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Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726.

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dahero alle die Scheitanen, ob sie wohl nicht so
hoch von ihnen aestimiret wurden, man sie doch
mit beschmutzten und gläntzenden Mäulern an-
antraff/ und ein jeglicher mit schmutzigem Mun-
de aus der Hütten guckte.

§. 23. Nach aufgehobenem Panquet schlu-
gen sie mit Stöcken, nach Gewohnheit in die
Lufft, und convoyrten den Geist wieder nach sei-
nem Element. Wenn sie aber unglücklich in
ihrem Fangen waren, und nach offenem Was-
ser so fort nicht nach ihrem Willen von denen Fi-
schen aus dem Meer erhielten/ bunden sie dem
Götzen einen Strick am Halß/ und wurffen
ihn in ein unflätiges Loch/ peitschten ihn zuvor/
und worffen mit unempfindlichen Schelt-Wör-
tern um sich/ daß er entweder geschlaffen/ wie er
von ihnen sey angeruffen worden/ oder daß er
nicht mehr zum Götzen tauge/ vielleicht daß ihm
die Kräffte mit den Jahren abnehmen/ ihren
Vor-Eltern hätte er noch grosse Dienste gethan/
nun würde er faul und unvermögend. Sie spo-
lirten
ihn auch aller Bekleidung, und rückten
ihm auf/ daß sie gleichwohl in grossen Hunger
und Mangel seiner verbosten Nachläßigkeit hal-
ber gerahten wären. Jn solchem Loche wurde
er so lange arrestiret gehalten, und mit den
schmälichsten und unverdaulichsten Worten zu-
gesetzt/ biß sie von ohngefehr nach der Jahrzeit
die Fische aus dem Meer wieder fiengen, als-
denn vergassen sie alles zugewandte Hertzeleid,
nahmen den geschimpfften Götzen wieder aus

der

dahero alle die Scheitanen, ob ſie wohl nicht ſo
hoch von ihnen æſtimiret wurden, man ſie doch
mit beſchmutzten und glaͤntzenden Maͤulern an-
antraff/ und ein jeglicher mit ſchmutzigem Mun-
de aus der Huͤtten guckte.

§. 23. Nach aufgehobenem Panquet ſchlu-
gen ſie mit Stoͤcken, nach Gewohnheit in die
Lufft, und convoyrten den Geiſt wieder nach ſei-
nem Element. Wenn ſie aber ungluͤcklich in
ihrem Fangen waren, und nach offenem Waſ-
ſer ſo fort nicht nach ihrem Willen von denen Fi-
ſchen aus dem Meer erhielten/ bunden ſie dem
Goͤtzen einen Strick am Halß/ und wurffen
ihn in ein unflaͤtiges Loch/ peitſchten ihn zuvor/
und worffen mit unempfindlichen Schelt-Woͤr-
tern um ſich/ daß er entweder geſchlaffen/ wie er
von ihnen ſey angeruffen worden/ oder daß er
nicht mehr zum Goͤtzen tauge/ vielleicht daß ihm
die Kraͤffte mit den Jahren abnehmen/ ihren
Vor-Eltern haͤtte er noch groſſe Dienſte gethan/
nun wuͤrde er faul und unvermoͤgend. Sie ſpo-
lirten
ihn auch aller Bekleidung, und ruͤckten
ihm auf/ daß ſie gleichwohl in groſſen Hunger
und Mangel ſeiner verboſten Nachlaͤßigkeit hal-
ber gerahten waͤren. Jn ſolchem Loche wurde
er ſo lange arreſtiret gehalten, und mit den
ſchmaͤlichſten und unverdaulichſten Worten zu-
geſetzt/ biß ſie von ohngefehr nach der Jahrzeit
die Fiſche aus dem Meer wieder fiengen, als-
denn vergaſſen ſie alles zugewandte Hertzeleid,
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[62/0078] dahero alle die Scheitanen, ob ſie wohl nicht ſo hoch von ihnen æſtimiret wurden, man ſie doch mit beſchmutzten und glaͤntzenden Maͤulern an- antraff/ und ein jeglicher mit ſchmutzigem Mun- de aus der Huͤtten guckte. §. 23. Nach aufgehobenem Panquet ſchlu- gen ſie mit Stoͤcken, nach Gewohnheit in die Lufft, und convoyrten den Geiſt wieder nach ſei- nem Element. Wenn ſie aber ungluͤcklich in ihrem Fangen waren, und nach offenem Waſ- ſer ſo fort nicht nach ihrem Willen von denen Fi- ſchen aus dem Meer erhielten/ bunden ſie dem Goͤtzen einen Strick am Halß/ und wurffen ihn in ein unflaͤtiges Loch/ peitſchten ihn zuvor/ und worffen mit unempfindlichen Schelt-Woͤr- tern um ſich/ daß er entweder geſchlaffen/ wie er von ihnen ſey angeruffen worden/ oder daß er nicht mehr zum Goͤtzen tauge/ vielleicht daß ihm die Kraͤffte mit den Jahren abnehmen/ ihren Vor-Eltern haͤtte er noch groſſe Dienſte gethan/ nun wuͤrde er faul und unvermoͤgend. Sie ſpo- lirten ihn auch aller Bekleidung, und ruͤckten ihm auf/ daß ſie gleichwohl in groſſen Hunger und Mangel ſeiner verboſten Nachlaͤßigkeit hal- ber gerahten waͤren. Jn ſolchem Loche wurde er ſo lange arreſtiret gehalten, und mit den ſchmaͤlichſten und unverdaulichſten Worten zu- geſetzt/ biß ſie von ohngefehr nach der Jahrzeit die Fiſche aus dem Meer wieder fiengen, als- denn vergaſſen ſie alles zugewandte Hertzeleid, nahmen den geſchimpfften Goͤtzen wieder aus der

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Zitationshilfe: Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/78>, abgerufen am 26.04.2024.