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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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kleinen." So nähert sich die Oekonomie, je er-
leuchteter, je weitsichtiger sie wird, immer mehr
dem Rechte. --

Wir wollen aber den Fall setzen, es sey nicht
um die Aufhebung der Majorate, sondern um
die Aufhebung und Auseinandersetzung der Ge-
meinheiten zu thun. Die augenscheinliche Ver-
mehrung des reinen Einkommens einer Nation
spricht für die Aufhebung; ein altes Gesetz spricht
dagegen, doch ein Gesetz von viel geringerem
Umfange, als jenes, welches gegen die Aufhe-
bung der Majorate spricht. Gewohnheit, Starr-
sinn der Bauern stellen sich auf die Seite des
Gesetzes; doch der unmittelbare Vortheil kann
hier den Sieg über ein beschränktes und ohn-
mächtiges Gesetz davon tragen.

Aber wie wird der Vortheil gegen das ein-
zelne, ihm widerstreitende Gesetz abgewogen?
Sowohl in dem Calcul über das Gesetz, als in
dem andern über den Nutzen, muß der Lauf der
Zeit, ja der Jahrhunderte, mit in Anschlag ge-
bracht werden; wie sich das Gesetz und der öko-
nomische Vortheil im Laufe der Jahre verhal-
ten: das ist ihre große Probe in der Seele des
Staatsmanns. Vor ihm ist weder das einzelne
Gesetz etwas bloß Ideales und Ewiges, noch

kleinen.” So naͤhert ſich die Oekonomie, je er-
leuchteter, je weitſichtiger ſie wird, immer mehr
dem Rechte. —

Wir wollen aber den Fall ſetzen, es ſey nicht
um die Aufhebung der Majorate, ſondern um
die Aufhebung und Auseinanderſetzung der Ge-
meinheiten zu thun. Die augenſcheinliche Ver-
mehrung des reinen Einkommens einer Nation
ſpricht fuͤr die Aufhebung; ein altes Geſetz ſpricht
dagegen, doch ein Geſetz von viel geringerem
Umfange, als jenes, welches gegen die Aufhe-
bung der Majorate ſpricht. Gewohnheit, Starr-
ſinn der Bauern ſtellen ſich auf die Seite des
Geſetzes; doch der unmittelbare Vortheil kann
hier den Sieg uͤber ein beſchraͤnktes und ohn-
maͤchtiges Geſetz davon tragen.

Aber wie wird der Vortheil gegen das ein-
zelne, ihm widerſtreitende Geſetz abgewogen?
Sowohl in dem Calcul uͤber das Geſetz, als in
dem andern uͤber den Nutzen, muß der Lauf der
Zeit, ja der Jahrhunderte, mit in Anſchlag ge-
bracht werden; wie ſich das Geſetz und der oͤko-
nomiſche Vortheil im Laufe der Jahre verhal-
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Staatsmanns. Vor ihm iſt weder das einzelne
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[90/0124] kleinen.” So naͤhert ſich die Oekonomie, je er- leuchteter, je weitſichtiger ſie wird, immer mehr dem Rechte. — Wir wollen aber den Fall ſetzen, es ſey nicht um die Aufhebung der Majorate, ſondern um die Aufhebung und Auseinanderſetzung der Ge- meinheiten zu thun. Die augenſcheinliche Ver- mehrung des reinen Einkommens einer Nation ſpricht fuͤr die Aufhebung; ein altes Geſetz ſpricht dagegen, doch ein Geſetz von viel geringerem Umfange, als jenes, welches gegen die Aufhe- bung der Majorate ſpricht. Gewohnheit, Starr- ſinn der Bauern ſtellen ſich auf die Seite des Geſetzes; doch der unmittelbare Vortheil kann hier den Sieg uͤber ein beſchraͤnktes und ohn- maͤchtiges Geſetz davon tragen. Aber wie wird der Vortheil gegen das ein- zelne, ihm widerſtreitende Geſetz abgewogen? Sowohl in dem Calcul uͤber das Geſetz, als in dem andern uͤber den Nutzen, muß der Lauf der Zeit, ja der Jahrhunderte, mit in Anſchlag ge- bracht werden; wie ſich das Geſetz und der oͤko- nomiſche Vortheil im Laufe der Jahre verhal- ten: das iſt ihre große Probe in der Seele des Staatsmanns. Vor ihm iſt weder das einzelne Geſetz etwas bloß Ideales und Ewiges, noch

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/124>, abgerufen am 30.04.2024.