtand auch ein hoͤlzerner, ein ϑύϊος (wohl ϑύϊνος) Απ. Heſych.
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[360/0390] lichen Opfermeſſers 1; auch die bei Pindar vom Dache ſingenden goldenen Keledonen des Erzhauſes halte ich nicht ganz fuͤr Erdichtung. — Aber aus der Schule jener Sikyoniſchen Marmor- arbeiter gingen Tektaͤos und Angelion hervor, welche die beruͤhmte, wahrſcheinlich coloſſale, Bildſaͤule des Gottes zu Delos aufſtellten, die auf einer Hand, wie oben erwaͤhnt wurde, die Chariten, in der andern einen Bogen trug. Und mit derſelben ſteht auch in einiger, wenn auch entfernteren, Verbindung Kanachos von Sikyon, der einen beruͤhmten Apollokoloß, in Erz gegen Ol. 73. fuͤr das Didymaͤon 2, in Holz fuͤr das Ismenion arbeitete. Wir koͤnnen uns aus den Nach- richten und mannigfaltigen Nachbildungen dieſes Werks folgenden Begriff davon zuſammenſetzen. Der Gott erſchien in maͤnnlicher Geſtalt, mit breiter und ſtarkge- gewoͤlbter Bruſt, viereckig an Koͤrperbau, von toroͤſen Muskeln, die Beine faſt ſaͤulenaͤhnlich und von feſtem Stande, das linke wenig vorgeſtellt. Die geſcheitelten Haare umwindet ein Band, vorn liegen ſie in kleinen drathfoͤrmigen Loͤckchen uͤber der Stirn; auf jeder Schul- ter drei geflochtene Zoͤpfe; hinten fallen ſie in einem breiten Buſche uͤber den Ruͤcken. Das Geſicht zeigte einen den Aeginetiſchen verwandten Typus. Die rechte, gerade vorgeſtreckte Hand trug ein Hirſchkalb, (ein dunkles Symbol, das wir hier noch uneroͤrtert laſſen), die linke mehr geſenkte einen Bogen. Der Eindruck des Ganzen konnte kaum anders als ernſt und ſtreng ſein, und mußte mehr Hoheit und Wuͤrde als Anmuth 1 Tryphiod. V. 643. vgl. Hymn. auf Apoll P. 355. Von der Δελφ. μαχ. als Meiſterſtuͤck der χαλκοτύποι, Ariſtot. Pol. 1, 1, 5. und bei Heſych s. v. Auch zu Tarſos hat man eine heil., in Kydnoswaſſer geſtaͤhlte, μάχαιϱα. Plut. def. or. 41. p. 368. 2 Hier ſtand auch ein hoͤlzerner, ein ϑύϊος (wohl ϑύϊνος) Απ. Heſych.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/390>, abgerufen am 29.04.2024.