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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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ge übersehen worden, alle Gemüther anzieh'n.
Jetzt müssen ja wohl auch andre Vorstellungen
vom Nutzen und vom ökonomischen Werth in
Umlauf kommen; jetzt muß man ja wohl begrei-
fen lernen, daß der augenblickliche Nutzen und
ein tausendjähriges Recht einander nie wahrhaft
widersprechen können.

Das Recht und die Oekonomie führen unter
einander einen alten Streit auf der Erde; das
Gesetz und der Nutzen scheinen schwer zu ver-
söhnen --: das Gesetz, weil es, der gemeinen
Ansicht nach, ein ewiges; der Nutzen, weil er
ein augenblickliches Ding ist. Sobald man
aber einsieht, daß das einzelne Gesetz nicht zwin-
gen kann, ausgenommen in dem Kreise bestimm-
ter Fälle, für die es als Gesetz gilt; daß es be-
stimmte Grenzen, also nicht ewige Dauer hat,
welche nur die Idee des Rechtes haben kann:
-- sobald wird man auch einsehn, daß der
Nutzen nicht etwas durchaus Augenblickliches ist;
man wird dauernden Nutzen verlangen, und der
dauernde Nutzen wird dem Gesetze nicht weiter
widersprechen.

Man blicke nur in die Geschichte; man folge
irgend einer Nation durch den Lauf einiger Jahr-
hunderte: so wird man ein juristisches Ganze
und ein ökonomisches Ganze sehen; man wird,

ge uͤberſehen worden, alle Gemuͤther anzieh’n.
Jetzt muͤſſen ja wohl auch andre Vorſtellungen
vom Nutzen und vom oͤkonomiſchen Werth in
Umlauf kommen; jetzt muß man ja wohl begrei-
fen lernen, daß der augenblickliche Nutzen und
ein tauſendjaͤhriges Recht einander nie wahrhaft
widerſprechen koͤnnen.

Das Recht und die Oekonomie fuͤhren unter
einander einen alten Streit auf der Erde; das
Geſetz und der Nutzen ſcheinen ſchwer zu ver-
ſoͤhnen —: das Geſetz, weil es, der gemeinen
Anſicht nach, ein ewiges; der Nutzen, weil er
ein augenblickliches Ding iſt. Sobald man
aber einſieht, daß das einzelne Geſetz nicht zwin-
gen kann, ausgenommen in dem Kreiſe beſtimm-
ter Faͤlle, fuͤr die es als Geſetz gilt; daß es be-
ſtimmte Grenzen, alſo nicht ewige Dauer hat,
welche nur die Idee des Rechtes haben kann:
— ſobald wird man auch einſehn, daß der
Nutzen nicht etwas durchaus Augenblickliches iſt;
man wird dauernden Nutzen verlangen, und der
dauernde Nutzen wird dem Geſetze nicht weiter
widerſprechen.

Man blicke nur in die Geſchichte; man folge
irgend einer Nation durch den Lauf einiger Jahr-
hunderte: ſo wird man ein juriſtiſches Ganze
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[87/0121] ge uͤberſehen worden, alle Gemuͤther anzieh’n. Jetzt muͤſſen ja wohl auch andre Vorſtellungen vom Nutzen und vom oͤkonomiſchen Werth in Umlauf kommen; jetzt muß man ja wohl begrei- fen lernen, daß der augenblickliche Nutzen und ein tauſendjaͤhriges Recht einander nie wahrhaft widerſprechen koͤnnen. Das Recht und die Oekonomie fuͤhren unter einander einen alten Streit auf der Erde; das Geſetz und der Nutzen ſcheinen ſchwer zu ver- ſoͤhnen —: das Geſetz, weil es, der gemeinen Anſicht nach, ein ewiges; der Nutzen, weil er ein augenblickliches Ding iſt. Sobald man aber einſieht, daß das einzelne Geſetz nicht zwin- gen kann, ausgenommen in dem Kreiſe beſtimm- ter Faͤlle, fuͤr die es als Geſetz gilt; daß es be- ſtimmte Grenzen, alſo nicht ewige Dauer hat, welche nur die Idee des Rechtes haben kann: — ſobald wird man auch einſehn, daß der Nutzen nicht etwas durchaus Augenblickliches iſt; man wird dauernden Nutzen verlangen, und der dauernde Nutzen wird dem Geſetze nicht weiter widerſprechen. Man blicke nur in die Geſchichte; man folge irgend einer Nation durch den Lauf einiger Jahr- hunderte: ſo wird man ein juriſtiſches Ganze und ein oͤkonomiſches Ganze ſehen; man wird,

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/121>, abgerufen am 30.04.2024.