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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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und Lieblichkeit wiedergeben 1. Nicht viel verschieden
dem Style nach dürfen wir uns den großen Apollo-
koloß denken, den der um mehrere Olympiaden jüngere
Kalamis für die Pontischen Apolloniaten ohne Zweifel
in Erz arbeitete, und später Lucull nach Rom brach-
te 2; und den Apollon Alexikakos, den derselbe Meister
im Anfange des Peloponnesischen Kriegs in Athen auf-
stellte 3; auf keinen Fall dürfen wir, wie ein namhaf-
ter Archäolog gethan 4, bei solchen Tempelbildern an
lebhafte Bewegung und die schlanken Verhältnisse der
spätern Kunst denken. Auch der Apoll, den Kalamis
Zeitgenoß, Onatas von Aegina, für die Pergamener
schuf, war ein kolossales Bild, von wunderbarer Schön-
heit in der Körperform, und wie es scheint, jugendlicher
an Wuchs und Gestalt als nach dem damals herr-
schenden Typus 5. -- Aber was wir Apollinische Bil-
dung zu nennen gewohnt sind, ist auch nicht ein Pro-
dukt der nächstfolgenden Polykletischen oder Myronischen
Schule 6, sondern sicher erst ein Geschöpf der spätern
Zeit, indem sowohl die Münzen, die den Zeiten vor
Alexander angehören 7, als auch einzelne Köpfe, die
auf dieselbe Kunstepoche zurückgeführt werden müssen 8

1 "Ueber den Ap. des Kanachos" Kunstblatt 1821 n. 16.
Hieraus bestätigt sich auch Viscontis Conjectur, daß das Basrel.
PioCl. 5, 23. den dem Didymäischen Ap. die Waffen des Euphorb
weihenden Menelaos vorstelle; denn der Gott auf der Säule hat
fast ganz die angegebene Gestalt. Zu den Nachahmungen dieses
Ap. wären jetzt noch mehrere hinzuzufügen.
2 Str. 7, 319 b.
vgl. Plin. 13, 27. 34, 18.
3 Paus. 1, 4, 3.
4 Visc.
PioCl. T. 1. p. 26. 7. p. 93.
5 Aeginet. p. 106. -- vgl.
noch über ältere Apollstatuen Winckelm. Kunstgesch. Th. 1. p. 191.
Anm. Th. 3. S. 548.
6 Einen Ap. von diesem erwähnt Cic.
Verr. 2. l. 4, 43.
7 z. B. von Mitylene, Kroton, auch die
von Philippos I.
8 z. B. im Louvre n. 133. Catal. de
Clarac.

und Lieblichkeit wiedergeben 1. Nicht viel verſchieden
dem Style nach duͤrfen wir uns den großen Apollo-
koloß denken, den der um mehrere Olympiaden juͤngere
Kalamis fuͤr die Pontiſchen Apolloniaten ohne Zweifel
in Erz arbeitete, und ſpaͤter Lucull nach Rom brach-
te 2; und den Apollon Alexikakos, den derſelbe Meiſter
im Anfange des Peloponneſiſchen Kriegs in Athen auf-
ſtellte 3; auf keinen Fall duͤrfen wir, wie ein namhaf-
ter Archaͤolog gethan 4, bei ſolchen Tempelbildern an
lebhafte Bewegung und die ſchlanken Verhaͤltniſſe der
ſpaͤtern Kunſt denken. Auch der Apoll, den Kalamis
Zeitgenoß, Onatas von Aegina, fuͤr die Pergamener
ſchuf, war ein koloſſales Bild, von wunderbarer Schoͤn-
heit in der Koͤrperform, und wie es ſcheint, jugendlicher
an Wuchs und Geſtalt als nach dem damals herr-
ſchenden Typus 5. — Aber was wir Apolliniſche Bil-
dung zu nennen gewohnt ſind, iſt auch nicht ein Pro-
dukt der naͤchſtfolgenden Polykletiſchen oder Myroniſchen
Schule 6, ſondern ſicher erſt ein Geſchoͤpf der ſpaͤtern
Zeit, indem ſowohl die Muͤnzen, die den Zeiten vor
Alexander angehoͤren 7, als auch einzelne Koͤpfe, die
auf dieſelbe Kunſtepoche zuruͤckgefuͤhrt werden muͤſſen 8

1 “Ueber den Ap. des Kanachos” Kunſtblatt 1821 n. 16.
Hieraus beſtaͤtigt ſich auch Viscontis Conjectur, daß das Basrel.
PioCl. 5, 23. den dem Didymaͤiſchen Ap. die Waffen des Euphorb
weihenden Menelaos vorſtelle; denn der Gott auf der Saͤule hat
faſt ganz die angegebene Geſtalt. Zu den Nachahmungen dieſes
Ap. waͤren jetzt noch mehrere hinzuzufuͤgen.
2 Str. 7, 319 b.
vgl. Plin. 13, 27. 34, 18.
3 Pauſ. 1, 4, 3.
4 Visc.
PioCl. T. 1. p. 26. 7. p. 93.
5 Aeginet. p. 106. — vgl.
noch uͤber aͤltere Apollſtatuen Winckelm. Kunſtgeſch. Th. 1. p. 191.
Anm. Th. 3. S. 548.
6 Einen Ap. von dieſem erwaͤhnt Cic.
Verr. 2. l. 4, 43.
7 z. B. von Mitylene, Kroton, auch die
von Philippos I.
8 z. B. im Louvre n. 133. Catal. de
Clarac.
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[361/0391] und Lieblichkeit wiedergeben 1. Nicht viel verſchieden dem Style nach duͤrfen wir uns den großen Apollo- koloß denken, den der um mehrere Olympiaden juͤngere Kalamis fuͤr die Pontiſchen Apolloniaten ohne Zweifel in Erz arbeitete, und ſpaͤter Lucull nach Rom brach- te 2; und den Apollon Alexikakos, den derſelbe Meiſter im Anfange des Peloponneſiſchen Kriegs in Athen auf- ſtellte 3; auf keinen Fall duͤrfen wir, wie ein namhaf- ter Archaͤolog gethan 4, bei ſolchen Tempelbildern an lebhafte Bewegung und die ſchlanken Verhaͤltniſſe der ſpaͤtern Kunſt denken. Auch der Apoll, den Kalamis Zeitgenoß, Onatas von Aegina, fuͤr die Pergamener ſchuf, war ein koloſſales Bild, von wunderbarer Schoͤn- heit in der Koͤrperform, und wie es ſcheint, jugendlicher an Wuchs und Geſtalt als nach dem damals herr- ſchenden Typus 5. — Aber was wir Apolliniſche Bil- dung zu nennen gewohnt ſind, iſt auch nicht ein Pro- dukt der naͤchſtfolgenden Polykletiſchen oder Myroniſchen Schule 6, ſondern ſicher erſt ein Geſchoͤpf der ſpaͤtern Zeit, indem ſowohl die Muͤnzen, die den Zeiten vor Alexander angehoͤren 7, als auch einzelne Koͤpfe, die auf dieſelbe Kunſtepoche zuruͤckgefuͤhrt werden muͤſſen 8 1 “Ueber den Ap. des Kanachos” Kunſtblatt 1821 n. 16. Hieraus beſtaͤtigt ſich auch Viscontis Conjectur, daß das Basrel. PioCl. 5, 23. den dem Didymaͤiſchen Ap. die Waffen des Euphorb weihenden Menelaos vorſtelle; denn der Gott auf der Saͤule hat faſt ganz die angegebene Geſtalt. Zu den Nachahmungen dieſes Ap. waͤren jetzt noch mehrere hinzuzufuͤgen. 2 Str. 7, 319 b. vgl. Plin. 13, 27. 34, 18. 3 Pauſ. 1, 4, 3. 4 Visc. PioCl. T. 1. p. 26. 7. p. 93. 5 Aeginet. p. 106. — vgl. noch uͤber aͤltere Apollſtatuen Winckelm. Kunſtgeſch. Th. 1. p. 191. Anm. Th. 3. S. 548. 6 Einen Ap. von dieſem erwaͤhnt Cic. Verr. 2. l. 4, 43. 7 z. B. von Mitylene, Kroton, auch die von Philippos I. 8 z. B. im Louvre n. 133. Catal. de Clarac.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/391>, abgerufen am 15.05.2024.