Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

hende Meisterschaft Göthe's auf ihren beschränkten
Standpunkt herabzuziehen. Mehre vielgelesene Blätter
haben bereits die glückliche Ausführung des Unterneh-
mens dargethan und Schubarths Versuch für die
richtige Würdigung Göthe's allen empfohlen, die den
Meister in allen Bezügen näher und gründlich kennen
lernen wollen. Der Verf. hat sich, wo nicht das ein-
zige, doch sicher ein großes Verdienst durch den Ver-
such erworben, in jeder bedeutenden Schöpfung des
Dichters den Puls eines eigenen Lebens aufzufinden,
und nach den sichtbaren Kennzeichen der Verwandtschaft
die Gesammtmasse derselben zu einer organischen Ein-
heit, als dem natürlichen Abdruck oder Karakter der
hervorbringenden Kraft, klar und zuverlässig zu ver-
binden. Dieser aufgestellte Grundsatz verdient eben
so viel Lob, als die Durchführung gelungen zu nennen
ist. Göthe selber sagt: "Er komme sich vor, als ob
"er durch einen Doppelspath seine Persönlichkeit in
"zwei Bildern gewahre, wobei es ihm schwer sei, das
"ursprüngliche und abgeleitete zu unterscheiden. Für
"das eine könnten seine eigenen Werke gelten, für das
"andere die unternommene Schubarthsche Auslegung.
Einen ähnlichen Versuch hat Schubarth zur

Beurtheilung Homers unternommen, und über
den ionischen Sänger, sein Zeitalter und seine Stellung
und Verhältniß zu seinen Zeitgenossen viel Treffliches,
sowohl für den Philologen als überhaupt für den Freund
griechischer Poesie, gesagt. Diese Schrift, deren voll-
ständiger Titel ist:

Schubarth, K. E., Ideen über Homer und
sein Zeitalter
. 8. 1821.
Weiß Druckpapier 1 Rtlr. 12 Gr.
Schweizer Papier 2 Rtlr.
zerfällt in 2 Theile. In dem ersten sucht der Ver-
fasser der Betrachtung Homerischer Poesie einen neuen,
eigenthümlichen, durchaus freien Standpunkt auszumit-
teln. In dem zweiten entwikkelt er den Kulturzustand
der Homerischen Zeit, die kunstreiche Anlage der Hand-
lung und Charaktere in der Ilias, überhaupt die Rich-
tung, den Zweck und das Heimatliche der Homerischen

hende Meiſterſchaft Goͤthe’s auf ihren beſchraͤnkten
Standpunkt herabzuziehen. Mehre vielgeleſene Blaͤtter
haben bereits die gluͤckliche Ausfuͤhrung des Unterneh-
mens dargethan und Schubarths Verſuch fuͤr die
richtige Wuͤrdigung Goͤthe’s allen empfohlen, die den
Meiſter in allen Bezuͤgen naͤher und gruͤndlich kennen
lernen wollen. Der Verf. hat ſich, wo nicht das ein-
zige, doch ſicher ein großes Verdienſt durch den Ver-
ſuch erworben, in jeder bedeutenden Schoͤpfung des
Dichters den Puls eines eigenen Lebens aufzufinden,
und nach den ſichtbaren Kennzeichen der Verwandtſchaft
die Geſammtmaſſe derſelben zu einer organiſchen Ein-
heit, als dem natuͤrlichen Abdruck oder Karakter der
hervorbringenden Kraft, klar und zuverlaͤſſig zu ver-
binden. Dieſer aufgeſtellte Grundſatz verdient eben
ſo viel Lob, als die Durchfuͤhrung gelungen zu nennen
iſt. Goͤthe ſelber ſagt: „Er komme ſich vor, als ob
„er durch einen Doppelſpath ſeine Perſoͤnlichkeit in
„zwei Bildern gewahre, wobei es ihm ſchwer ſei, das
„urſpruͤngliche und abgeleitete zu unterſcheiden. Fuͤr
„das eine koͤnnten ſeine eigenen Werke gelten, fuͤr das
„andere die unternommene Schubarthſche Auslegung.
Einen aͤhnlichen Verſuch hat Schubarth zur

Beurtheilung Homers unternommen, und uͤber
den ioniſchen Saͤnger, ſein Zeitalter und ſeine Stellung
und Verhaͤltniß zu ſeinen Zeitgenoſſen viel Treffliches,
ſowohl fuͤr den Philologen als uͤberhaupt fuͤr den Freund
griechiſcher Poeſie, geſagt. Dieſe Schrift, deren voll-
ſtaͤndiger Titel iſt:

Schubarth, K. E., Ideen uͤber Homer und
ſein Zeitalter
. 8. 1821.
Weiß Druckpapier 1 Rtlr. 12 Gr.
Schweizer Papier 2 Rtlr.
zerfaͤllt in 2 Theile. In dem erſten ſucht der Ver-
faſſer der Betrachtung Homeriſcher Poeſie einen neuen,
eigenthuͤmlichen, durchaus freien Standpunkt auszumit-
teln. In dem zweiten entwikkelt er den Kulturzuſtand
der Homeriſchen Zeit, die kunſtreiche Anlage der Hand-
lung und Charaktere in der Ilias, uͤberhaupt die Rich-
tung, den Zweck und das Heimatliche der Homeriſchen

<TEI>
  <text>
    <back>
      <div type="advertisement">
        <p><pb facs="#f0576" n="570"/>
hende Mei&#x017F;ter&#x017F;chaft <hi rendition="#g">Go&#x0364;the&#x2019;s</hi> auf ihren be&#x017F;chra&#x0364;nkten<lb/>
Standpunkt herabzuziehen. Mehre vielgele&#x017F;ene Bla&#x0364;tter<lb/>
haben bereits die glu&#x0364;ckliche Ausfu&#x0364;hrung des Unterneh-<lb/>
mens dargethan und <hi rendition="#g">Schubarths</hi> Ver&#x017F;uch fu&#x0364;r die<lb/>
richtige Wu&#x0364;rdigung <hi rendition="#g">Go&#x0364;the&#x2019;s</hi> allen empfohlen, die den<lb/>
Mei&#x017F;ter in allen Bezu&#x0364;gen na&#x0364;her und gru&#x0364;ndlich kennen<lb/>
lernen wollen. Der Verf. hat &#x017F;ich, wo nicht das ein-<lb/>
zige, doch &#x017F;icher ein großes Verdien&#x017F;t durch den Ver-<lb/>
&#x017F;uch erworben, in jeder bedeutenden Scho&#x0364;pfung des<lb/>
Dichters den Puls eines eigenen Lebens aufzufinden,<lb/>
und nach den &#x017F;ichtbaren Kennzeichen der Verwandt&#x017F;chaft<lb/>
die Ge&#x017F;ammtma&#x017F;&#x017F;e der&#x017F;elben zu einer organi&#x017F;chen Ein-<lb/>
heit, als dem natu&#x0364;rlichen Abdruck oder Karakter der<lb/>
hervorbringenden Kraft, klar und zuverla&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig zu ver-<lb/>
binden. Die&#x017F;er aufge&#x017F;tellte Grund&#x017F;atz verdient eben<lb/>
&#x017F;o viel Lob, als die Durchfu&#x0364;hrung gelungen zu nennen<lb/>
i&#x017F;t. <hi rendition="#g">Go&#x0364;the</hi> &#x017F;elber &#x017F;agt: &#x201E;Er komme &#x017F;ich vor, als ob<lb/>
&#x201E;er durch einen Doppel&#x017F;path &#x017F;eine Per&#x017F;o&#x0364;nlichkeit in<lb/>
&#x201E;zwei Bildern gewahre, wobei es ihm &#x017F;chwer &#x017F;ei, das<lb/>
&#x201E;ur&#x017F;pru&#x0364;ngliche und abgeleitete zu unter&#x017F;cheiden. Fu&#x0364;r<lb/>
&#x201E;das eine ko&#x0364;nnten &#x017F;eine eigenen Werke gelten, fu&#x0364;r das<lb/>
&#x201E;andere die unternommene Schubarth&#x017F;che Auslegung.<lb/>
Einen a&#x0364;hnlichen Ver&#x017F;uch hat <hi rendition="#g">Schubarth</hi> zur</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Beurtheilung Homers</hi> unternommen, und u&#x0364;ber<lb/>
den ioni&#x017F;chen Sa&#x0364;nger, &#x017F;ein Zeitalter und &#x017F;eine Stellung<lb/>
und Verha&#x0364;ltniß zu &#x017F;einen Zeitgeno&#x017F;&#x017F;en viel Treffliches,<lb/>
&#x017F;owohl fu&#x0364;r den Philologen als u&#x0364;berhaupt fu&#x0364;r den Freund<lb/>
griechi&#x017F;cher Poe&#x017F;ie, ge&#x017F;agt. Die&#x017F;e Schrift, deren voll-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndiger Titel i&#x017F;t:</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Schubarth</hi>, K. E., <hi rendition="#g">Ideen u&#x0364;ber Homer und<lb/>
&#x017F;ein Zeitalter</hi>. 8. 1821.<lb/>
Weiß Druckpapier 1 Rtlr. 12 Gr.<lb/>
Schweizer Papier 2 Rtlr.<lb/>
zerfa&#x0364;llt in 2 Theile. In dem er&#x017F;ten &#x017F;ucht der Ver-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;er der Betrachtung Homeri&#x017F;cher Poe&#x017F;ie einen neuen,<lb/>
eigenthu&#x0364;mlichen, durchaus freien Standpunkt auszumit-<lb/>
teln. In dem zweiten entwikkelt er den Kulturzu&#x017F;tand<lb/>
der Homeri&#x017F;chen Zeit, die kun&#x017F;treiche Anlage der Hand-<lb/>
lung und Charaktere in der Ilias, u&#x0364;berhaupt die Rich-<lb/>
tung, den Zweck und das Heimatliche der Homeri&#x017F;chen<lb/></p>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[570/0576] hende Meiſterſchaft Goͤthe’s auf ihren beſchraͤnkten Standpunkt herabzuziehen. Mehre vielgeleſene Blaͤtter haben bereits die gluͤckliche Ausfuͤhrung des Unterneh- mens dargethan und Schubarths Verſuch fuͤr die richtige Wuͤrdigung Goͤthe’s allen empfohlen, die den Meiſter in allen Bezuͤgen naͤher und gruͤndlich kennen lernen wollen. Der Verf. hat ſich, wo nicht das ein- zige, doch ſicher ein großes Verdienſt durch den Ver- ſuch erworben, in jeder bedeutenden Schoͤpfung des Dichters den Puls eines eigenen Lebens aufzufinden, und nach den ſichtbaren Kennzeichen der Verwandtſchaft die Geſammtmaſſe derſelben zu einer organiſchen Ein- heit, als dem natuͤrlichen Abdruck oder Karakter der hervorbringenden Kraft, klar und zuverlaͤſſig zu ver- binden. Dieſer aufgeſtellte Grundſatz verdient eben ſo viel Lob, als die Durchfuͤhrung gelungen zu nennen iſt. Goͤthe ſelber ſagt: „Er komme ſich vor, als ob „er durch einen Doppelſpath ſeine Perſoͤnlichkeit in „zwei Bildern gewahre, wobei es ihm ſchwer ſei, das „urſpruͤngliche und abgeleitete zu unterſcheiden. Fuͤr „das eine koͤnnten ſeine eigenen Werke gelten, fuͤr das „andere die unternommene Schubarthſche Auslegung. Einen aͤhnlichen Verſuch hat Schubarth zur Beurtheilung Homers unternommen, und uͤber den ioniſchen Saͤnger, ſein Zeitalter und ſeine Stellung und Verhaͤltniß zu ſeinen Zeitgenoſſen viel Treffliches, ſowohl fuͤr den Philologen als uͤberhaupt fuͤr den Freund griechiſcher Poeſie, geſagt. Dieſe Schrift, deren voll- ſtaͤndiger Titel iſt: Schubarth, K. E., Ideen uͤber Homer und ſein Zeitalter. 8. 1821. Weiß Druckpapier 1 Rtlr. 12 Gr. Schweizer Papier 2 Rtlr. zerfaͤllt in 2 Theile. In dem erſten ſucht der Ver- faſſer der Betrachtung Homeriſcher Poeſie einen neuen, eigenthuͤmlichen, durchaus freien Standpunkt auszumit- teln. In dem zweiten entwikkelt er den Kulturzuſtand der Homeriſchen Zeit, die kunſtreiche Anlage der Hand- lung und Charaktere in der Ilias, uͤberhaupt die Rich- tung, den Zweck und das Heimatliche der Homeriſchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/576
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 570. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/576>, abgerufen am 03.05.2024.