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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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Luxus entstanden; ursprünglich war gerade das Mahl
zu freier Gemüthserheiterung bestimmt. Das Gespräch
bezog sich zwar viel auf das gemeine Wesen 1, aber
heiteres Lachen und munterer Scherz war nicht aus-
geschlossen 2, eine allgemeine Vertraulichkeit öffnete
Jedem den Mund, und Gesang gehörte nothwendig
dazu, wie Alkman 3 sagt:

Beim Mahle und Bechergelag' im Kreis' frohzechender Tafel-
genossen
Geziemt anstimmen den Päan.

Auch die Benennung der "Sparmahle", pheiditia, war
nicht alt, und kam den Spartiaten wohl von außen;
ehemals hießen sie hier wie in Kreta andreia oder
Männermahle 4. Denn die Männer waren es nur,
welche an ihnen Antheil hatten; die Jünglinge und
Knaben aßen in ihren Agelen, nur die Kleinern wur-
den mitgenommen, sie saßen in Kreta wie in Sparta
auf niedrigen Schemeln am Sitze des Vaters, und
bekamen dort halbe Portion ohne alles Gewürz (abam-
bakeusta) 5. Die Frauen hatten an den Syssitien
der Männer keinen Antheil; sie aßen zu Sparta, wie
in Kreta, wenigstens in der Regel, im Hause 6; hier

1 Xen. Staat 5, 6. Oben S. 277, 3. vgl. von Kreta Dosia-
das a. O.
2 Kritias a. O. Plut. Lyk. 12.
3 Fr. 37.
4 Alkman a. O. Ephor. bei Str. 10, 482. Arist. 2, 7, 3. Sonst
aikla, wie auch Epicharm für deipna.
5 Pyrgion bei Ath.
143 e. vgl. Casaub. Ephoros bei Str. 10, 483 a. Von Sparta
Alkman oben S. 277, 5. Plut. Lyk. 12. Qu. Gr. 33. p. 332. über
die Phigalische Sitte, Ath. 4, 148 f.
6 Dies folgt aus Pla-
tons Ges. 6, 780 d. 781 a. vgl. Plut. Lyk. 12. Lak. Ap. p. 221.
para te gunaiki (d. i. oikoi) deipnein. vgl. auch Lyk. 26. Athen.
14, 646 a. spricht von Mahlzeiten der Weiber in Sp., bei denen
sie die Kuchen kribanas herumtrugen, wenn sie im Chor das Lob-
lied der Jungfrau anstimmen wollten, wohl bei Hochzeiten. Aristot.

Luxus entſtanden; urſpruͤnglich war gerade das Mahl
zu freier Gemuͤthserheiterung beſtimmt. Das Geſpraͤch
bezog ſich zwar viel auf das gemeine Weſen 1, aber
heiteres Lachen und munterer Scherz war nicht aus-
geſchloſſen 2, eine allgemeine Vertraulichkeit oͤffnete
Jedem den Mund, und Geſang gehoͤrte nothwendig
dazu, wie Alkman 3 ſagt:

Beim Mahle und Bechergelag’ im Kreiſ’ frohzechender Tafel-
genoſſen
Geziemt anſtimmen den Paͤan.

Auch die Benennung der “Sparmahle”, φειδίτια, war
nicht alt, und kam den Spartiaten wohl von außen;
ehemals hießen ſie hier wie in Kreta ἀνδρεῖα oder
Maͤnnermahle 4. Denn die Maͤnner waren es nur,
welche an ihnen Antheil hatten; die Juͤnglinge und
Knaben aßen in ihren Agelen, nur die Kleinern wur-
den mitgenommen, ſie ſaßen in Kreta wie in Sparta
auf niedrigen Schemeln am Sitze des Vaters, und
bekamen dort halbe Portion ohne alles Gewuͤrz (ἀβαμ-
βάκευστα) 5. Die Frauen hatten an den Syſſitien
der Maͤnner keinen Antheil; ſie aßen zu Sparta, wie
in Kreta, wenigſtens in der Regel, im Hauſe 6; hier

1 Xen. Staat 5, 6. Oben S. 277, 3. vgl. von Kreta Doſia-
das a. O.
2 Kritias a. O. Plut. Lyk. 12.
3 Fr. 37.
4 Alkman a. O. Ephor. bei Str. 10, 482. Ariſt. 2, 7, 3. Sonſt
αἶκλα, wie auch Epicharm fuͤr δεῖπνα.
5 Pyrgion bei Ath.
143 e. vgl. Caſaub. Ephoros bei Str. 10, 483 a. Von Sparta
Alkman oben S. 277, 5. Plut. Lyk. 12. Qu. Gr. 33. p. 332. uͤber
die Phigaliſche Sitte, Ath. 4, 148 f.
6 Dies folgt aus Pla-
tons Geſ. 6, 780 d. 781 a. vgl. Plut. Lyk. 12. Lak. Ap. p. 221.
παϱὰ τῇ γυναικὶ (d. i. οἴκοι) δειπνεῖν. vgl. auch Lyk. 26. Athen.
14, 646 a. ſpricht von Mahlzeiten der Weiber in Sp., bei denen
ſie die Kuchen κϱιβάνας herumtrugen, wenn ſie im Chor das Lob-
lied der Jungfrau anſtimmen wollten, wohl bei Hochzeiten. Ariſtot.
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[278/0284] Luxus entſtanden; urſpruͤnglich war gerade das Mahl zu freier Gemuͤthserheiterung beſtimmt. Das Geſpraͤch bezog ſich zwar viel auf das gemeine Weſen 1, aber heiteres Lachen und munterer Scherz war nicht aus- geſchloſſen 2, eine allgemeine Vertraulichkeit oͤffnete Jedem den Mund, und Geſang gehoͤrte nothwendig dazu, wie Alkman 3 ſagt: Beim Mahle und Bechergelag’ im Kreiſ’ frohzechender Tafel- genoſſen Geziemt anſtimmen den Paͤan. Auch die Benennung der “Sparmahle”, φειδίτια, war nicht alt, und kam den Spartiaten wohl von außen; ehemals hießen ſie hier wie in Kreta ἀνδρεῖα oder Maͤnnermahle 4. Denn die Maͤnner waren es nur, welche an ihnen Antheil hatten; die Juͤnglinge und Knaben aßen in ihren Agelen, nur die Kleinern wur- den mitgenommen, ſie ſaßen in Kreta wie in Sparta auf niedrigen Schemeln am Sitze des Vaters, und bekamen dort halbe Portion ohne alles Gewuͤrz (ἀβαμ- βάκευστα) 5. Die Frauen hatten an den Syſſitien der Maͤnner keinen Antheil; ſie aßen zu Sparta, wie in Kreta, wenigſtens in der Regel, im Hauſe 6; hier 1 Xen. Staat 5, 6. Oben S. 277, 3. vgl. von Kreta Doſia- das a. O. 2 Kritias a. O. Plut. Lyk. 12. 3 Fr. 37. 4 Alkman a. O. Ephor. bei Str. 10, 482. Ariſt. 2, 7, 3. Sonſt αἶκλα, wie auch Epicharm fuͤr δεῖπνα. 5 Pyrgion bei Ath. 143 e. vgl. Caſaub. Ephoros bei Str. 10, 483 a. Von Sparta Alkman oben S. 277, 5. Plut. Lyk. 12. Qu. Gr. 33. p. 332. uͤber die Phigaliſche Sitte, Ath. 4, 148 f. 6 Dies folgt aus Pla- tons Geſ. 6, 780 d. 781 a. vgl. Plut. Lyk. 12. Lak. Ap. p. 221. παϱὰ τῇ γυναικὶ (d. i. οἴκοι) δειπνεῖν. vgl. auch Lyk. 26. Athen. 14, 646 a. ſpricht von Mahlzeiten der Weiber in Sp., bei denen ſie die Kuchen κϱιβάνας herumtrugen, wenn ſie im Chor das Lob- lied der Jungfrau anſtimmen wollten, wohl bei Hochzeiten. Ariſtot.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/284>, abgerufen am 30.04.2024.